Grandios: „Schindlers Liste“ im Schlosstheater Neuwied
Minutenlange stehende Ovationen zeugten bei der Premiere am Mittwochabend, 6. März von der hervorragenden Regie- und Schauspielleistung des Ensembles am Schlosstheater Neuwied, die es fertigbrachte, den erfolgreichen Spielberg-Kinofilm aus den Köpfen zu treiben zugunsten einer verdichteten, ergreifenden Bühnendarstellung, die die Handlung meist in Dialogen vorantrieb.
Neuwied. Logischen Zusammenhalt und Fortgang erfährt das von Florian Battermann geschriebene Theaterstück durch ein Paar, das beim Stöbern im Nachlass auf dem Dachboden in Hildesheim einen alten Koffer mit Listen und Briefen findet. Dokumente, die sowohl die riskanten Taten als auch die facettenreiche Persönlichkeit Oskar Schindlers belegen: Offenbar war er bis zu seinem Tod 1974 ein Frauenheld und Lebenskünstler gewesen, Genießer und Verschwender, Mitglied der NSDAP, Schwarzhändler, gewandt und gerissen, ein Ehebrecher, der trotzdem seine Frau brauchte, auf die er bauen konnte, ein sehr risikobereiter Spieler, dem es immer um das Gewinnen ging und trotzdem ein Mensch, der sich ein Stück Menschlichkeit bewahrt hat und nicht gewillt ist, dieses zu opfern. Wegen seines brüchigen Charakters gelang es Oskar Schindler mehr als 1.000 Juden vor den NS-Vernichtungslagern zu bewahren.
Die Besetzung ist hervorragend gelungen: Der bekannter Maßen sehr gut aussehende und charmante Oskar Schindler wird von Schauspieler Stefan Bockelmann einnehmend verkörpert. Besonders überzeugend ist Dimitri Tellis als Abraham Bankier, ehemaliger jüdischer Geschäftsführer der Emailfabrik in Krakau, den der clevere Schindler bei der Übernahme der Fabrik auf dieser Position belässt. Die beiden Hauptpersonen arbeiten angesichts der immer näher kommenden Todesgefahr für die Juden immer enger und zielgerichteter zusammen.
Die übrigen zehn Schauspieler spielen insgesamt 25 Rollen, stellen äußerst wandlungsfähig mal stramme Nazi-Schergen, mal verzweifelte Juden dar. Der blitzschnelle Rollentausch gelingt äußerlich mit Uniformteilen, Gefangenenkleidung, Mänteln und Tüchern, in Ausdruck und Habitus mit großer Schauspielkunst. Es spielten Armin Riahi, Hannes Ducke, Astrid Krenz-Straßburger, Thomas Kahle, Marcus M. Mies, Claudia van Veen, Werner H. Schuster, Christiane Hecker, Jennifer Tilesi Silke und Andreas Werth unter der Regie von Lajos Wenzel, dem neuen Intendanten der Landesbühne Rheinland-Pfalz im Schlosstheater Neuwied.
Beeindruckend wandelbar erwies sich auch das reduzierte Bühnenbild von Bühnen- und Kostümbildner Tom Grasshof: Original-Namenslisten im Hintergrund, davor rollbare graue Bühnenelemente aus Brettern und Kisten sowie wenige Möbel, die auf offener Bühne verschoben werden und die unterschiedlichsten Schauplätze darstellen: Innenansicht einer Fabrik, Büro, Wohnung, Lager, Gefängnis, Balkon oder Straße, bedrohliche Enge und unfassbare Ferne.
Nachdem der Applaus verklungen war, unterhielten sich etliche Zuschauer unter dem Eindruck der Aufführung noch im Parkhaus über die qualitativ hervorragende Leistung. Trost in dem beklemmenden Wissen, dass „Schindlers Liste“ Realität war, gibt die Aussage des jüdischen Philosophen Martin Buber: „Wer einen Menschen rettet, der rettet die Menschheit“. Schindler wäre nun 110 Jahre alt, aber das Stück ist erschreckend aktuell. Bis 19. März wird das Theaterstück täglich um 20 Uhr gespielt, am Sonntag, 17. März auch um 16 Uhr und am Sonntag, 10. März gibt es um 16 Uhr eine Zusatzvorstellung. htv
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