Kaiser, Kriege und Kokotten im Rittersaal Waldbreitbach
Die Zusammenarbeit des Hotels zur Post mit der Leiterin der Westerwälder Literaturtage, Maria Bastian-Erll, bescherte dem Waldbreitbacher Publikum in gemütlicher Runde einen sehr vergnüglichen Abend mit einem „Urkölschen Schwergewicht der Kabarettkunst“, wie er von Geschäftsführer Hajo Reuschebach angekündigt wurde: Andreas Etienne.
Waldbreitbach. Wie man sich seinen Studentenjob als Museumsführer im Schloss Augustusburg in Brühl durch interessante Geschichten finanziell aufbessert, genau wegen dieser Eigenmächtigkeit entlassen wird und zwanzig Jahre später hochoffiziell – und besser honoriert – wieder engagiert wird, erzählte Andreas Etienne, der auch Theaterleiter des Hauses der Springmaus in Bonn ist, mit viel Esprit und Tempo. Klatsch und Tratsch und Intimitäten interessieren das Publikum deutlich mehr als nackte Geschichtszahlen, auch wenn es in der Geschichte wiederholt knapp bekleidet zuging. Nicht nur in der Antike, die durchtrainierte Nacktheit als Schönheitsideal abbildete. Schließlich führte auch der Brühler Schlossherr, Clemens August von Bayern, Kurfürst und Erzbischof von Köln, ein prachtvolles Leben. Der Katholik ließ sogar für seine Mädels Schloss Poppelsdorf bauen, bevor er am Rosenmontag beim Tanzen verstarb. Geschichte hat Humor und kann Spaß machen.
Mit Perücke und Prunkmantel schlüpfte Etienne am Ende seines lehrreichen Programms höchstpersönlich in die Rolle des absolutistischen Erzbischofs und ließ ihn sagen: „Ihnen fehlen die Könige. Sie dürfen sich Ihren eigenen Herrscher wählen und doch laufen Sie immer noch oft herum, als wären sie gerade von den Schweden gebrandschatzt worden!“
Das Bühnenprogramm dazwischen - auf der Grundlage des titelgebenden Buchs von Christoph Schulte-Richtering „Kaiser, Kriege und Kokotten“ - führte das Publikum im Parforceritt durch das Versailles des Sonnenkönigs Ludwig XIV, wo die Bibel die Maitresse Madame Pompadour an die Macht brachte, zu Pharao Ramses II, der vor Abu Simbel immer noch auf die Auferstehung wartet, zu dem „Riesengedöns“ der Germanen, das im Nibelungenlied wortreich und von Etienne in fünf Minuten gerafft aufgedröselt wurde. Auch die Merowinger waren „hauptsächlich damit beschäftigt, sich gegenseitig umzubringen", bis Karl der Große sich in über 30 Kriegen ein Reich zusammeneroberte und in seinem langen Leben samt Tross aber ohne Navi von Pfalz zu Pfalz zog.
Das Mittelalter übersprang der Kabarettist, denn alles, was der Mensch im Mittelalter tat, hatte im Sinne der Religion zu sein und durfte keinen Spaß bereiten. Aber die Renaissance war das Zeitalter der Lebensfreude und Sinnlichkeit, die die Wiedergeburt der alten Gottheit als Pin-up-girl feierte und durch die Schönheit der Lucrezia Borgia die markante Form der Tortellini erfand.
Warum im England der Tudors William Shakespare der Mario Barth seiner Zeit war, wusste Etienne ebenfalls schlüssig und witzig darzulegen. Das wunderschöne Wort „Rokoko-Kokotten“ ließ sich mit August dem Starken in Verbindung bringen, diesen wiederum mit seinem Gegenpart Friedrich Wilhelm I und in Folge mit Friedrich II, der französischen Revolution, Napoleon und der wegen Hämorrhoiden verlorenen Schlacht bei Waterloo. Rheinromantik und der Hochstapler Heinrich Schliemann führten konsequent zu Bismarck und dem Preußenkönig, bevor Etienne in der Rolle der Frau Schneider, Kaltmamsell vom Obersalzberg, Zeitzeugnis ablegte von Hitlers Gebaren. Mit Adenauers Kaffee-Kuchen-Schnäpschen-Politik war der Kabarettist wieder in der Heimat und bei dem Lebenskünstler Clemens August angekommen. Dieser empfahl zum Abschied: „Fangen Sie endlich an, Ihr Leben zu genießen. Sie sind schneller Geschichte als Sie denken!“
Die Geschichten von Bühnenkünstler Andreas Etienne hatte das Publikum uneingeschränkt genossen und deutlich Geschichtswissen hinzugewonnen. htv
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