Chefarzt informiert zum Thema Stroke Unit
In der Diskussion um den Neubau der DRK-Kliniken wird öffentlich zunehmend die Frage gestellt, ob der geplante Ersatzneubau für die Krankenhäuser in Altenkirchen und Hachenburg mit einer Schlaganfalleinheit – eine so genannte „Stroke Unit“ – ausgestattet werden soll? Für Dr. med. Benjamin Bereznai, PhD, Chefarzt der Neurologie im Evang. Krankenhaus Dierdorf/Selters (KHDS) und somit auch verantwortlich für die Schlaganfalleinheit am Standort Selters ist es eine Selbstverständlichkeit sein Wissen auch in die öffentliche Diskussion einfließen zu lassen und die Bürgerinnen und Bürger der Region umfassend zu dem Thema Schlaganfalleinheit zu informieren.
Dierdorf/Selters. Herr Dr. Bereznai, was ist eine Schlaganfalleinheit?
Dr. Bereznai: Eine Schlaganfalleinheit wird, wenn sie nach Qualitätskriterien zertifiziert ist, auch Stroke Unit genannt. Diese ist eine hoch spezialisierte neurologische Überwachungsstation und Organisationszentrale für die umfassende Versorgung von Schlaganfall-Patienten. Menschen erhalten hier eine sehr gezielte und fächerübergreifende Behandlung durch ein Team verschiedenster Fachärzte unter Führung von Neurologen mit Neuro- und Gefäßchirurgen, Kardiologen sowie Radiologen (Röntgenfachärzte) und speziell ausgebildeter Pflegekräfte und Therapeuten. Sie arbeiten rund um die Uhr eng zusammen und erstellen ein individuelles Behandlungskonzept, um einen Patienten bestmöglich versorgen zu können. Durch die ständig gesicherte Expertise und die intensive Überwachung steigt die Chance, den Hirnschlag zu überleben und keine bleibenden Schäden davonzutragen um mindestens 25 Prozent. Zertifizierte neurologische Schlaganfalleinheiten gewährleisten bis in die letzten Details der Erkrankung die bestmögliche und schnellstmögliche Versorgung.
Die Qualität der Versorgung und die Vorgehensweise in der Behandlung sind dabei in allen zertifizierten Stroke Units, egal ob an der Uniklinik in Mainz oder im Evangelischen Krankenhaus Dierdorf/Selters, gleichgestellt. Unsere zertifizierte neurologische Schlaganfalleinheit befindet sich seit mehr als 15 Jahren im Evangelischen Krankenhaus Dierdorf/Selters am Standort Selters. Zusammen mit der neurologischen Stroke Unit in Asbach stellen wir die neurologische Schlaganfallversorgung im Westerwald sicher.
Die als Stroke Unit zertifizierte Schlaganfalleinheit im Evang. Krankenhaus Dierdorf/Selters ist der wichtigste Bereich einer Neurologie und ist auch nur im Zusammenwirken mit einer neurologischen Abteilung wie in Selters tatsächlich verantwortbar. Wo sehen Sie hierbei die Vorteile für die Patienten im Hinblick auf anderen Konstellationen wie zum Beispiel der Angliederung einer Stroke Unit an die Innere Abteilung einer Klinik?
Dr. Bereznai: Die Schlaganfallversorgung heute erfordert die höchste Aufmerksamkeit und das eingespielte und professionelle Zusammenwirken von auf Schlaganfallbehandlung spezialisierter Mitarbeiter. Das kann man nicht einfach nur nebenbei machen. In meiner neurologischen Klinik ist der Leitende Oberarzt mit drei Assistenzärzten 24 Stunden eigens für diese Aufgabe freigestellt. Zudem visitiere ich selbst jeden Morgen zusammen mit den Kollegen die Schlaganfalleinheit. Neben meiner Person stellen insgesamt vier Oberärzte, sieben Assistenzärzte sowie Pflegefachleute, Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden, MTAs und MTRAs und eine Neuropsychologin die spezialisierte Schlaganfallversorgung sicher. Nur so können wir eine unverzügliche und qualitative Akutdiagnostik des Schlaganfalls gewährleisten, um die Patienten möglichst früh und gezielt zu behandeln und das verantwortliche Blutgerinnsel innerhalb der ersten halben Stunde nach Eintreffen im Krankenhaus aufzulösen, denn verlorene Zeit ist verlorenes Gehirn.
Welche Voraussetzungen muss eine Klinik im Zusammenhang mit der Stroke Unit erfüllen?
Dr. Bereznai: Stroke Units unterliegen strengen Zertifizierungskriterien und müssen hohen baulichen, technischen, strukturellen, personellen sowie fachlich-inhaltlichen Mindeststandards entsprechen. Die Zertifizierung durch die Deutsche Schlaganfallgesellschaft garantiert dabei die höchstmögliche Qualität. Die für die Stroke Unit gesetzlich exakt festgelegten Voraussetzungen für Prozess-, Struktur- und Ergebnisqualität werden von uns seit 15 Jahren in Selters vorgehalten. Wir als Krankenhaus mit regionaler Schlaganfalleinheit verfügen über hochmoderne CT- und MRT-Technik, die erforderlichen Voraussetzungen für Personal, Bau und Technik werden von uns über viele Jahre in Selters erfüllt, damit im Ernstfall schnell und lebensrettend agiert werden kann. Hierzu zählt die personalintensive Betreuung - also Pflegepersonal pro Bett - und auch die spezialisierte Mitarbeiterqualifikation. Alle arbeiten hoch professionell und eng zusammen, um einen Patienten bestmöglich versorgen zu können. Ende 2017 wurde der KHDS-Stroke Unit hervorragende Qualitätsstandards von der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft und der Stiftung Deutsche Schlaganfall Hilfe bescheinigt. Wir wurden mit dem Zertifikat „Qualitätsmanagement-System für eine regionale Stroke Unit“ ausgezeichnet. Ende dieses Jahres erfolgt nach drei Jahren die regelmäßige Re-Zertifizierung.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit zugeordneten Einrichtungen wie Neurochirurgie oder Neuroradiologie?
Dr. Bereznai: Der unmittelbare Zugang zu neurochirurgischen oder neuroradiologischen Notfalleingriffen ist über unsere Kooperationspartner, die innerhalb von 30 Minuten erreichbar sind, sichergestellt. Durch die regelmäßige und sehr persönliche Zusammenarbeit sind auch diese Abläufe optimal organisiert.
Herr Dr. Bereznai, wie sehen Sie die medizinische Entwicklung der Region im Allgemeinen und im Speziellen im Hinblick auf eine weitere Schlaganfalleinheit?
Dr. Bereznai: Wenn wir eines aus der jüngsten Geschichte gelernt haben, dann ist es, dass kein Versorgungsangebot für sich allein existiert. Strukturen und Prozesse müssen sich an den medizinischen Leitlinien und den Bedürfnissen der Patienten orientieren und aufeinander abgestimmt sein. Nach meiner Einschätzung wurden in der Vergangenheit in Bezug auf die Einrichtung von Stroke Units in der Region Westerwald Entscheidungen getroffen, die diese Abstimmung vermissen lassen. Die durch wirtschaftliche Interessen gelenkte Zersplitterung der Schlaganfallversorgung über kleine Lösungen und Innere Abteilungen ist nicht vom Vorteil für die Menschen der Region. Wünschenswert ist es nach meiner Meinung den Krankenhausmarkt, der in Bewegung ist, so zu gestalten, dass stationäre medizinische Versorgung den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger der Region Rechnung trägt und das Leistungsangebot der Kliniken bestmöglich ineinander verzahnt. Wir leisten in unseren Häusern in Selters und Dierdorf unseren Beitrag durch eine bürgernahe gute Grundversorgung, das breite kompetente medizinische Angebot sowie eine etablierte und leistungsfähige neurologische Schlaganfalleinheit – zum Wohle der Patienten in der Region und darüber hinaus. (PM)
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