Kabarettvielfalt begeisterte in Waldbreitbach
Ein Überraschungs-Menü am Ende der Fastenzeit tut gut. Das dachten sich die vielen Kabarettfans, die am Sonntag zwei Vorstellungen im Rittersaal des Hotels zur Post zur Gänze füllten. Aufgetischt hatten die Organisatoren eine gelungene Komposition aus Comedy, Bauchrednerei, politischem Kabarett, Schauspiel und skurriler Musik. Dem Publikum schmeckte das theatralische Überraschungs-Ei, wie der Applaus zeigte.
Waldbreitbach. Das Kabarett a la surprise am Ende einer Theatersaison hat schon Tradition im Hotel zur Post. Da gerade die 20. Saison zu Ende ging, hatte Geschäftsführer Hajo Reuschenbach noch eine weitere Überraschung im Angebot: Die Schnellzeichnerin Christiane Pfohlmann erstellte blitzschnell Karikaturen von Gästen.
Die erste Künstlerin des Abends, Helikoptermutter Andrea Bongers, bejubelte ihre Freiheit, weil nach 21 Jahren ihr Sohn das Haus verlassen hat und sie nun ihren eigenen Bedürfnissen nachgehen kann. Vielleicht, nachdem sie in der Nähe des Kindes eine Wohnung gefunden hat, weil das noch Unterstützung gebrauchen kann. Selbst sieht sich die Mutti, die noch nicht bereit ist für eine Trennung, in der Rolle eines über den Köpfen kreisenden Geiers, der selbst das erste Date mitverfolgte. Weil da nur eine Therapie hilft, greift sie zur Tiertherapie mit der Handpuppe Frau Dr. Snake, die allerdings im Internet eine schlechte Bewertung erhalten hat wegen der Sache mit dem Apfel. Das unsichtbare Bauchreden funktionierte noch nicht, aber die variable Stimmarbeit war gut.
Der zweite Teil des Auftritts hatte wenig Neues zu bieten: Persifliert wurden schrullige Lehrer, die nach landläufiger Meinung Schuld tragen an der Überforderung des deutschen Kindes. Der ausgebrannte ehemalige Geschichtslehrer Richard von Holzofen lebt jetzt im Wendland unter Schafen und gibt Möh-Workshops – in Form einer Handpuppe. das Ende des Auftritts bildete ein Medley über ein Mädchen, das aus dem Haus zieht: „Jetzt ist die Bude leer“.
Als zweiter Künstler kam der Kabarettist, Keynote Speaker, Moderator und Buchautor Sebastian Schnoy auf die Bühne. Der bekennende Bahn-Fan stellte aufgrund seines Wissens aus seinem abgebrochenen Geschichts-Studium fest, dass man aus Geschichte lernen kann, denn Napoleon, Hitler und die Bahn wurden vom Winter überrascht.
Schnoy schaute mit kritischem Blick auf Populisten, die Flüchtlinge als Problem verkaufen wollen, auf Lügen von Rechten und Linken, auf endlose FKK-Strände in Mecklenburg-Vorpommern, die den Wunsch nach Vollverschleierung aufkommen lassen, auch für Männer und auf die Promi-Insel Sylt, deren Sand von der Nordsee vorsätzlich weggespült wird.
Schnoy plädierte leidenschaftlich für das vereinigte Europa und die Aufnahme Russlands in die Nato, denn „die haben etwas, was wir brauchen: Hubschrauber, die fliegen!“
Nach dem intellektuell anspruchsvollen Vortrag Schnoys setzte der Ganzkörpertrommler und Rhythmusknacker Andi Steil, der bereits beim ersten Kabarett a la surprise in Waldbreitbach dabei war, einen skurrilen Kontrapunkt: Im „unauffälligen“ Frack mit Tarnfleckmuster passend zur Designer-Frisur, demonstrierte er Trommeln auf dem Mund und Flamenco-Klatschen. Ein leeres Sliwowitz-Fläschchen als Instrument, kombiniert mit sonorem Gesang, Vogelgezwitscher und eckigen Bewegungen ergaben einen irrwitzigen Auftritt.
Im zweiten Teil überraschte Andi Steil im eleganten schwarzen Frack mit Rasseln für Ladies and Gentlemen und einer afrikanischen Obstschale als Musikinstrument auf dem Kopf. In diesem Outfit animierte der Künstler sein Publikum zum freudigen Mitsingen bei „Coconut Woman“. Mit dem afrikanischen Volkslied „Hossa“ auf die Melodie von Dschingis Khan und einem chinesischen „Chon-son“ beschloss er seinen Auftritt.
Die drei unterschiedlichen Überraschungskünstler durften erst nach einer kurzen Zugabe die Bühne verlassen.
In der nächsten Theater-Saison wird wieder ein Kabarett a la surprise den Schlusspunkt setzen. Das Programm kann bereits im Internet eingesehen werden. htv
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