Benni Over aus Niederbreitbach fällt durch alle Raster
Bei Benni Over aus Niederbreitbach wurde im Kindesalter die Erkrankung Muskeldystrophie Duchenne diagnostiziert. Seine Eltern gründeten 1996 die außerordentlich erfolgreiche Selbsthilfegruppe „aktion benni & co e.V.“. Er selbst befasst sich – angeregt durch einen Zoobesuch – seit einigen Jahren sehr intensiv mit Orang-Utans und deren Lebensraum. Coroan hat das Leben von Benni völlig auf den Kopf gestellt. Er fällt durch jedes Raster.
Niederbreitbach. Die Situation beschreibt Benni wie folgt: „Ich bin Corona-Hochrisikopatient in häuslicher Pflege. Da ich an schleichendem Muskelschwund erkrankt bin, sitze ich seit meinem zehnten Lebensjahr im Rollstuhl, kann nur noch meine Finger bewegen und werde seit vier Jahren zusätzlich beatmet.“
Seit jeher schon kümmern sich meine Eltern, Connie und Klaus, um mich, ihrem 30jährigen Sohn. Wegen des hohen Risikos einer Infektion mit dem Corona-Virus, haben wir alle drei uns bereits Ende Februar 2020 in freiwillige Quarantäne begeben. Seitdem haben meine Eltern neben der Alltagspflege auch die komplette Intensivpflege übernommen. Bis vor Corona war noch ein ambulanter Intensiv-Pflegedienst bis zu 10 Stunden täglich im Haus tätig.
Zu unserer Situation haben wir zwei Videos gemacht.“
Dezember 2020/Benni und Corona – Antigen Schnelltests und Impfstoff
März 2020/Benni in Quarantäne – wie lange noch?
Antigen-Schnelltests
Dazu Benni: „Weil auch die für mich lebenswichtigen Therapien nur noch online, mit dem verlängerten Arm der Eltern, stattfinden, haben wir uns an Kassen, Behörden und Verbände gewandt und um Schnelltests für meine Therapeuten gebeten. Dies in Anlehnung an die für Pflegeheime und Krankenhäuser geltende Testanordnung des Bundesgesundheitsministeriums. Beatmungspatienten in häuslicher Pflege und ihre Therapeuten sind in dieser Testanordnung jedoch in nicht berücksichtigt. Dabei entspricht unsere Situation exakt der eines Bewohners bzw. Beatmungspatienten in einer Senioren-/Pflegeeinrichtung: Ich, der Patient, meine Eltern und meine Therapeuten das Personal.
Mit unserem Anliegen werden wir zermürbend von einer zur anderen Stelle verwiesen: von der Krankenkasse zum zuständigen Gesundheitsamt, von dort zur Kassenärztlichen Vereinigung. Das macht wütend, auch, wenn wir hören, dass selbst für Reiserückkehrer immer noch kostenlose Schnelltests durchgeführt werden.
Während Politiker darüber streiten, ob sich fünf oder zehn Personen zu Weihnachten treffen dürfen, wäre ich schon mit Schnelltests zufrieden, um endlich wieder regelmäßige Therapien erhalten zu können. Körperlich und vor allem psychisch geht es mir immer schlechter.“
Priorisierung der Impfungen gegen das Coronavirus
Am 7. Dezember hat die Ständige Impfkommission (STIKO) einen Entwurf für die geplante Priorisierung von Impfungen gegen das Coronavirus zur Stellungnahme an die Länder und an Experten verschickt. Damit zeichnet sich eine Richtung ab und die Reihenfolge will Gesundheitsminister Spahn per Verordnung zügig festlegen.
Demnach sollen Ältere über 80, Pflegeheimbewohner und Personal mit höchstem Infektionsrisiko in Kliniken und Altenheimen als Erste zum Zug kommen.
„Als Beatmungspatient in häuslicher Pflege, wäre ich weder in der ersten Gruppe (Prio-Stufe sehr hoch) noch in einer der anderen Gruppen (hoch, moderat) dabei. Ich werde überhaupt nicht erwähnt. Diese Regelung macht uns eine Impfung frühestens im zweiten Halbjahr 2021 (nach Impfung aller priorisierten Gruppen) und damit nach über eineinhalb Jahren Quarantäne und Isolation möglich. Ob wir die schon heute angespannte und kraftraubende Lebenssituation bis dahin durchhalten werden?“, erklärt Benni.
Kritik der Deutschen Stiftung Patientenschutz
Der Beatmungsarzt hat nur den Kopf geschüttelt, als er von dem Entwurf zur Impf-Priorisierung hörte. „Ich werde für Benni ein Attest ausstellen. Denn Benni fällt definitiv in die Kategorie ´Pflegebedürftige und Schwersterkrankte´ und gehört definitiv in die Nummer-Eins-Gruppe bei der Impf-Priorität".
Gleichlautend auch die Kritik von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Vorstand Eugen Brysch sagte: „Deshalb müssen zunächst die Pflegebedürftigen und Schwerstkranken die Chance auf eine Impfung bekommen" (tagesschau.de vom 7. Dezember). Schon bis Donnerstag, 10. Dezember, werden die Stellungnahmen der Länder und Experten zum Entwurf im Gesundheitsministerium zurückerwartet, auf deren Basis Minister Spahn dann zügig eine Rechtsverordnung erstellen wird.
Antrag an Minister Spahn von Benni
„Sehr geehrter Herr Minister Spahn, wir bitten um Genehmigung einer priorisierten Impfung für unseren Sohn Benni und für uns, seine Eltern und pflegenden Angehörigen – und zwar zeitgleich mit der Impfung jener Menschen in Prio-Impf-Gruppe eins.
Bitte unterstützen Sie meine Eltern und mich darin, dass wir Schnelltests für meine Therapeuten bekommen und durchführen können und dass ambulant versorgte Beatmungspatienten auch in erster Priorität geimpft werden, wenn sie dies wünschen.
Mein Leben könnte davon abhängen, mein körperliches und psychisches Wohlbefinden tut es schon längst.“
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