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Nachricht vom 22.10.2018    

Lebenspannen und Männerphantasien

Im Jubiläumsjahr der vor 20 Jahren von Jürgen Grünwald initiierten Reihe „Wir machen Theater“ auf der Kleinkunstbühne des Hotels zur Post in Waldbreitbach engagierten dessen Nachfolger viele tolle Künstler mit einem unterhaltsamen Mix an Wort- und Musikkunst. Mit der Erfolgsserie im Rücken zeigen die Veranstalter auch Mut zum Außergewöhnlichen. Den Anfang der Saison setzte am Sonntagabend, 21. Oktober der Österreicher Werner Brix mit seinem Programm „Zuckerl – best of Brix“.

Werner Brix analysiert das Leben auf seine ganz eigene Weise. Fotos: Wolfgang Tischler

Waldbreitbach. Offenheit für Überraschungen war die gefragte Eigenschaft, denn „der Brix“ passt in keine Schublade. Das machte er gleich zu Beginn klar, indem er von der Theke her als Theaterpolizei durch den Saal kam und dabei die Besucher auf Feuerfestigkeit überprüfte. Zu seinem Entsetzen trugen einige Gäste Polyester, das bereits bei 375 Grad brennt oder leicht entflammbares Haarspray. Unverzeihlich: Der Veranstalter hatte die Menschen nicht vorbereitet!

Mit dem Schritt auf die Bühne des Rittersaals vollzog der Kabarettist die Wandlung weg von der Reglementierung zum Mitmacher, Genießer, Ohrenbeißer, Streitschlichter,…,elegant, mondän und wortgewandt. Wortgewandt und reimsicher spielte Brix Szenen aus seinem Leben, zumeist Pannen mit Frauen und Kollegen, die manchmal peinlich unter die Gürtellinie gingen, aber immer sein schauspielerisches Können bewiesen. In der Szene „Essen auf Vorrat“ beim Chinesen – „Man kennt mich schon im Happy Buddha, die Rechnung kommt im Kübel" – spielte er eindrucksvoll den kontinuierlich betrunkener und überfüllter werdenden Gast.

Völlig anders säuselte Brix als frecher Charmeur, der ein Bonbon an eine Dame verschenkt, in „Pinke-Panke“. Die mit diesem Zuckerl verbundene Lebenspanne, genussvoll zum Besten gegeben, verstörte einige Zuschauer.

In „Commedia“ gab der Vielseitige gleich alle drei Hauptrollen: Pantalone, Colombina und Harlekino mit nur einem Karton als Requisite. Mit französischem und italienischem Akzent verkörperte er überzeugend einen grantigen Hausherren, ein naives Weibchen und einen jungen Galan in gereimten Wortspielereien.

Werner Brix, der zunächst Techniker, dann Schauspieler „ohne Geld auf dem Konto“ am Theater war, imitierte gekonnt die verzweifelten Bemühungen „vom Stangel“ um eine Badansage für den Anrufbeantworter seines Theaters. Finanziell aufwärts ging es bei dem Künstler durch Synchronisation beim Film. Eine köstliche Kostprobe gab er von der Synchronisations-Aufnahme einer Sexszene.

Die philosophische Seite des Mannes kamen in Überlegungen zu PU-Montage-Schaum zum Ausdruck: „Was wäre, wenn PU nach zwanzig Jahren zerbröseln tät? Alle Fenster fielen aus den Häusern!“ Makaber wurde es auch bisweilen, zum Beispiel bei der Episode, dass sein bester Freund an einer Herzklappenoperation gestorben sei, weil seine eigene Frau sich in die offene Brust Ihres Mannes übergeben habe. Aber: Wer jung stirbt, wird nie alt!



Makaber-realistisch auch das Lied „Hotel Intercontinental“ mit Mini-Mundharmonika und monophonem Synthesizer instrumental begleitet. Mit diesem Gerät stellte er – verbunden mit einer Persiflage auf amerikanisch-euphorische Ansagen – eine ganze Werner-Brix-Band zusammen zu dem Song „Männer über vierzig“, der Quintessenz der Erkenntnis, dass bei Männern im vierzigsten Jahr der große Klicks passiert, der zu einem gewaltigen emotionalen Download führt. Erkennbar daran, dass der Mann weint, weil eine Schneeflocke in seiner Hand schmilzt.

Anschließend sucht der zum „Uhu = unter hundert“ gewordene Mann sich selbst. Der Uhu von heute sucht immer mit einem Motorrad Marke Harley Davidson. Will der Uhu kein Motorrad, fährt er in die Wüste, um sich im Schweigen zu finden. Frauen reagieren verstört auf die plötzlich emotionalen Wesen. „Wir müssen uns total danebenbenehmen, um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Wenn es nach uns durch den großen Klicks gegangenen Uhus ginge, wäre jeder Tag ein Hoch-Zeits-Tag.“ Es folgten erotische Männerphantasien oder Liebeserklärungen des Mannes über vierzig. Die Differenzierung war nicht eindeutig auszumachen, das sollte sie sicher auch nicht.

Skurril und hintergründig kam die arienhafte Zugabe daher: Die persönliche Unterhaltung zweier gescheiterter aber stets kultiviert auftretender Investment-Banker in der Intimität ihrer Gefängniszelle.

Kabarettfreunde können sich auf den 11. November und Eric Lehmann als „Uwe Wallisch- Der Frauenversteher" freuen, bevor am 16. Dezember ein besonderes Highlight nach Waldbreitbach kommt: Delta Q mit „Ohrwärmer". htv




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