Klara trotzt Corona, XIX. Folge
GASTBEITRAG | Solange die Kontaktsperre wegen der Corona-Pandemie erforderlich ist, erfreuen Christiane Fuckert und Christoph Kloft, die Autoren der Limburger Pfarrhausermittler, die Leserschaft mit Episoden aus Alltag von Klara Schrupp und Pfarrer van Kerkhof, die unverdrossen ihren ungewöhnlichen Alltag meistern.
Kölbingen. Klara trotzt Corona, 19. Folge vom 22. April
„Das war vielleicht eine komische Beerdigung heute, Herr Pfarrer“, sagte Klara, während sie im Pfarrbüro mit dem Staubtuch zugange war. „Wir haben Corona, meine Liebe“, antwortete van Kerkhof, der gerade seine Post durchsah. „Da geht es nicht anders.“
Klara hatte aber nicht vor, ihm dabei seine Ruhe zu lassen. „Mensch, das war ja ein netter Mann, unser alter Küster. Und jetzt wird er nach 94 Jahren auf dieser schönen Welt in so einer kleinen Runde unter die Erde gebracht!“
„Seien Sie froh, dass Sie dabei sein konnten. Es ist ja immer nur eine gewisse Anzahl von Menschen erlaubt!“ „Ich weiß. Aber da war es doch eigentlich klar, dass ich dazugehörte. Schließlich kannte ich den Mann seit vierzig Jahren und noch länger. Damals war von Ihnen noch keine Rede!“
„Sehen Sie, wie schön, dass Sie zu denen gehört haben, die ihm die letzte Ehre beweisen konnten.“, sagte der Pfarrer, der sichtlich bemüht war, sich auf seine Briefe zu konzentrieren. „'Erweisen', heißt das, Sie alter Holländer.“ „Dann heißt es eben 'erweisen'.“
Doch noch ließ Klara nicht locker. „Und Sie hätten sich ruhig etwas mehr Mühe geben können. Nicht mal kondoliert haben Sie den Angehörigen.“ „Ich habe ihnen schon beim Vorgespräch mein Beileid ausgesprochen.“ „Aber nicht am Grab!“ „Da habe ich bewusst Abstand gehalten, liebe Klara. Man will ja nicht als schlechtes Beispiel vorangehen. In ihrem Schmerz vergessen die Leute nämlich gerne, was zurzeit los ist, und halten die Abstandsregeln nicht ein.“
„Von der Friedhofskapelle ging es direkt zum Grab. Nichts davor und nichts dahinter“, moserte Klara weiter. „Anders ist es zur Zeit leider nicht möglich“, antwortete van Kerkhof, der so geschäftig wie möglich ein Kuvert öffnete.
Klara gab aber nicht auf: „Höchstens fünfzehn Leute waren dort, was für ein armer Haufen!“ „Wenn alle mit der richtigen Andacht dabei waren, dann geht das schon in Ordnung, meine Gute. Sie selbst beschweren sich zu normalen Zeiten jedes Mal über die Neugierigen, die nur sehen wollen, wie die anderen trauern, um dann über sie zu tratschen.“
„Genau, da rege ich mich immer drüber auf“, erwiderte Klara heftig nickend. Sie kam mit ihrem Staubtuch etwas näher heran und linste dem Pfarrer über die Schulter. „Sie müssen sich keine Mühe geben, meine Liebe. In dem Brief geht es um die Erstkommunion, die durch die momentanen Umstände ja leider verschoben werden musste. Der Bischof hat die Kinder angeschrieben und sie getröstet. Er hätte ja selbst Goldkommunion gehabt in diesem Jahr. Nun wollen die Eltern aber trotzdem wissen, wann genau die Feier nachgeholt wird.“
„Und?“ „Man kann noch nichts sagen. Wir müssen abwarten.“ „Interessiert mich auch nicht“, sagte Klara scheinheilig. „Als ob ich wissen wollte, was in Ihren Briefen steht.“ „Ich hatte für einen Moment den Eindruck, aber das nehme ich natürlich sofort zurück.“ Mit einem verschmitzten Lächeln griff van Kerkhof zum nächsten Umschlag.
„Das will ich auch meinen, Herr Pfarrer“, erwiderte Klara scharf, die sich mit ihrem Tuch nun am Wandschrank zu schaffen machte.
„Trotzdem nicht schön, so eine Beerdigung“, nahm sie nach einer Weile den Faden wieder auf. „Haben Sie gesehen: Die Tochter stand da, als ginge sie das alles gar nichts an. Dagegen liefen dem Sohn die Tränen nur so ...“ „Klara, ich denke, Sie mögen es nicht, wenn Leute nur zu Beerdigungen gehen, um zu sehen, wie andere trauern.“
Damit hatte der Pfarrer seine Haushälterin Klara nun doch in eine gewisse Verlegenheit gebracht. „Ach was, das war ja nicht zu übersehen“, fand sie nach kurzer Besinnung dann die richtige Antwort und setzte leicht beleidigt nach: „Als ob mich so etwas interessieren würde!“ Der Pfarrer beließ es dabei und widmete sich wieder seiner Post.
Nach einer kleinen Pause setzte Klara erneut an. „Gut, dass es keinen Beerdigungskaffee gab. Ich glaube, die Geschwister verstehen sich nicht. Unser Küster hat mir mal sein Leid geklagt.“ „Sagt eine, die es nicht mag, wenn die Leute tratschen“, erwiderte van Kerkhof nun spitz.
„Ach Sie, Sie haben ja keine Ahnung, Ich interessiere mich halt für meine Mitmenschen. Nicht wie Sie ...“ „Sie haben Recht, meine Liebe. Solche Geschichten interessieren mich wirklich nicht.“ „Das hat man an Ihrer Ansprache gemerkt. Die haben Ihnen die Geschwister bestimmt Wort für Wort diktiert“, wollte Klara ihrem Chef entlocken. „Sie war mit der Familie abgesprochen. Das stimmt schon.“ „Als ob da alles so harmonisch gewesen wäre, wie Sie das gesagt haben!“
„Eine Beerdigung ist kein Ort, um interne Angelegenheiten auszubreiten! Oder wollten Sie etwa, dass, wenn es bei Ihnen oder mir einmal so weit ist, alles gesagt würde, das vielleicht nicht so gut war?“
„Was wahr ist, muss schon wahr bleiben“, sagte Klara und ging zur Tür. „Jedenfalls müsste ich mir da keine Gedanken machen. Und Sie kämen da leider gar nicht so gut weg! Jeder würde sagen: Wie der seiner guten Haushälterin manchmal über den Mund gefahren ist, nein, das war bestimmt nicht in Ordnung!“ Der Pfarrer hatte keine Möglichkeit zum Widerspruch, denn Klara war nach den letzten Worten bereits im Flur verschwunden. (www.christoph-kloft.de)
Bisher erschienene Fortsetzungen:
Klara trotzt Corona, XVIII. Folge
Klara trotzt Corona, XVII. Folge
Klara trotzt Corona, XVI. Folge
Klara trotzt Corona, XV. Folge
Klara trotzt Corona, XIV. Folge
Klara trotzt Corona, XIII. Folge
Klara trotzt Corona, XII. Folge
Klara trotzt Corona, XI. Folge
Klara trotzt Corona, X. Folge
Klara trotzt Corona, IX. Teil
Klara trotzt Corona, VIII. Teil
Klara trotzt Corona, VII. Teil
Klara trotzt Corona, VI. Teil
Die Limburger Pfarrhausermittler: Klara trotzt Corona, V. Teil
Die Limburger Pfarrhausermittler - Klara trotzt Corona, IV. Teil
Klara trotzt Corona, dritter Teil
Klara trotzt Corona, zweiter Teil
Klara Schrupp und Pfarrer van Kerkhof trotzen der Corona-Krise
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Coronavirus
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