Leserbrief: SPD Neuwied - Eine Partei hat sich zerlegt
LESERMEINUNG | Am 20. August wurde Neuwieds Bürgermeister Michael Mang abgewählt. Das Thema beschäftigt nach wie vor unsere Leser. Nachstehend ein weiterer Leserbrief. Damit wollen wir nun das Thema abschließen.
Neuwied. Bis zur Jahrtausendwende war Manfred Scherrer noch Oberbürgermeister in Neuwied. Insider wissen: Brigitte Scherrer, seine Ehefrau als "graue Eminenz" im Schlepptau. Er kümmerte sich um das Wohl der Stadt und deren Verwaltung, sie um die Neuwieder SPD. Bis dahin waren es für die Deichstadt und die örtliche SPD noch hervorragende Zeiten. Bürger und Umlandbewohner erfreuten sich an regem und vielfältigem Handel in gut sortiertem Gewerbe. Kulturveranstaltungen und örtliche Feste bereicherten das Freizeitangebot. Die SPD blickte im Stadtrat auf ihre eigene Mehrheit.
Auf Scherrer folgte der zu früh verstorbene Oberbürgermeister Roth. Als SPD-Mitglied hat ihn 2004 das Ergebnis der Kommunalwahl sicher überrascht. Im Neuwieder Stadtrat eroberte die CDU die Mehrheit mit 22 Sitzen, die SPD musste sich mit 17 Sitzen begnügen. In der Folgezeit legten sich beide Parteien in ein gemeinsames Bett. Es nannte sich Koalition. Letztendlich wusste in Neuwied niemand so recht, welche der beiden Parteien welche Ziele in der Kommunalpolitik verfolgen. Zum Teil faule Kompromisse hemmten die Stadtentwicklung sowie die gewerbliche und bauliche Bestandspflege. Der örtliche Handel mit seiner Vielfalt, gemütliche Restaurants und Bierkneipen verschwanden sang- und klanglos von der Bildfläche.
Unter diesem, nicht nur wirtschaftlichen Niedergang litt und leidet noch heute die Bürgerschaft. Ein müder, grauer Schleier scheint über Gesellschaft und Gemeinwesen zu liegen. Geschuldet den vielen örtlichen Skandalen, zumeist verursacht von den eigenen Parteigenossen. Zu denken ist dabei an die parteiübergreifende "Pöstchenschacherei" in der Stadtverwaltung und den städtischen Betrieben, dem "GSG-Wirbel", dem parteipolitischen Dauergezänk und schließlich der Abwahl von Bürgermeister Michael Mang. Der letzten sichtbaren SPD-Säule in Neuwied.
Die Abwahl des Vertreters des Oberbürgermeisters fand bundesweit Beachtung. Wurde sie doch im Neuwieder Stadtgremium letztendlich von der eigenen Partei beantragt. Ob die Abwahl sachlich begründet und deshalb berechtigt war, kann dahingestellt bleiben. Allein, weil Michael Mang mit der AfD-Fraktion im Neuwieder Stadtrat gesprochen hat, ist dieser Schritt der SPD nicht zu rechtfertigen. Schlimm genug, wenn sie zusätzliche Gründe hatte, die sie der Öffentlichkeit verheimlicht. Noch schlimmer ist der Umgang der SPD-Fraktion mit den eigenen, sie tragenden Personen.
Man mag zu Sigurd Remy, dem politischen Neuwieder SPD-Raubein, stehen wie man will. Man muss nicht zu seinen Freunden gehören. Festzustellen ist aber, dass sich Remy seit Jahrzehnten um Neuwied verdient gemacht hat. Nicht immer mit dem Florett, häufig mit der Kanone hat er im Stadtrat um das Wohl seiner Heimatstadt gekämpft. Der Ausschluss von Sigurd Remy aus der SPD-Fraktion im Neuwieder Stadtrat ist der eigentliche Skandal. Mit scheinheiligen Argumenten, betrieben von Sven Lefkowitz, dem Fraktionsvorsitzenden. Ein SPD-Mitglied wie man es sich nicht wünscht. Politisch kaltblütig, kompromissbereit bis zur Kompromisslosigkeit, ehrgeizig und bedacht auf das eigene Fortkommen. Lefkowitz will Landtagsabgeordneter werden und die Nachfolge von Fredi Winter antreten. Dessen Schuhe sind dem SPD-Fraktionsvorsitzenden mit Sicherheit zu groß.
Angesichts der heillosen SPD-Grabenkämpfe wird sich Privatier Manfred Scherrer sicher auf die Zähne beißen. Er wird nämlich erkennen, dass die Neuwieder SPD auf lange Sicht abgewirtschaftet hat. Hoffnung auf eine Mehrheit im Stadtparlament oder auf ein städtisches Spitzenamt kann sie getrost begraben. Sven Lefkowitz sein erhofftes Direktmandat auch.
Claus Kopinski, Frankfurt a.M.
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