Bären sind der moralische Sieger
Ein Blick nach links von der Tribüne des Neuwieder Icehouses: Da steht am Sonntagabend auf der Anzeigetafel eine 4:7-Niederlage für den EHC „Die Bären" 2016 gegen den Herforder EV, aber die Fans haben ein feines Gespür dafür, wie sie die Mannschaft nach der Schlusssirene vom Eis verabschieden. Mit stehenden Ovationen und „Wir sind stolz auf unser Team"-Sprechchören. Es ist die Belohnung für einen Eishockey-Abend, der den Zuschauern alles bietet. Emotionen, Tore, Tempo, Leidenschaft. Ein echtes Spitzenspiel zwischen dem Tabellenführer aus Ostwestfalen und den zweitplatzierten Neuwiedern.
Neuwied. „Mit der Einstellung unseres Teams bin ich absolut zufrieden und die Fans waren es auch. Sie haben nach Spielende gezeigt, dass sie trotz der Niederlage hinter dem Team stehen", sagte EHC-Interimstrainer und -Manager Carsten Billigmann. „Wir können uns als moralischer Sieger fühlen und hätten mindestens einen Punkt verdient gehabt."
Die Gastgeber legten ähnlich fulminant los wie am Freitag gegen Dinslaken und lagen bereits nach 14 Sekunden durch Deion Müller mit 1:0 vorne. Eine Führung, die nicht lange Bestand hatte. 36 Sekunden später fand auch der erste Herforder Abschluss den Weg in die Maschen. Der Ex-Neuwieder Morgan Reiner deutete an, dass die Ice Dragons vor der gegnerischen Kiste die Effektivität in Person sind. Vor allem der Mann mit der Rückennummer 10. Ross Reed fehlte die drei zurückliegenden Partien aufgrund einer Sperre und machte bei seinem Comeback dort weiter, wo er zuvor aufgehört hatte.
Dem kanadischen Topscorer gelang jeweils nach Vorlage seines kongenialen Nebenmannes Killian Hutt ein Hattrick (12., 15., 24.) zum 1:4. Zwei Tore davon resultierten aus Überzahlsituationen. Und dann war da eine Aktion auf der anderen Seite, die fünf Sekunden vor der ersten Pause für Entsetzen bei den Bären sorgt: Deion Müller zieht aus halblinker Position ab, die Scheibe rutscht HEV-Schlussmann Lars Rusche, der 17. Minute für den verletzten Kieren Vogel einsprang, durch die Schoner ins Tor und kommt wieder raus. Jubelstürme, Anschlusstreffer zum 2:3, alles wieder offen. So scheint es zumindest, zumal Schiedsrichter Jan Breckenfelder auf Tor entscheidet. Warum der Unparteiische, der sich nach eigenen Angaben sicher war, dass der Puck die Linie überschritten hatte – was Videoaufnahmen der Hintertorkamera eindeutig belegen -, dann plötzlich nach Beratschlagung mit seinen Assistenten seine Entscheidung revidiert, bleibt ein ungelöstes Rätsel. Zumal der in die Entscheidungsfindung eingebundene Linienrichter Uwe Hoffmann zum Zeitpunkt des Einschlags auf Höhe der blauen Linie und damit 20 Meter von der Torlinie entfernt steht. Es blieb nicht die einzige merkwürdige Entscheidung der drei Herren mit den Pfeifen.
Die nie aufgebenden Bären blendeten das alles aus, spielten weiter intensiv auf den Mann, setzten sich immer wieder in der Herforder Zone fest und schafften durch Willi Hamann (30.) sowie Michael Jamieson (35.) den hochverdienten Anschluss zum 3:4. Auch Felix Köllejan hatte inzwischen Hutt und Reed etwas entgegenzusetzen. Der Neuwieder Schlussmann parierte ausgangs des zweiten Abschnitts zwei Alleingänge der HEV-Kanadier und hielt für sein Team alle Chancen auf einen Dreier offen. Gegen Kevin Rempel musste er sich dann doch geschlagen geben (44.). Ein Tor, dessen Vorgeschichte einen faden Beigeschmack hatte. Breckenfelder pfiff offensichtlich Torraumabseits gegen Herford ab, gab dann jedoch Bully vor dem Neuwieder Tor anstatt im Mitteldrittel. Warum? „Ich habe abgepfiffen, weil der Neuwieder Torhüter berührt wurde und sich dabei etwas an der Leiste zugezogen hat – shit happens", versuchte sich der Unparteiische später im Kabinengang zu erklären. „Leiste? Ich wurde in dieser Situation noch nicht einmal berührt", schilderte Köllejan.
Die Gastgeber kamen ein weiteres Mal zurück. In Unterzahl zockten Michael Jamieson und Martin Brabec die Abwehr des Tabellenführers aus und verkürzten mit dem schönsten Treffer des Abends erneut. Neuwied hoffte, drängte in seinem einzigen Powerplay des Schlussdrittels auf den Ausgleich, bekam das mit dem Ausgleich jedoch nicht bewerkstelligt. Vier Überzahlsituationen gestattete Breckenfelder hingegen den Drachen, die mit zwei Spielern mehr auf dem Eis die Entscheidung herbeiführten. Ulib Berezovskij machte den Sack zu (58.) und Killian Hutt beendete das Spitzenspiel mit einem Schuss ins leere Tor (60.).
Neuwied: Köllejan (Schaffrath) – Hellmann, Schütz, Neubert, Dieser, Wichterich, Morys, Neumann – Fröhlich, Sting, S. Asbach, Kley, Jamieson, Müller, Brabec, Herbel, S. Schlicht, Etzel, Hamann, Schug.
Herford: Vogel (18. Rusche) – Schmunk, Gehring, Reckers, Brinkmann, Kiel, Derksen, Rempel – Reed, Nasebandt, Reiner, Berezovskij, Staudt, Lindt, Hutt.
Schiedsrichter: Jan Breckenfelder.
Zuschauer: 547.
Strafminuten: 23 + Disziplinarstrafe gegen Sting + Spieldauerdisziplinarstrafe gegen Sting : 15 + Disziplinarstrafe gegen Staudt + Spieldauerdisziplinarstrafe gegen Staudt.
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