Buchtipp: „Römische Naschkatzen“ von Marcus Junkelmann
Von Helmi Tischler-Venter
Römische Gerichte haben vor allem auf Festen entlang der Limesregion Konjunktur. Wer die Römerfeste etwa in Hillscheid und Rheinbrohl besucht, kann sich an frischem Fladenbrot mit „Moretum“ und Oliven oder dem Bohnentopf sowie gewürztem Wein laben. Nach antiken Rezepten zu kochen, hat einen Hauch von Abenteuer an sich, es liegt sowohl auf der Linie des Interesses für fremdes und exotisches Essen, als auch dem aktuellen Trend zum Nachvollziehen des Alltags früherer Zeiten.
Dierdorf/Oppenheim. Der Schwerpunkt des vorliegenden Bändchens mit dem vollen Titel „Römische Naschkatzen. Praktische Anleitung für die altrömische Küche“ liegt auf der praktischen Realisierung der ausgewählten 60 Rezepte, die ein möglichst repräsentatives Bild der römischen Küche vermitteln sollen, soweit das die schriftliche und archäologische Überlieferung zulässt.
Es gibt reichliche Quellen für römische Rezepte aus der Zeit vor Christi Geburt, von dem älteren Cato über Plautus, Terentius Varro und Columella bis zum älteren Plinius. Die weitaus größte Rezept-Fülle findet man im Kochbuch „De re coquinaria“ von Marcus Cavius Apicius. Dieser war ein bekannter Feinschmecker, der im 1. Jahrhundert nach Christus lebte und sich vergiftet haben soll, als er feststellte, dass ihm für eine menschenwürdige Ernährung nicht mehr genug Vermögen geblieben war. Obwohl bei Apicius Flamingobraten in Dattelsauce und gefüllte Haselmäuse vorkommen, sind die Rezepte mehrheitlich gutbürgerlich mit dem häufigen Einsatz von fermentierten Fischsaucen (garum, liquamen) und einigen exotischen Gewürzen.
Meistens fehlen in den römischen Kochbüchern die Mengenangaben, ähnlich Großmutters küchenerfahrener „Hand-Habung“ oder dem kreativen Variieren moderner Köche. Empfehlenswert ist schrittweises Abschmecken, daher sind die Mengenangaben nur als Leitwerte zu sehen. Die ungewohnten Ingredienzien sind im Fachgeschäft oder Internet erhältlich oder können selbst hergestellt werden. Zum Beispiel die häufig verwendete salzige Fischsauce „garum“ oder „liquamen“ war in römischer Zeit ein Fertigprodukt, es kann durch in Cetara erzeugte „clatura di alici“ oder in Salz eingelegte Sardellen ersetzt werden. Die oft empfohlenen ostasiatischen Fischsaucen lassen die Intensität des original „liquamen“ vermissen.
Standardzutaten für römische Gerichte sind grobes Meersalz, dazu „silphium“ oder „laser“, das durch in asiatischen Geschäften erhältliches „Asant“ ersetzbar ist, außerdem sirupartig eingekochter Traubenmost, dem heutigen Dessertwein „Vinsanto“ vergleichbar. Oft wurden zur Süßung getrocknete Früchte, vor allem Datteln und Pflaumen sowie Pinienkerne zugesetzt. Schwarzer Pfeffer war ein häufiges Würzmittel, da Pfefferschoten und Paprika aus Amerika noch völlig unbekannt waren.
Feldfrüchte waren „faba“, das sind Dicke Bohnen oder Saubohnen, Knoblauch, Zwiebeln und Lauch. Würzmittel wie Koriander und Kreuzkümmel, Wiesenkümmel, Dill, Raute, Bohnenkraut, Thymian, Sellerie, Minze, Petersilie, Lorbeer, Origano und Fenchel leben teilweise in der aktuellen italienischen Küche weiter. Das römische „ligustum“ könnte Liebstöckel oder Maggikraut entsprechen. Olivenöl kam in vielen Sorten und Qualitätsstufen vor, in der Volksküche wurden auch viel Schweineschmalz und Speck verwendet.
Die Römer kochten auf Holzfeuer, vor allem aber auf der Glut der Holzkohle, die Herde bestanden aus Ziegelstein-Flächen. Die tönernen oder metallenen Kochtöpfe und Pfannen hingen an Haken oder standen auf Dreibeinen und Rosten. Der Mörser (mortarium) ist die römische Küchenmaschine, daneben gab es diverse Messer und tönerne Reibschalen.
Neben gutem Wasser galt nur Wein als menschenwürdiges Getränk. Weine wurden oft mit Zutaten verändert oder mit Wasser gemischt. Sie bildeten auch einen Standardbestandteil der Saucen, ebenso der Weinessig. Salate pflegte man, wie auch heute noch in Italien, mit Essig, Öl und Salz zu würzen. Milch wurde nicht getrunken sondern zu einer Fülle von Käsesorten verarbeitet.
Die Hauptmahlzeit (cena) fand am Abend statt und konnte sich beträchtlich in die Länge ziehen. Sie zerfiel gewöhnlich in drei Hauptgänge: mensa prima, secunda, tertia. Man begann mit Eiern, Appetithappen und Salaten, ging dann über Fleisch, Fisch und Gemüse zu Süßigkeiten, Käse und Obst als Nachtisch vor. Zum Aufnehmen der Saucen diente das stets vorhandene Brot. Frühstück (prandium) und Mittagessen (cibus meridianus) waren mehr ein Imbiss.
Die Rezepte beginnen mit solchen aus der frührömischen Kultur, das waren Breie und Backwaren, Käse und Oliven sowie einige Süßigkeiten. Der Gerstenbrei „polenta“ und das Militärbrot „panis militaris“ kommen vertraut vor, das Mostbrot „mustaceus“ eher exotisch. Raffinierte Gerichte wie Mohnknödel (globi) oder die geschichtete Käsetorte (placenta) reizen zum Nachkochen. Natürlich fehlen nicht saurer Brotbrei (sala cattabia) und zwei Rezepte für „moretum“, einer Paste aus Käse, Knoblauch und Kräutern. Mehrere Rezepte mit Oliven, Bohnen und Hülsenfrüchten werden von Gemüse oder Salat von Roten Rüben, gekochten Blumenzwiebeln mit Rauke, Pilzpfanne und Spargelauflauf gefolgt. Eiergerichte und raffinierte Rezepte mit Meeresfrüchten zeigen die kulinarische Vielfalt der Römer. Bei „Spanferkel mit Thymian“ (porcellum timo sparsum), Schweinebraten nach Art von Ostia (ofellas ostiensis) und mit Lorbeer und Milch zubereitetes Zicklein (haedus laureatus ex lacte) beispielsweise läuft das Wasser im Mund zusammen. Bene vobis!
Das Buch ist bei Nünnerich-Asmus Verlag & Media erschienen, ISBN 978-3-96176-089-3. htv
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