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Nachricht vom 04.09.2019    

Eine musikalische Liebeserklärung in der Sayner Hütte

Heute schicken sich Jugendliche via Instagram Fotos, Musikclips und Anerkennungen sog. likes. Vor etwas mehr als 100 Jahren sendete der Komponist Gustav Mahler frisch verliebt seiner Alma lediglich ein Manuskript des Notensatzes des Adagiettos aus seiner 5. Symphonie, die er gerade komponierte, und weiter kein Wort. Sie schrieb ihm „Er solle kommen!!!“ Zu hören war Gustav Mahlers 5. Symphonie jetzt in Bendorf, gespielt von der Jungen Südwestdeutschen Philharmonie.

Manuel Narwi, Dirigent und die Junge Südwestdeutsche Philharmonie (Fotos: SZ)

Bendorf. Der empfindsame Mahler konnte nicht ahnen, dass ihm damals eines der innigsten Musikstücke an der Schwelle das 20. Jahrhunderts gelungen war. So eindrücklich, so seelenvoll, dass Harfenist Florian Wilhelm(22), gefragt nach seiner Motivation vorrangig klassische Musik zu spielen, sagt: „Es ist einfach so schön, so tiefgründige Musik spielen zu dürfen“. Wilhelm gehört der Jungen Südwestdeutschen Philharmonie (JSWP) an, die am vergangen Samstagabend in Bendorf in der Sayner Hütte die 5. Symphonie in cis-Moll von Gustav Mahler, das „Das Ende einer Odysee“ und das Konzert Nr. 2 für Klavier und Orchester von Werner Heinrich Schmitt spielte. Das Dirigat hatte Manuel Nawri, am Klavier saß Werner Heinrich Schmitt.

Ein so opulentes Stück wie die 5. Symphonie mit großer Orchesterbesetzung, technisch anspruchsvoll mit oft wechselnden Tonarten hätte man nicht unbedingt von einem so jungen Orchester erwartet. Die jungen Musikerinnen und Musiker, im Schnitt Mitte 20, boten ein facettenreichen, präzisen Klangkörper und verstanden es dem ausgewiesenen Thema „Von Liebe und Apotheose“ größte Hingabe zu verleihen. Im nächsten Jahr können sie ihr 5-jähriges Bestehen feiern und schon jetzt ist zu spüren, dass sie mit Feuereifer zusammen auf der Bühne spielen. Dieses Stück hätte man so schon ohne weiteres auch in einem der großen Konzerthäuser in den Großstätten hören können.Schon von weitem sind die Musikerinnen und Musiker des JSWP auf dem Gelände der Sayner Hütter in der Krupp’schen Halle beim Proben zu hören und zu beobachten. Das eigentliche Konzert findet dann in der Gießhalle der Sayner Hütte statt, das die Betrachterin bereits beim Eintreten als ästhetisches „Historisches Wahrzeichen der Ingenieursbaukunst Deutschlands“, wie es im Werbeprospekt heißt, einnimmt.

Los geht es mit der deutschen Erstaufführung von „Das Ende einer Odysee“ von Werner Heinrich Schmitt, Komponist, der sich vor allem als Pianist - und als solcher saß er auch am Klavier- einen Namen gemacht hat. Er spielte bereits mit Orchestern wie dem Polnischen Kammerphilharmonie, dem Kurpfälzischen Kammerorchester und dem Vietnam National Symphony Orchestra. Als Dozent der Musikhochschule Mannheim und Juror bei nationalen Wettbewerben wie „Jugend Musiziert“ hat er eine große Nähe zu jungen Musikern. Auch in seinem Stück geht es um eine Liebeserklärung an seine Frau. Er versteht es weite melodiöse Bögen zu spannen, die an große Filmmusik erinnern, vielleicht manchmal etwas sehr selbstverliebt. Das nächste Stück ist eine Uraufführung: Konzert Nr. 2 für Klavier und Orchester von Schmitt und in zwei Sätze Allegro – e molto appassio und Andante gegliedert. Hier sind Klavier und Orchester absolut gleichberechtigt. Klavier und Orchester führen einen leidenschaftlichen Dialog, steigern sich zum Fortissimo, um dann wieder in lyrische, gesangliche Passagen zu wechseln, die der Pianist als Solo vorbringt. Mit seinem Werk verrät uns Schmitt unverkennbar, dass er Mahler verehrt.



Mahlers Musik, besonders die 5. Symphonie, die die Zeitgenossen als skandalös empfanden, kommt uns heute wie eine Art Offenbarung zu Ohren. Auch die Musiker und Musikerinnen des JSWP lieben diese Musik. In 5 Sätzen arbeitet sich Gustav Mahler ab an seiner Auseinandersetzung mit sich und der Welt. Häufige Tonartwechsel, Abbrüche, Neueinsätze, Tempiwechsel, Modulieren des Themas in verschiedenen Instrumenten, Anschwellen der Musik, Verstummen. Die Auseinandersetzung mit Bachs Musik. All das „wirft“ uns Mahler um die Ohren. Dirigent Prof. Manuel Narwi wirkt souverän und leidenschaftlich und bringt seine Erfahrung als Operndirigent an der deutschen Oper Berlin, am Theater in Essen und dem Schauspielhaus Frankfurt sowie weltweiten freien Produktionen ein. Als Professor an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin und -seit 2018- an der Hochschule für Musik Saar in Saarbrücken hat er ebenso wie Schmitt die Nähe zu Studenten und jungen Musikerinnen und Musikern.

Aber zurück zu Mahler: Und dann das nicht zum Aushalten schöne Adagietto, das die Junge Südwestdeutsche Philharmonie so unverschämt gut in den Raum „fließen lässt“. Einen Raum, der doch Symbol für harte, schmutzige Arbeit ist, aber durch seine hervorragende Baukunst gleichfalls so viel Schönheit ausstrahlt. Mit-Veranstalter Rolf Ehlers, Akademieleiter der Landesakademie und Frau Steffi Zurmühlen, erste Geschäftsführerin der Stiftung Sayner Hütte und Veranstalterin, hatten den richtigen Riecher: Veranstaltungsort und Konzert passen wunderbar zusammen. Rolf Ehlers war Gastgeber für das Orchester, wobei die Logistik eine Herausforderung darstellte und ohne die Unterstützung des Pfarrers der Kirchengemeinde in Block, der seinen Kirchenraum für die Proben zur Verfügung stellte, nicht zu machen gewesen wäre. Ein Orchester wie die Junge Südwestdeutsche Philharmonie, die auf einem derart hohen Niveau musiziert, braucht Förderer und Unterstützer, um uns, den Zuhörerinnen und Zuhöreren, weiterhin so musikalische Liebeserklärungen machen zu können.(SZ)


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