Nicole nörgelt… Nachbar der Verschwörungstheoretiker
Von Nicole
GLOSSE | Gut, ich gebe es ja zu. Was Gartenarbeit angeht, bin ich nicht besonders eifrig. Aber dass ein bisschen Unkrautbekämpfung mich gleich verdächtig macht, Teil eines internationalen Überwachungsapparates zu sein, habe ich auch nicht vermutet. Sonst hätte ich mich doch viel früher mal um diverse Kräutchen auf meinen Grünflächen gekümmert, um meinen Nachbarn zu ärgern.
Dierdorf. Der Nachbar gehört nämlich zu jenen Zeitgenossen, die nur zu gerne mit Verschwörungstheorien um sich werfen. Na, da ist er bei mir genau richtig.
„Glyphosat, hm?“, macht er, nachdem er mich schon eine ganze Weile dabei beobachtet hat, wie ich das Unkraut in der Rinne zwischen Bürgersteig und Straße mit einer Sprühflasche zu Leibe rücke. Natürlich steht er in gebührendem Sicherheitsabstand, die Fußspitzen auf der Grundstücksgrenze und die zusammengekniffenen Augen misstrauisch auf mich und mein Tun gerichtet. „Du weißt aber schon, dass du damit zur Betäubung der Massen beiträgst?“
„Wieso?“, mache ich und schaue mich vielsagend um, während ich mir gespielt empört eine Hand auf die Hüfte lege. „Welche Massen siehst du denn hier? Oder wolltest du mir damit sagen, dass ich in Quarantäne zu dick geworden bin?“
Er blinzelt irritiert. „Äh… nein, nein, natürlich nicht, es ist nur…“ Er deutet auf die Flasche in meiner Hand. „Das Zeug da vernichtet keine Pflanzen, sondern unseren freien Willen!“ Er nickt bedeutungsschwer. „Mit sowas hält uns die Regierung unter Kontrolle, damit wir ruhig sind und ihren Plänen nicht im Wege stehen!“
„Ihren Plänen, eine krautfreie Welt zu züchten?“, frage ich nach. „Ist mir recht, ich mag eh keinen Salat!“ Er wird unruhig und tritt von einem Fuß auf den anderen. „Das meine ich nicht!“, blafft er und stößt einen steif ausgestreckten Finger in den Himmel. „Chemtrails! Alles Beruhigungsmittel, um die Bevölkerung ins Delirium zu versetzen! Und dieser neue Funkmast da hinten im Wald? Überwachung! Die zeichnen alles auf!“
„Dann sprich deutlicher“, empfehle ich liebenswürdig. „Dein Genuschel versteht ja kein Mensch!“ Er schaut mich einen Moment lang verblüfft an, bis ich schon überlege, ob ich ihm ein Aluhütchen basteln und ihm eine Xavier-Naidoo-CD schenken soll. „Jedenfalls…“, bellt er schließlich und gestikuliert wild auf die unscheinbare Sprühflasche in meiner Hand, „bist du selber schuld, wenn du mir nicht glaubst und mit dem Zeug da weitermachst, die haben dich doch schon voll im Sack!“
Ich richte mich kerzengrade auf und lächele zuckersüß. „Oh. Du hast ja keine Ahnung, wie sehr“, sage ich mit einem Schnurren in der Stimme und schaue ihm todesstarr in die Augen, als ich die Flasche hebe, den Mund öffnen und mir einen kräftigen Sprühstoß direkt auf die Zunge gebe. Seine Augen weiten sich, seine Kinnlade klappt gen Boden. Und dann weicht er zurück, zuerst langsam, aber dann fluchtartig, bis er seine Haustür hinter sich zuknallen kann.
Ich grinse und schüttele mich kurz. Bäh. Also, wenn ich diese Mischung aus Leitungswasser, Salz und Essig in meiner Sprühflasche jemals als Salatsoße vermarkten will, muss ich schon noch ein bisschen an der Rezeptur arbeiten. Und vielleicht den Spritzer Spülmittel weglassen. Ob das Zeug zur Unkrautbekämpfung wirklich so gut taugt, wie meine gartenerfahrene Freundin mir berichtet hat, ist mir fast schon egal. Um die Gurkenköpfe in meiner Nachbarschaft zu entlarven, hat es jedenfalls schon Mal gereicht. Und dieser Blick war sowieso unbezahlbar…
In diesem Sinne - Bleiben Sie gesund!
Ihre Nicole
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