Spazieren oder Waldbaden oder... ist das vielleicht dasselbe?
Waldbaden ist in aller Munde und tatsächlich: Wer im Wald badet, tut sich selbst, Körper, Geist und Seele etwas Gutes. Aber was macht den Spaziergang im Wald eigentlich zum Waldbaden? Was lässt uns den Wald mit all unseren Sinnen einmal neu entdecken und sorgt für Ruhe und Entspannung?
Region. „Shinrin Yoku" bedeutet japanisch „Baden in Waldluft", oder wörtlich übersetzt Shin = Großer Wald, rin – kleiner Wald und Yoku = Baden. Schon in frühen Zeiten erkannten die Menschen, wie wichtig es für die Gesundheit ist, einen Ort der Ruhe zu suchen oder gar zu schaffen. So wurden in großen Städten Parks und Gärten mit Bäumen angelegt, um genau dieses Gefühl der Ruhe zu vermitteln. Aus dem 16. Jahrhundert stammt das Zitat eines Paracelsus-Arztes: „Die eigentlich Heilenden sind die Naturkräfte“. Seit dem Jahr 1982 wird nun in Japan die Heilkraft des Waldes studiert, die mittlerweile wissenschaftlich belegt ist und das japanische Ministerium für Landwirtschaft, Forsten und Fischerei prägte den Begriff Shinrin Yoku. Es gibt eine Vielzahl von Studien über die körperliche und mentale Gesundheit im Hinblick auf das Waldbaden und die Forschungen dauern immer noch an und prägen auch die Begriffe Öko-, Wald- und Naturtherapie.
Wo ist der Unterschied zum Waldspaziergang?
Genau genommen ist schon ein einfacher kleiner Spaziergang im Wald so etwas wie Waldbaden. Auch hier sind wir an der Luft und stärken unser Immunsystem und finden Entspannung. Der Unterschied liegt allerdings darin, dass beim Waldbaden alles etwas gemächlicher und bewusster abläuft.
Was Anusati Thumm, Mitautorin des Buches „Waldmedizin“, geholfen hat und es ihr einmal bewusster machte, ist die Formel: Nur einen Kilometer im Wald in einer Stunde verweilen beziehungsweise sich fortbewegen. Und genau der Begriff „Verweilen“ ist hier sicher der richtige Ansatzpunkt: Ohne Hektik, ohne Zeitdruck, ohne den Anspruch das Fitnessprogramm durchzuziehen oder innerhalb einer gewissen Zeit eine Mindestkilometerzahl zurücklegen zu müssen, ist gemeint. Abschalten und entschleunigen, Zeit für innere Einkehr und Erholung, weniger tun und mehr wahrnehmen ist die Devise.
Dabei werden Stresshormone abgebaut, die Nerven beruhigen sich, ebenso sinkt der Blutdruck und die Stimmung hellt sich auf. Dies alles geschieht beim Waldbaden, wenn wir uns die Zeit nehmen mit allen Sinnen wahrzunehmen: dem Vogelgezwitscher und dem Blätterrauschen lauschen, die milden Farben sehen, die Augen schließen und tief durch atmen, uns ins Moos setzten und den Wind oder das laue Lüftchen genießen. Automatisch schaffen wir damit Distanz zum Alltag. Und auch für Kinder ist es ein schönes Erlebnis den Vögeln zu lauschen, vielleicht einem Eichhörnchen nachzuschauen oder Tannenzapfen in die Hand zu nehmen und zu untersuchen, zumal sie auch noch wunderbar nach Wald duften.
Terpene = Duftstoffe von den Bäumen produziert
Jeder Atemzug, den wir so beim Verweilen im Wald tun, wirkt sich positiv auf Körper, Geist und Seele aus und dies liegt insbesondere daran, dass die Waldluft reich an sogenannten Terpenen und Terpenenverbindungen ist. Terpene sind Duftstoffe, die beim Atmen mit aufgenommen werden und als besonders heilkräftig, entzündungshemmend, entspannend, stärkend und auch antiviral gelten. Produziert werden diese Duftstoffe von den Bäumen (überwiegend Nadelhölzer) und sie sind in Nadeln, Ästen und im Holz eingelagert, um dann als ätherische Öle abgegeben zu werden. Dies machen die Bäume, um sich vor schädlichen Einflüssen wie Hitze, zu viel Sonne oder Insektenbefall zu schützen. Wir nehmen das dann als einen würzig-harzigen Duft, halt den typischen Waldduft, wahr. Es riecht nach Fichtennadeln, Kiefern, Lärche, Tanne und vielem mehr.
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Entsprechend wirkt ein Waldbesuch, beziehungsweise das Bad im Wald, wie eine aromatherapeutische Behandlung und deshalb tut der Wald unumstritten und wissenschaftlich bewiesen so gut.
Geht Waldbaden ganz ohne Wald?
Nicht immer hat man die Möglichkeit für einen kleinen Verweilspaziergang im Wald, oder er ist nicht in der Nähe. Sicher ist es nicht so, als wenn man wirklich im Wald ist, aber es gibt Möglichkeiten den Wald mit seinen gesundheitsfördernden Effekten ein Stück weit nach Hause zu holen: Das kann man mittels ätherischer Öle, die es im gut sortierten Fachhandel gibt und unbedingt 100 Prozent naturrein sein sollten. Die ätherischen Öle und Düfte, wie Fichtennadel, Kiefer oder Lärche unter anderem können dann mit Duftlampen oder Verneblern in den eigenen vier Wänden ihre Wirkung entfalten und bringen die wohltuende Entspannung nach Hause.
Unterstützend wirkt auch die Betrachtung von Waldbildern und AudioGuides oder das Lauschen von Naturklängen aus den Lautsprecherboxen und bewusstes Atmen.
Die gesundheitliche Wirkung dieser Form des Waldbadens wurde auch schon längst erkannt und so gibt es zum Beispiel an der Charité in Berlin bereits Räumlichkeiten, in denen sich die Patienten genau in diesem Ambiente erholen können, berichtet Anusati Thumm (Autorin Waldmedizin).
Oster-Waldbaden
Vielleicht ist es eine gute Idee, sich in den kommenden Tagen einmal im Wald ganz viel Zeit zum Nichtstun und Verweilen zu lassen. Die letzten Wochen und Tage in der Corona-Krise waren und sind für alle auch mental sehr anstrengend. Viele machen sich Gedanken, wie es weitergeht. Einkaufen geht auch nicht mehr stressfrei. Genug Faktoren, die es nötig machen, den Alltag einmal hinter uns zu lassen, um ein wenig abzuschalten und zu entspannen. Auch die Kinder erleben diese Zeit als anstrengend und unschön, Freunde können nicht gesehen werden. Vielleicht ist das Waldbaden für alle in diesen Ostertagen 2020 eine gute Idee, mittels seiner wundervollen Wirkung auf Körper, Geist und Seele ein wenig zu Ruhe zu kommen und das auch weiter über diese Tage hinaus. (KathaBe)
Quelle und Literaturtipp: Thumm, Anusati; Kettenring, Maria M.: Waldmedizin: Die Heilkraft der ätherischen Baumöle. Joy Verlag GmbH, 2018.