Ausstellung: Wohnkultur und Möbelkunst vom Feinsten
Eine ganz erlesene Ausstellung zu Wohnkultur und Möbelkunst zeigt aktuell das Roentgen-Museum in Neuwied: „Das Biedermeier in Neuwied und am Mittelrhein“. Sie wurde am Sonntag, den 18.08.2019 von Landrat Achim Hallerbach und Museumsleiter Bernd Willscheid in vollbesetzen Festsaal des Museums, das sich vor allem den weltbekannten Möbeln der Kunstschreiner des Abraham und David Roentgen widmet, eröffnet.
Neuwied. Landrat Hallerbach hob die Exklusivität der Ausstellung hervor, die es aufgrund des Sammlungsbestandes soeben nur hier zu sehen gibt, das kreative Engagement des Museumsleiters Bernd Willscheid und seinem Team und dankte den zahlreichen Leihgebern. Den musikalischen Rahmen bot Iwo Iwanov an der klassischen Gitarre.
Musuemsleiter Bernd Willscheid führte in die Ausstellung, welche auf zwei Stockwerken zu sehen war, ein: „Das Biedermeier“ wie muss man sich das heute vorstellen? Die Zeit zwischen 1815 und 1848, also dem Untergang des napoleonischen Imperiums bis zur Revolution von 1848 wird kunst - und kulturgeschichtlich „Biedermeier“ genannt. Eine Zeit, in der die Industriealisierung mit großen Umwälzungen bereits im Gange waren. Sie fand vor allem in der bildenden Kunst Ausdruck in schönen Landschaften, Alltagsszenen in Häusern mit gemütlichen Zimmern, eingerichtet mit Möbeln in klaren schlichten Formen. Portraits zeigten Herren mit Rock und Zylinder, Damen in Kattunkleidern. Sogleich fällt einem vielleicht der Name, Carl Spitzwegs ein, der bekannte Münchner Maler, der den biedermeierlichen Spießbürgertyp gerne karikierte. So ging der Name „Biedermeier“ auch auf eine erfundene Figur namens „Gottfried Biedermeier“ des Juristen und Schriftstellers Ludwig Eichroth(1827-1892) zurück. Dieser und der Dichter Adolf Kussmaul veröffentlichten in den Münchner „Fliegenden Blättern“ Gedichte, in denen der treuherzige Spießertypus die Biederkeit, den Kleingeist und die unpolitische Haltung großer Teil des damaligen Bürgertums der Zeit karikierten. Erst im Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Bezeichnung zur neutralen Epochenbezeichnung.In der Ausstellung tauchen wir anhand von Gemälden, meist romantischen Landschaften und Portraits von glasklarer Realistik und natürlich durch die exquisit gearbeiteten Möbelstücke der Neuwieder Schreiner und Kunsttischler in diese Welt ein. Bernd Willscheid entwarf in seiner Einführung ein lebendiges Bild Neuwieds zu Beginn den 19. Jahrhunderts. Dass 1828 in Neuwied 5.379 Einwohner lebten, die Stadt von Industrie, Gewerbe, Manufakturen, aber geringem Ackerbau geprägt war. Die Neuwieder seien laut einer Chronik: „von einem guten Charakter, dienstfertig, betriebsam, sparsam, fleißig, wohltätig“ u.s.w. Es gäbe eine allgemein „vorherrschende Anhänglichkeit an das Fürstenhauszu Wied“. Wen wundert es? Gewährte der Fürsten zu Wied seinen Untertanen freie Ausübung der jeweiligen Religion. So konnten hier Anhänger unterschiedlichster Religionsgemeinschaften Fuß fassen: überwiegend Christen, wie Lutheraner, Reformierte, Herrenhuter und Mennoniten, weiter Katholiken und Juden. Die berühmten Kunstschreiner Abraham und David Roentgen und seine Familie gehörten der Herrenhuter Brüdergemeinde an. Durch sie entwickelte sich Neuwied in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einem Magneten der
europäischen Möbelkunst. Zum Beispiel gab es in Neuwied 1846 im Verhältnis zurEinwohnerzahl eine große Anzahl an Meistern, Gehilfen und Lehrlingen als in demweitaus größeren München.Dadurch kann die Ausstellung tatsächlich auf eine einzigartige Anzahl qualitätvoller Möbelstücke aus dem Bestand des Museums zurückgreifen. Herzstücke ist zweifelsohne ein raffiniert gearbeiteter Sekretär oder Schreibschrank, eines der beliebtesten Möbelstücke der Zeit, hier vom NeuwiederSchreiner Gerhard Wenz und eine Sitzgruppe aus dem Salon Haus Heddesdorf in Neuwied mit aufwändigem runden Tisch entstanden in der Schreinerei des evangelischen Brüderhauses. Hingucker sind aber auch eine feingedrechselte Wiege aus einem Neuwieder Familienbesitz, Näh- und Spieltischchen. Erlesene Portraits, die dem Stil der Nazarener, einer Künstlergruppe aus dem 19. Jahrhundert, und romantisierende Landschaften die die Gegend um Neuwied zeigen, wie die Abtei Rommersdorf oder die Sommerresidenz Monrepos zuzurechnen sind. Gerne verwendeten Kunsttischler und Schreiner damals heimische Hölzer wie Nuss-, Kirsch- und Birnbaum, auf schöne Maserung des Holzes wurde geachtet, deren Ergebnisse wir heute nur bestaunen können.Die Ausstellung entführt uns zweifelsohne in eine vergangene Welt. Staunend steht die Betrachterin vor so viel Anmut, die sich in Alltagsgegenständen, wie einem Stuhl oder Bett, vor so viel Hingabe an Material, z.B. in einem Nähtisch ausheimischem Kirschbaumholz, die sich hier verwirklicht hat.Kunst und Künstler hielten sich überwiegend an die Vorstellung einer heilen Welt. Wie heil sie tatsächlich war nach einer oberflächlich gescheiterten französischen Revolution und der Wiederherstellung teils alter Verhältnisse ist fraglich, und hat ja auch Künstler wie Heinrich Heine aus Deutschland fliehen lassen. Die Sehnsucht nach Schönheit und einer Welt, die „heil“ zu sein scheint, hat sich aberbis heute gehalten. (SZ)
Die Ausstellung ist noch bis zum 10.11.2019 im Roentgen-Museum Neuwied, Raiffeisenplatz 1a zusehen. Am 08.09.2019 gibt es anlässlich des Tages des offenen Denkmales eine öffentliche Führung durch die Ausstellung.Öffnungszeiten: Di-Fr 11-17 Uhr und Sa+So und Feiertage 14-17 Uhr, Mo geschlossen. Alle Ausstellungsräume sind barrierefrei erreichbar. Zur Ausstellung gibt es eine ganze Reihe Begleitveranstaltungen, wofür man sich auf der Internetseite des Museums: www.kreis-neuwied.de informieren kann.
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