Ohne Ehrenamtliche ist Tierschutz undenkbar
Dass der Tierschutz chronisch überarbeitet und unterfinanziert ist, hört man seit Jahren. Zuletzt geriet das Neuwieder Tierheim in die Schlagzeilen, zeitweise drohte wegen Geldmangel sogar die Schließung. Doch wie sieht es in anderen Vereinen aus? Gar nicht so anders, meint Ingrid Haberscheidt, die zweite Vorsitzende und Pflegestellenleiterin der Katzenhilfe Neuwied.
Neuwied. Gefüllte Kassen? „So etwas gibt es im Tierschutz nicht“, meint Ingrid Haberscheidt. „Wir sind zurzeit nicht in einer akuten Notlage, aber in unserem Geschäft weiß jeder, dass sich das sehr schnell ändern kann. Denn die Ausgaben sind enorm hoch, die Einnahmen eher unwägbar.“ Das hänge maßgeblich mit der schwierigen Finanzierung der Arbeit zusammen, die weitgehend aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen erwirtschaftet werden müsse. „
Einen Teil unserer Einnahmen haben wir dem Engagement unserer Ehrenamtlichen zu verdanken, die zum Beispiel auf Flohmärkte gehen, Haussammlungen organisieren oder Infostände betreuen. Auch unser Kalender hat sich zu einer wichtigen Einnahmequelle entwickelt. Hin und wieder werden wir in Testamenten bedacht. Am Ende ist es ein bunter Strauß an Aktivitäten, der unseren Verein am Leben erhält. Öffentliche Zuschüsse bekommen wir allerdings so gut wie keine.“
Eine enorme Herausforderung, schließlich betreibt der Verein ein „Tierheim für Katzen“ mit mehreren Pflegestellen. Die Räume in der Rheinstraße sind die größte dieser Einrichtungen. „Daneben haben wir noch einige Pflegestellen bei privaten Katzenfreunden, in denen immer Tiere untergebracht sind. Andere stellen dann Plätze zur Verfügung, wenn wir Hochbetrieb haben oder zum Beispiel sehr junge, sehr alte, sehr ängstliche oder sehr kranke Tiere untergebracht werden müssen. Doch egal ob groß oder klein: Überall müssen Tiere versorgt werden – und zwar jeden Tag, auch sonntags und an Feiertagen.“
Hinzu kommen noch viele andere Aufgaben: Schichtpläne und Buchführung, neue Helfer müssen angeleitet, Mietverträge geschlossen und Renovierungen organisiert werden. „Katzenbesitzer fragen um Rat, manchmal rücken wir auch nachts aus. Und natürlich müssen wir neue Besitzer für unsere Katzen finden. Das alles erledigen wir ganz überwiegend ehrenamtlich – neben Beruf und Familie.“
Zum Glück gebe es viele Menschen, die bereit seien, einen Teil ihrer Freizeit für die gestrandeten Minitiger zu opfern. „Aber es sind trotzdem nie genug! Kaum einer ist rund um die Uhr verfügbar, deshalb müssen sich die Aufgaben auf möglichst viele Schultern verteilen. Das klappt meist irgendwie, aber oft kommen unsere Aktiven auch an ihre Grenzen. Das ist das grundsätzliche Dilemma im Ehrenamt: Man muss aufpassen, dass man die Willigen nicht überfordert, sonst sind sie am Ende ganz weg. Wir sind daher immer auf der Suche nach weiteren Helfern. Ehrenamtliche sind das Rückgrat jedes Tierschutzvereins.“
Zurzeit hält vor allem der vierbeinige Nachwuchs die Tierschützer in Atem. „Bislang haben wir bereits an die 100 Katzenbabys aufgenommen, deutlich mehr als üblich. Leider haben wir in diesem Jahr auch überdurchschnittlich viele Verluste zu beklagen. Um das Leben unserer kleinen Schützlinge zu kämpfen und sie am Ende doch zu verlieren ist sehr aufwändig und eine große Belastung für unsere Helferinnen und Helfer. Außerdem kosten die zusätzlichen Tierarztbesuche den Verein natürlich auch Geld. Wir würden uns deshalb wünschen, dass es in unserer Region eine flächendeckende Kastrationspflicht gäbe. Leider konnten sich dazu bislang nur einige Kommunen durchringen. Wir hoffen aber, dass die anderen früher oder später nachziehen.“
Aber wie schafft man es überhaupt, für so viele große und kleine Katzen ein Zuhause zu finden? „Bei den Babys ist das meist relativ leicht“, erklärt Ingrid Haberscheidt. „Leider geht die Begeisterung für den putzigen Nachwuchs zu Lasten der etwas älteren Tiere. Sie haben im Sommer nur geringe Chancen, vermittelt zu werden. Doch das ändert sich zum Herbst hin hoffentlich wieder. Allerdings haben wir auch immer wieder Tiere, die tatsächlich niemand haben will – meist, weil sie alt oder krank sind. Für sie suchen wir Dauerpflegestellen, wo sie bis zum Schluss leben können. Die Kosten für Tierarzt und manchmal auch fürs Futter übernehmen wir.“
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