Heinrich Heine in Texten und Liedern präsentiert
Kulturkreis und Stadt Dierdorf stellten am 10. November den Dichter Heinrich Heine in den Mittelpunkt eines kunstreichen Abends. Der Jude Heine ist einer der bedeutendsten deutschen Dichter, Schriftsteller und Journalisten des 19. Jahrhunderts. Sein Leben verlief spannend, oft qualvoll. Der Polemiker, der dem Volk aufs Maul schaute, geriet in Konflikt mit dem preußischen Staat und seine Verse sind heute aktueller denn je. All diese Facetten brachte das Ensemble Kalliope – benannt nach der griechischen Muse der Dichtkunst – dem Publikum in der Alten Schule unterhaltsam nahe.
Dierdorf. Das bekannteste Werk Heines ist sicherlich das Loreley-Gedicht. Gesungen von Bariton Carlo Entringer in der Vertonung von Clara Schumann mit Klavierbegleitung von Claude Weber, trat die traurige vor die romantische Anmutung. Heine gilt als „letzter Dichter der Romantik" und zugleich als deren Überwinder. In ihrer Moderation stellte Nadine Hoffmann die Biographie phasenweise vor im Wechsel mit Gesang und Gedichte-Rezitation von Hilmar Berndt, der in Dierdorf geboren wurde.
Christian Johann Heinrich Heine wurde im Dezember 1797 als Harry Heine als ältestes von vier Kindern in Düsseldorf geboren. Als Jude mit rötlichem Haar sah er sich früh Ausgrenzungserfahrungen ausgesetzt. Zunächst absolvierte er eine Banklehre in Hamburg, danach ein Jura-Studium in Bonn und Göttingen. Er arbeitete nie als Jurist sondern wurde freischaffender Autor in Hamburg. Als solcher blieb er sein Leben lang von seinem Onkel, dem Bankier Salomon Heine abhängig. 28-jährig ließ er eine evangelisch-lutherische Taufprozedur über sich ergehen, sein „Entre Billet zur Europäischen Kultur“.
1824 besuchte Heine Goethe in Weimar, doch das Treffen verlief für beide Dichter enttäuschend. Im Jahr 1826 schrieb Heine den Reisebericht „Harzreise“, der durch den Verleger Julius Campe sein erster großer Publikumserfolg wurde. Im Jahr danach erschien das „Buch der Lieder“, eine chronologische Sammlung seiner bis dato veröffentlichten Gedichte. Damit begann sein anhaltender Ruhm. Der romantische Ton traf den Nerv der Zeit und wurde populär. Ein Beispiel dafür, wie der „entlaufene Romantiker“ Heine den romantischen Ton bald durch Ironie überwand:
„Das Fräulein stand am Meere
Und seufzte lang und bang.
Es rührte sie so sehre
der Sonnenuntergang.
Mein Fräulein! Sein sie munter,
Das ist ein altes Stück;
Hier vorne geht sie unter
Und kehrt von hinten zurück.“
Über die Stadt Göttingen lästerte Heine: "Die Stadt Göttingen, berühmt durch ihre Würste und Universität, gehört dem Könige von Hannover und enthält 999 Feuerstellen, diverse Kirchen, eine Entbindungsanstalt, eine Sternwarte, einen Karzer, eine Bibliothek und einen Ratskeller, wo das Bier sehr gut ist. ... Die Stadt selbst ist schön und gefällt einem am besten, wenn man sie mit dem Rücken ansieht. ... Im Allgemeinen werden die Bewohner Göttingens eingeteilt in Studenten, Professoren, Philister und Vieh, welche vier Stände doch nichts weniger als streng geschieden sind. Der Viehstand ist der bedeutendste." Solcher Spott brachte dem Dichter Ärger ein.
Ab 1831 war Heine in Paris Korrespondent für deutsche Zeitungen. Als 13-Jähriger hatte er den Einzug Napoleons I. in Düsseldorf erlebt. Heine verehrte den Kaiser zeitlebens wegen der Einführung des Code civil, der Juden und Nicht-Juden gesetzlich gleichgestellt hatte. Aber die Artikel wurden von der deutschen Pressezensur meistens verstümmelt und verboten. Paris blieb für zwanzig Jahre seine Heimat, bis zu seinem Tod. Einer seiner Gründe dafür ist Crescune Augustine Mirat, die er Mathilde nannte und die er 1841 heiratete. Zuvor hatten einige Frauen als Dichter-Muse gewirkt.
Robert Schumann vertonte Heines Gedicht „Die alten, bösen Lieder“ als letztes Lied seines Liederzyklus’ „Dichterliebe“. Entringer und Weber interpretierten das Lied, das vom notwendigen Begraben alter Übel und Leiden handelt, mit Intensität, aber ohne Pathos.
1843 unternahm Heine eine Reise nach Hamburg, um seine alte und kranke Mutter zu besuchen: „Nach Deutschland lechzt’ ich nicht so sehr, Wenn nicht die Mutter dorten wär’; Das Vaterland wird nie verderben, Jedoch die alte Frau kann sterben.“
Danach entstand das satirische Werk "Deutschland. Ein Wintermärchen". Zur Zeit seiner Entstehung betrachtete man das Werk als „Schmähschrift“ eines heimatlosen „Vaterlandsverräters“, Miesmachers und Schandmauls. Durch den Nationalsozialismus wurden Heines Bücher verbannt und verbrannt. Erst 1967 wurde der vatikanische Bann der Bücher aufgehoben, 2010 erfolgte Heines Aufnahme in der Gedenkstätte „Walhalla“, eineinhalb Jahrhunderte nach dessen Tod. Die moderne Zeit sieht in Heines Werk vor dem Hintergrund der europäischen Integration ein bedeutendes politisches Gedicht in deutscher Sprache, souverän in Witz, Bildwahl und Sprache.
Als Highlight zum Schluss der Veranstaltung, rezitierte Hilmar Berndt das Gedicht „Belsazar“, das anschließend von Carlo Entringer mit Pianobegleitung gesungen wurde.
Im Anschluss an den besonderen Heine-Abend standen die vier Künstler zu Gesprächen mit den Zuhörern bereit. Nach den Worten Ulrich Christians war der Abend „das Highlight in diesem Herbst, das darlegte, dass in der Schublade Romantik nicht nur Sonnenuntergang und Candle light Dinner stecken sondern auch eine andere Seite: Romantisch wird es auch da, wo es einem kribbelt und dazu bringt, Flagge zu zeigen oder den ersten Schritt zu wagen.“ htv
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