Westerwälder Literaturtage beginnen am Zwangsarbeiter-Mahnmal
Der Ort für den Auftakt der diesjährigen Westerwälder Literaturtage am 26. April ist mit Bedacht gewählt: Das Wissener Mahnmal für die Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter erinnert an dunkelste Zeiten – so wie die Autorin, die zur ersten Lesung der diesjährigen Reihe ins Wissener Kulturwerk kommt: Natascha Wodin mit ihrem Buch „Sie kam aus Mariupol“.
Wissen. Wie in jedem Jahr, so stehen die Westerwälder Literaturtage auch in diesem Jahr unter dem Motto des Kultursommers: „Industrie-Kultur“. Hier soll auch die Geschichte eines der schönsten Veranstaltungsorte in Rheinland-Pfalz nicht ausgeklammert werden. Mit der Eröffnung der 17. Westerwälder Literaturtage knüpfen die Ehrenamtlichen der Wissener eigenArt an die ergreifende „Nachtschicht“ 2015 im Kulturwerk Wissen an, bei der unter dem Thema „Dunkle Zeiten“ die Zwangsarbeit thematisiert wurde. Zum Auftakt findet daher am 26. April um 18 Uhr eine Einführung am Mahnmal (Auf der Bornscheidt) für die 1.500 Menschen statt, die im ehemaligen Walzwerk zur Arbeit für die so genannte „kriegswichtige Industrie“ der Nationalsozialisten gezwungen wurden.
Zwangsarbeit ist literarisch kaum verarbeitet
Wenig Literatur gibt es bislang zum Thema Zwangsarbeit in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs. Umso erfreulicher ist es, dass die Autorin Natascha Wodin, deren Romanbiografie 2017 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse im Bereich Belletristik ausgezeichnet wurde, für die Eröffnung der 17. Westerwälder Literaturtage gewonnen werden konnte. Die Veranstaltung im Wissener Kulturwerk beginnt um 19 Uhr. Die Moderation übernimmt Bernhard Robben.
Eine Fußnote der Geschichte
„Wenn du gesehen hättest, was ich gesehen habe": Natascha Wodins Mutter sagte diesen Satz immer wieder und nahm doch, was sie meinte, mit ins Grab. Da war die Tochter zehn Jahre alt und wusste nicht viel mehr, als dass sie zu einer Art Menschenunrat gehörte, zu irgendeinem Kehricht, der vom Krieg übriggeblieben war. Wieso lebten sie in einem der Lager für „Displaced Persons“ (DP), woher kam die Mutter, und was hatte sie erlebt? Erst Jahrzehnte später öffnet sich die Blackbox ihrer Herkunft, erst ein bisschen, dann immer mehr. „Sie kam aus Mariupol“ ist das außergewöhnliche Buch einer Spurensuche. Natascha Wodin geht dem Leben ihrer ukrainischen Mutter nach, die aus der Hafenstadt Mariupol stammte und mit ihrem Mann 1943 als "Ostarbeiterin" nach Deutschland verschleppt wurde. Sie erzählt beklemmend, ja bestürzend intensiv vom Anhängsel des Holocaust, einer Fußnote der Geschichte: der Zwangsarbeit im Dritten Reich.
Die Akteure
Natascha Wodin wurde 1945 als Kind verschleppter sowjetischer Zwangsarbeiter in Fürth/Bayern geboren und wuchs in deutschen DP-Lagern auf. Nach Jahren in einem katholischen Mädchenheim, in dem sie nach dem frühen Tod der Mutter untergebracht wurde, arbeitete sie zunächst als Telefonistin und Stenotypistin. Anfang der siebziger Jahre absolvierte sie eine Sprachenschule und arbeitete als Dolmetscherin. Dann begann sie, Literatur aus dem Russischen zu übersetzen, und lebte zeitweise in Moskau. Seit 1981 ist sie freie Schriftstellerin und bekam für ihre Bücher zahlreiche Preise. Heute lebt sie in Berlin und Mecklenburg. Ihr Buch wurde 2017 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Der Moderator des Abends, Bernhard Robben, wurde 1955 im Emsland geboren, studierte Philosophie und Germanistik in Freiburg und Berlin. Er ist ein gefragter und preisgekrönter Literaturübersetzer. Seit 2012 ist er bei den ww-Lit regelmäßig als Moderator eingeladen.
Tickets kosten 12 Euro
Der Eintritt für die Auftaktveranstaltung kostet 12 Euro, ermäßigt für Schüler, Studenten, Schwerbehinderte und Inhaber der Ehrenamtskarte 10 Euro. Platzwahl. Es gilt freie Platzwahl. Für die Teilnehmer an der rund 30 Minuten dauernden Einführung am Mahnmal werden im Kulturwerk Plätze reserviert. Vorverkauf in allen TR- und Reservix VVK-Stellen und über den Ticketshop der Seiten ww-lit.de und kulturwerkwissen.de (PM)
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