Werbung

Nachricht vom 28.04.2020    

Hassrede in sozialen Medien - Konto gesperrt

In der Pressemitteilung des Landgerichts Koblenz in Zivilsachen wird als Fall des Monats die Klage eines Nutzers von sozialen Medien dargestellt. Er hatte geklagt, weil sein Konto nach Veröffentlichung diverser Hassreden gesperrt wurde. Er war anderer Meinung und hat Klage eingereicht.

Symbolfoto

Zum Sachverhalt
Koblenz. Der Kläger ist Nutzer eines sozialen Netzwerks der Beklagten. Diese änderte im Jahr 2018 ihre Nutzungsbedingungen, denen der Kläger per Mausklick zustimmte, um den Dienst der Beklagten weiter nutzen zu können. Die Beklagte entfernte in der Folgezeit zunächst zwei politisch motivierte gegen Menschen mit Migrationshintergrund gerichtete Posts wegen Verstoßes gegen diese Nutzungsbedingungen, weil sie von ihr als Hassrede eingestuft wurden und sperrte das Konto für bestimmte Funktionen.

Nach weiteren ähnlich gelagerten Posts, die die Beklagte ebenfalls als Hassrede einstufte, entfernte sie die durch den Kläger betriebene Seite und sperrte das private Profil des Klägers zweimal vorläufig für 30 Tage. Der Kläger hält die Nutzungsbedingungen für unwirksam und die Löschung sowie Sperrung für rechtswidrig. Er klagt deshalb auf Freischaltung und Wiederherstellung der Seite.

Die Entscheidung: Das Landgericht hat die Klage abgewiesen
Im Einzelnen: Durch die Registrierung im sozialen Netzwerk hat der Kläger einen Vertrag mit der Beklagten unter Einschluss der Nutzungsbedingungen geschlossen. Es gelten auch die aktuellen (verschärften) Nutzungsbedingungen zur „Hassrede“, nachdem der Kläger durch Bestätigung per Mausklick diesen zugestimmt hat. Daran ändert nichts, dass dem Kläger keine andere Möglichkeit als die Bestätigung geblieben ist, wenn er sein Konto weiter nutzen wollte.

Ihm wäre nämlich die Nutzung eines anderen sozialen Netzwerks ebenso möglich gewesen wie der völlige Verzicht auf die Nutzung eines solchen Netzwerks, da die Pflege von Beziehungen mit Freunden auch offline möglich ist. Im Übrigen handelt es sich bei den Nutzungsbedingungen um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die nach Ansicht der Kammer auch nicht gegen das für AGB geltende Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB verstoßen. Das Gericht hat die Nutzungsbedingungen als in einfacher Sprache gefasst und leicht verständlich eingestuft, insbesondere werde auch detailliert erläutert, was die Beklagte unter „Hassrede“ versteht. Es werde weiterhin deutlich, dass nicht nur strafbare Äußerungen unter „Hassrede“ fallen.



Weiterhin sieht das Gericht in diesem Zusammenhang keine Notwendigkeit, in den Nutzungsbedingungen an jeden Verstoß eine konkrete Rechtsfolge zu knüpfen. Das Gericht akzeptiert hier einen Spielraum der Beklagten, da diese sich nach ihren Nutzungsbedingungen bei ihrer Entscheidung nicht nur an dem einzelnen Verstoß des Nutzers orientiert, sondern auch das vorherige Nutzungsverhalten des Nutzers bei der Entscheidung berücksichtigt.

Auch verstoßen die Nutzungsbedingungen nach dieser Entscheidung nicht gegen den Grundsatz der Meinungsfreiheit, da dieser das virtuelle Hausrecht der Beklagten gegenüber steht. Der Beklagten muss ein solches virtuelles Hausrecht zugestanden werden, da diese das Risiko meiden müsse, ihrerseits wegen Äußerungen der Nutzer im sozialen Netzwerk unter anderem durch die Behörden in Haftung genommen zu werden. Deshalb darf die Beklagte auch Äußerungen unterbinden, die in den Grenzbereich der Legalität fallen.

Auch ist zu berücksichtigen, dass Posts, die von einer Vielzahl anderer Nutzer als extrem, unnötig provozierend und einschüchternd empfunden werden können, die anderen Nutzer zur Beendigung der Nutzung des sozialen Netzwerks bewegen können. Dies wirke sich dann negativ auf den von der Beklagten beabsichtigten Meinungsaustausch und ihr Geschäftsmodell aus. Es könne daher der Beklagten nicht generell verboten werden, Löschungen und Sperrungen vorzunehmen, selbst wenn diese die Grenzen zulässiger Meinungsäußerung nicht überschreiten. Für Hassrede muss die Beklagte ihr Netzwerk auch unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit nicht zur Verfügung stellen.

Landgericht Koblenz – 9 O 239/18 – Urteil vom 21.04.2020 (nicht rechtskräftig – Berufungsfrist läuft)



Lesen Sie gerne und oft unsere Artikel? Dann helfen Sie uns und unterstützen Sie unsere journalistische Arbeit im Kreis Neuwied mit einer einmaligen Spende über PayPal oder einem monatlichen Unterstützer-Abo über unseren Partner Steady. Nur durch Ihre Mithilfe können wir weiterhin eine ausgiebige Berichterstattung garantieren. Vielen Dank! Mehr Infos.




Anmeldung zum NR-Kurier Newsletter


Mit unserem kostenlosen Newsletter erhalten Sie täglich einen Überblick über die aktuellen Nachrichten aus dem Kreis Neuwied.

» zur Anmeldung



Aktuelle Artikel aus der Region


Ehrenamtspreis für Manfred Stüber und Florian Paganetti

Breitscheid. In der Laudation, vorgetragen durch den Bürgermeister Hans-Werner Breithausen heißt es: „Durch das uneingeschränkte ...

Mehrere Fahrten unter Alkohol- und Drogeneinfluss im Bereich Neuwied

Neuwied. Die Polizeidirektion Neuwied/Rhein berichtet von mehreren Vorfällen, bei denen Fahrer unter dem Einfluss von Alkohol ...

Sachbeschädigung an geparktem Motorroller in Linz am Rhein

Linz am Rhein. In der Vogtgasse in Linz am Rhein kam es zu einem Fall von Sachbeschädigung. Zwischen Samstag (23. November), ...

Flammersfelds Geheimtipp: Der besondere Kunst- und Hobbymarkt der Lebenshilfe

Flammersfeld. Die Lebenshilfe im Kreis Altenkirchen hatte an diesem Wochenende (23. und 24. November) wieder in die Werkstatt ...

Krankenhausreform: Ländliche Kliniken im Stich gelassen?

Region. "Kaum ein Krankenhaus schreibt keine roten Zahlen und hat existenzielle Sorgen. Eine strukturierte Krankenhausplanung ...

Großer Andrang beim Herbstausklang im Alten Spritzenhaus Giershofen

Dierdorf-Giershofen. Das Alte Spritzenhaus, das nach einem Großbrand im Jahr 1897 erbaut wurde und als historisches Gebäude ...

Weitere Artikel


Flächenbrand, Unfallfluchten und Diebstahl

Flächenbrand in Niederhofen
Am 27. April um 17:11 Uhr meldete die Rettungsleitstelle einen Flächenbrand an der Grillhütte ...

Lecker und ökologisch sinnvoll: Obst und Gemüse aus regionalem Anbau

Neuwied. Im Saisonkalender ist ersichtlich, wann Obst und Gemüse aus unserer Region für den Markt, sprich den Kunden zur ...

Lefkowitz: Land spannt Schutzschirm für Vereine in Not

Neuwied. Sven Lefkowitz führt aus: „Die Corona-Pandemie hat in viele Vereinskassen tiefe Löcher gerissen. Auch viele Vereine ...

Digitale Bürgersprechstunde: Abstandsregelungen und Maskenpflicht richtig und wichtig

Betzdorf. Die Zuschauerinnen und Zuschauer hatten viele Fragen: Stimmt es zum Beispiel, dass man gegen das Coronavirus nicht ...

Grillspaß ohne Risiko – auf Kinder achten

Siegen/Region. Der Bund der Versicherten macht außerdem deutlich, dass Personen, die Spiritus zum Grillen nutzen oder die ...

Absage von Veranstaltungen – Rockfestival und Maiausschank

Rengsdorf. Die Veranstaltung „Rock the River“ mit Motorjesus, Rebel Monster und Black Tree Vultures wurde bereits auf den ...

Werbung