Nestwärme für Kinder mit Gewalterfahrung
Jetzt ist es offiziell: Die neuen Räumlichkeiten für den Kinderschutzdienst des Heilpädagogisch-Therapeutischen Zentrums Neuwied sind eingeweiht. Hell und freundlich präsentieren sich die fünf Zimmer plus Küche in Bad Hönningen – Nestwärme für Kinder, die Gewalterfahrungen machen müssen und dringend Hilfe benötigen.
Neuwied. „Du kommst ja immer wieder!“ Diesen mit Verwunderung gesprochenen Satz hörte Kerstin Müller unlängst. Da saß sie zum siebten Mal mit einem Jungen zusammen, der die Gewalt, die er zu Hause erfuhr, an andere weitergab. Lehrer hatten die Mitarbeiterin vom Kinderschutzdienst (KSD) gebeten, sich des Schülers anzunehmen. „`Ja, ich komme immer wieder`, habe ich geantwortet“, sagt Kerstin Müller. Denn sie hat echtes Interesse am Schicksal des jungen Menschen. Interesse, das er nicht gewohnt ist. Und sie kann zuhören. Vor allem aber hat sie Geduld. Sechs Mal hat sie den Jungen aufgesucht, ohne dass er ein Wort mit ihr gewechselt hätte. Das siebte Mal begann er, zu vertrauen. Und erzählte, was er zu Hause erleben muss.
Das ist nur ein Beispiel von vielen. Von Kindern, die Gewalterfahrungen machen und Hilfe beim KSD finden, nicht zu verwechseln mit dem Kinderschutzbund. Letzterer arbeitet daran, die Lebenssituation von Kindern, Jugendlichen und deren Familien zu verbessern. Kinderschutzdienste sind Anlaufstellen für Jungen und Mädchen, die Opfer von Misshandlungen, Vernachlässigung oder sexuellem Missbrauch wurden oder bei denen ein entsprechender Verdacht besteht.
„Dabei haben wir einen besonderen Ansatz: Wir sind freiwillig, die Kinder sind unsere Auftraggeber“, sagt Kerstin Müller, „mit ihnen besprechen wir alles sehr genau, oft an Orten, die für sie gut erreichbar sind, und wir treffen keine Entscheidung ohne sie.“ Damit, fährt sie fort, „machen wir genau das, was die Kinder in ihren Familien nicht erfahren: Wir respektieren ihre Grenzen.“ Eine verlässliche Bindungserfahrung soll gemacht werden können.
Kinderschutzdienste gibt es nur in Thüringen und Rheinland-Pfalz. In RLP sind es 17 Dienste an 18 Standorten, schilderte Kerstin Müller im Rahmen der offiziellen Eröffnung der neuen Räume. Die so genannten „niedrigschwelligen Anlaufstellen“ vermitteln die erforderlichen Hilfen zur Abwehr weiterer Gefährdung, zum Schutz vor Wiederholung, zur Verarbeitung traumatischer Erlebnisse und zur Heilung der erlittenen seelischen und körperlichen Verletzungen. Schwerpunkt ist Opferschutz, nicht Straftäterverfolgung.
Damit aber all dies gelingen kann, müssen die Rahmenbedingungen stimmen. 1994 gegründet, hatte der Neuwieder KSD zuletzt Schwierigkeiten, ein bezahlbares Dach über dem Kopf zu finden. Ein Büro im Haupthaus des HTZ platzte aus allen Nähten. „Nach langwieriger Suche“, so der Neuwieder Landrat Achim Hallerbach, erwies es sich als „Glücksfall“, die ehemalige Arztpraxis in Bad Hönningen, gut erreichbar in Bahnhofsnähe, gefunden zu haben: „Der Kinderschutzdienst ist unverzichtbar für uns.“ Finanziert wird der KSD vom Kreis Neuwied, Stadt, Land und dem HTZ. Träger ist das Heilpädagogisch-Therapeutische Zentrum. Auch HTZ-Geschäftsführer Thomas Voß zeigte sich erleichtert, eine liebevoll eingerichtete Bleibe für den KSD gefunden zu haben und die bereits seit einigen Monaten genutzten Räumlichkeiten offiziell einweihen zu können.
Der Kinderschutzdienst ist dankbar für Unterstützung. Die Gelder kommen den Kindern auf direkem Wege zugute. Spenden bitte an Sparkasse Neuwied, IBAN: DE46 5745 0120 0000 4392 65, BIC: MALADE51NWD.
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