So kam EIRENE nach Neuwied: Erinnerung an Paul Gentner
Über 100 Gäste waren - zum Teil von weit her und sogar aus dem Ausland - angereist, um an der Gedenkfeier zum zehnjährigen Todestag von Paul Gentner teilzunehmen. Paul Gentner war von 1964 an 32 Jahre lang hauptamtlich bei EIRENE aktiv und widmete sich im Ruhestand der EIRENE-Stiftung. Seine konsequente gewaltfreie Orientierung zeigte sich in einem respektvollen freundlichen Umgang mit Menschen jeglicher Herkunft und in einer kompromisslosen Haltung gegenüber ungerechten Verhältnissen. Dadurch wurde er zum Vorbild für viele.
Neuwied. Nach einem Friedensgottesdienst in der Herrnhuter Brüdergemeine ging die Erinnerungsfeier im Gemeindesaal der Marktkirche weiter, wo Familie und Freunde Erinnerungen an Paul Gentner austauschten. Der Vorsitzende der EIRENE-Stiftung Andreas Bürkert berichtete, dass Paul Gentner aus einer schwäbisch-pietistischen Familie kommend seinen Blick geweitet habe und Menschen jeder Religion, Weltanschauung und Herkunft so wertschätzen konnte, wie sie waren.
Paul Gentner war 1933 geboren und hatte den Nationalsozialismus und den Krieg miterlebt. In seiner Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus wurde er sensibel für Diskrimierung und Rassismus. Dass heute rassistisches Denken wieder hoffähig wird, würde ihn nicht ruhen lassen.
Peter Künzel von der Herrnhuter Brüdergemeine nahm Bezug auf seinen verstorbenen Vater, der im Zweiten Weltkrieg Kriegsteilnehmer gewesen war. Als dieser mit Paul Gentner in Kontakt kam, weil die EIRENE-Geschäftsstelle nicht mehr in Römlinghoven bleiben konnte und eine neue Bleibe suchte, sah es Peter Künzels Vater als einen persönlichen Friedensauftrag an, EIRENE ins Herrnhuter Viertel nach Neuwied zu holen. Im Jahr 1976 zog Paul Gentner, damals EIRENE-Geschäftsführer, mit EIRENE-Team und seiner Familie von Römlinghoven nach Neuwied um. Die EIRENE-Geschäftsstelle in der früheren Ofenfabrik der Herrnhuter Brüdergemeine ist seitdem in der Engerser Straße sowohl eine Büro- als auch eine internationale Hausgemeinschaft.
Markus Beinhauer war Aktivist der Anti-AKW-Bewegung gegen das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich gewesen und hob das konsequente politische Engagement von Paul hervor. Während seiner Zeit als EIRENE-Mitarbeiter habe er außerdem nie erlebt, dass Paul ihm gegenüber mal einen Vorwurf geäußert hätte.
Martin Petry, ehemaliger EIRENE- Freiwilliger im Niger und im Tschad, berichtete von seinen aktuellen mühsamen entwicklungspolitischen Aktivitäten im Südsudan und im Tschad. Er orientiere sich an Paul Gentner als Vorbild: "Paul schaute immer nach vorne und suchte nach neuen Wegen." Paul Gentner war rein technischer Zusammenarbeit gegenüber misstrauisch; er glaubte an Veränderungen, die aus der Kraft der Begegnung und des gegenseitigen Vertrauens heraus entstehen. Er war ein Mann der Begegnung.
Gisela Kurth, die die Nachfolge von Paul Gentner im Finanzreferat übernommen hatte, sieht sein Anliegen, Friedensarbeit durch vertrauensvolle Begegnungen über Gräben hinweg zu stärken, in den staatlichen Freiwilligenprogrammen heute nicht mehr repräsentiert. Dort werde der Einsatz von Personal lediglich als Instrument für technische Zusammenarbeit gesehen.
Elisabeth Freise zeigte anhand von Bildern aus dem Leben von Paul Gentner, dass sein Engagement für EIRENE nicht nur aus Schreibtischarbeit bestand. Er war bei Demonstrationen dabei, wurde wegen Aktionen des zivilen Ungehorsams bei den Atomwaffenlagern im Hunsrück vor Gericht verurteilt – und er war ein Mensch der Gemeinschaft, der sogar beim rheinischen Karneval mitmachte, was ihm als Schwabe sichtlich schwer fiel.
Josef Freise erinnerte an Paul Gentners Mut: Als im Deutschen Zweig von EIRENE zu Anfang der 1980er Jahre marxistische Gruppen, die von christlicher Orientierung und von Gewaltfreiheit nichts hielten, die Mehrheit hatten, trat Paul mit Gleichgesinnten aus dem Deutschen EIRENE-Zweig aus. Sie gründeten den „Freundeskreis EIRENE“ und beantragten erfolgreich die Mitgliedschaft bei EIRENE International. Letztlich ging EIRENE erstarkt aus dem Konflikt hervor.
Der EIRENE-Vorsitzende Reinhard Voß hob die Erinnerung an einen Menschen hervor, für dessen Leben alle dankbar sind und dessen Vermächtnis zugleich einen Auftrag für die Zukunft darstellt.
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