Altes Haus, neue Energetik: So lässt sich aus alten Gemäuern das Maximum herausholen
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich im energetischen Immobilienbereich viel getan. Allerdings können nicht nur brandneue Gebäude es auf vorzeigbare Verbräuche und Kenndaten bringen.
Nicht nur im Kreis Neuwied, sondern generell in ganz Rheinland-Pfalz sind die Wohnbestände alles andere als jung. Statistisch bewiesen beim deutschlandweiten Zensus 2011. Der brachte unter anderem ans Licht, dass von den damals in RLP vorhandenen 1,885 Millionen Wohnungen nur gut 159.000 nach dem Jahrtausendwechsel errichtet wurden. Zum Vergleich: Knapp 240.000 Stück wurden vor 1919 errichtet.
Zwar gab es seitdem viel Bautätigkeit, es bleibt jedoch die Tatsache, dass die Majorität aller Gebäude bei uns alt ist. Sie wurden errichtet, als der Gedanke an Energetik noch in den Kinderschuhen steckte oder auch noch gar nicht vorhanden war – die ersten derartigen Gesetze wurden erst in den 1970ern erlassen.
Da stellt sich die Frage, ob es überhaupt Chancen gibt, derartige Altbauten auch nur halbwegs auf zeitgenössische Standards zu bringen. Ja, die gibt es. Moderne Neubau-Mindeststandards sind absolut machbar und sind somit die wirkungsvollste Umsetzung der gestiegenen Akzeptanz der Energiewende. Doch wie kann es gehen?
1. Ein erneuertes Dach
Grundsätzlich besteht durch die alte Energieeinsparverordnung EnEV bzw. deren kürzlich eingeführte Ablösung, das Gebäudeenergiegesetz GEG, zwar bei Altbauten eine Pflicht zur Dachdämmung – da diese sich jedoch nur auf den Bereich des Obergeschosses erstreckt, bleiben je nach Architektur weite Teile der Dachüberhänge unberührt und somit auch Zimmer mit Dachschräge in darunterliegenden Geschossen ungedämmt.
Die grundständigste Methode wäre es, die Dachdeckung entfernen zu lassen. Darauf installiert der Dachdecker eine das gesamte Dach umfassende Aufsparrendämmung. Allerdings sollte ein Statiker einbezogen werden:
• Bei sehr alten Dachstühlen kann das Gebälk zu schwach dimensioniert sein, um das zusätzliche Dämmungsgewicht zu tragen.
• Bei neueren Dachstühlen sollte der Statiker dann hinzugezogen werden, wenn eine Photovoltaikanlage geplant ist. Diese bringt nochmals zusätzliche Belastung.
Auf diese Weise ist das Haus nach oben energetisch „versiegelt“ und damit ein wichtiger Schritt getan – schließlich steigt Heizwärme vornehmlich nach oben.
2. Eine versiegelte Außenhülle
Bei vielen Altbauten im Kreis zeigt sich überdeutlich, wofür die Region im 19. und vor allem 20. Jahrhundert europaweit bekannt war: Bims, dessen Abbau und Verarbeitung. Viele Häuser bestehen aus Bimsbeton-Hohlblöcken oder -Massivsteinen. Das ist insofern gut, weil diese durch die Porigkeit von Bims ein besseres Dämmniveau liefern als andere früher übliche Baumaterialien, etwa Ziegelsteine.
Dennoch sind die alten Bimssteinwände nicht so energetisch hochwertig, dass sie moderne Wärmedurchgangskoeffizienten hätten. Das heißt:
• Unbedingt sollten die Kellerwände bis zum Fundament aufgegraben werden. Anschließend werden sie mit Dämmpaketen ummantelt.
• Auf gleiche Weise wird auch mit den Außenwänden verfahren. Falls das wegen einer schön patinierten Fassade nicht gewünscht ist, lassen sich die Dämmungen auch innen anbringen.
• Zumindest die Kellerdecke, dazu die Unterseite der Kellertreppe und/oder der Kellerboden werden ebenfalls gedämmt – ob Decke oder Boden gedämmt werden, hängt davon ab, ob es sich um ein Haus mit Naturbodenkeller oder mit gegossener Fundamentplatte handelt.
Auf diese Weise ist das Haus anschließend in der Lage, jedes erzeugte Watt Wärmeenergie hocheffizient zu nutzen – nur ein Bruchteil wird noch in den Außenbereich gelangen.
3. Neue Fenster und Außentüren
Doppelverglaste Fenster wurden bei Neubauten bereits in den 1970ern verbaut. Doch ähnlich wie Bimssteine ist auch deren energetisches Niveau zwar besser als bei anderen Varianten, jedoch nicht mehr zeitgemäß. Würden alte Fenster in einer so gut gedämmten Fassade verbleiben, gäbe es höchstwahrscheinlich rasch Probleme durch Luftfeuchtigkeitsniederschlag.
Ergo: Alle Außenfenster, dazu auch alle ins Freie führenden Türen sollten getauscht werden – bei relativ jungen Häusern bietet es sich allerdings zur Ersparnis an, mit dem Fensterbauer zu sprechen, ob ein Austausch der Verglasung und der Dichtungen genügt. Ziel muss sein, dass Fenster und Türen vergleichbare Wärmedurchgangskoeffizienten wie die Fassadenwände haben. Nur das ist energetisch optimal.
4. Eine moderne Heizung
Ein so gut gedämmtes Haus würde natürlich auch eine alte Heizung effektiver machen. Allerdings wäre es schlicht falsch, so tiefgreifende Maßnahmen durchzuführen, ohne auch eine neue Heizanlage mit einzubeziehen.
Hier besteht die derzeit beliebteste und energetisch vorteilhafteste Wahl in einer Luft-Wasser-Wärmepumpe. Sie entnimmt der Umgebung, in diesem Fall der Umgebungsluft, Wärme und gibt diese nach dem umgekehrten Kühlschrankprinzip an einen Heizwasserkreislauf weiter. Die Vorteile:
• Zum Betrieb wird nur Strom benötigt. Und zwar nur etwa ein Viertel der Energiemenge von Gas- oder Ölheizungen – von Nachtspeicheröfen völlig zu schweigen.
• Die Wärmepumpe ist der ideale Abnehmer für Strom, der durch eine hauseigene Solaranlage erzeugt wird.
• Durch den Anschluss an einen Wasserkreislauf können bestehende Rohrleitungssysteme weiterverwendet werden.
Hinzu kommt, dass viele Modelle im Sommer ihr Arbeitsprinzip umkehren und kühlen können – das macht die Anschaffung einer Klimaanlage überflüssig.
Am effizientesten funktioniert eine solche Wärmepumpe, wenn sie mit einer Fußbodenheizung kombiniert wird; das maximiert die Abstrahlfläche für jeden Raum. Wo das jedoch nicht möglich ist, können auch traditionelle Heizkörper zum Einsatz kommen. Sie sollten jedoch in jedem Fall durch moderne Stücke ersetzt werden – diese haben bei ähnlichen Außenabmessungen eine weitaus größere Abstrahlfläche und sind somit wirksamer.
5. Energetisch optimierte Räume und Stockwerke
Die bis hierhin skizzierten Maßnahmen sind Pflicht. Sie allein sind bereits sehr effektiv und holen aus einem alten Gebäude zeitgemäße Leistungen heraus. Allerdings gibt es auch noch eine Kür.
Sie beginnt mit einer förderlichen Eigenheit vieler Altbauten: Die klassische Aufteilung der Räume. Denn nicht zuletzt das Umweltbundesamt und dazu noch viele weitere Energieexperten raten dazu, die Räume je nach Nutzung auf unterschiedliche Werte zu beheizen. Beispielsweise:
• Wohnräume und Kinderzimmer: 20°C
• Küche: 18°C
• Schlafzimmer 17°C
Bei vielen Neubauten ist das sehr schwer – durch die viel geringeren Anzahlen von Innenraumwänden durch das seit einigen Jahren beliebte „offene Wohnen“ lassen sich derartige Vorgaben schwieriger umsetzen; wohl aber bei Altbauten, die keine offene
Architektur besitzen.
Allerdings können auch diese mitunter noch besser gemacht werden. Denn noch bis in die 1960er hinein wurden viele Gebäude mit Deckenhöhen errichtet, die weit über dem seitdem gängigen Maß von etwa 2,50 Metern liegen. Notwendig ist das heute nicht mehr. Mehr noch: Die hohen Decken vergrößern das Raumvolumen, erzwingen deshalb für die Zimmerfläche verhältnismäßig viel Heizenergieaufwand.
Wo es so hohe Decken gibt, können diese auf einfachste Weise in Trockenbaumanier und sogar in Eigenregie abgehängt werden. Der entstehende Hohlraum kann mit weiteren Dämmmaterialien gefüllt werden. Dadurch entstehen zwei Vorteile:
1. Die einzelnen Räume benötigen für gleiche Temperaturen weniger Wärmeenergie.
2. Es gibt weniger Wärmetransmission zwischen den Stockwerken.
Beides hilft immens dabei, nur das absolut notwendige Minimum an Heizleistung aufzuwenden, um alle Zimmer auf Wohlfühltemperatur zu bringen.
6. Smarte Optimierungen
Der finale Schritt um ein altes Gebäude zu einem Musterbeispiel moderner Energetik zu machen, besteht darin, digitale Helfer aus dem Bereich des Smart Home zu nutzen, welche die Verbräuche auf ein Optimum regulieren. Besonders empfehlenswert sind:
• Digitale Heizungsregelungen. Sie ermöglichen es beispielsweise, das ganze System bei verlassenem Haus (automatisch) herunter zu regeln.
• Smarte Großverbraucher, etwa Waschmaschinen und Trockner. Diese laufen dadurch wahlweise dann, wenn ein eigenes Photovoltaiksystem den meisten Strom erzeugt oder wenn externer Strom am günstigsten ist.
• Digitale Fenstersteuerungen. Sie lüften sensorbasiert selbsttätig; das kommt sowohl der Raumluftqualität wie der Feuchtigkeitsregulierung und dem Heizenergieverbrauch zugute.
• Sensorbasierte Lichtsteuerungen. Sie sind nicht nur komfortabel, sondern sorgen auch dafür, dass vor allem in seltener benutzten Arealen das Licht nicht länger leuchtet als notwendig.
• Automatische Rollladensteuerungen. Werden oft als reines Sicherheitsfeature zur Anwesenheitssimulation angesehen, können jedoch auch effektiv eine übermäßige Auskühlung oder Aufheizung der Innenräume verhindern.
Zusammen ergibt das ein Gebäude, das vielleicht errichtet wurde, als im Neuwieder Becken noch Zehntausende „im Bims schafften“. Allerdings wird es zumindest in Sachen Energieverbrauch dieses Alter nicht zeigen, sondern sich wie ein Häuschen in den Neubaugebieten der Region verhalten – zeitgenössisch und optimal. (prm)