Psychiatrieseelsorger aus Koblenz und Waldbreitbach berichten
Seelsorgerinnen und Seelsorger haben eine besondere Stellung im Klinikalltag: Sie sind weder Therapeut noch Arzt.
Koblenz/Waldbreitbach. „Seelsorge in der Psychiatrie stellt ein anspruchsvolles, theologisch wie gesellschaftlich unverzichtbares Engagement der Kirche dar. Erkrankte Menschen zu begleiten, gehört seit jeher zu den Kernaufgaben und wird im Evangelium ausdrücklich genannt und gefordert“, sagt Esther Braun-Kinnen, zuständig für die Krankenhausseelsorge im Bischöflichen Generalvikariat Trier. Um Frauen und Männer in ihrem Aufgabengebiet weiter zu stärken, führt die Goethe-Universität Frankfurt gemeinsam mit den Bistümern Limburg und Trier ein Praxisforschungsprojekt zum Thema „Ethik in der Psychiatrieseelsorge“ durch. Von ihren Berufserfahrungen berichten Felix Tölle (Koblenz) und Albrecht Puhl-Thone (Waldbreitbach).
Seelsorgerinnen und Seelsorger haben eine besondere Stellung im Klinikalltag: Sie sind weder Therapeut noch Arzt. „Wir können uns an die Seite der Patienten stellen ohne eine Diagnose stellen zu müssen.“, erklärt Felix Tölle, der auf eine 20-jährige Berufserfahrung in der Psychiatrie und der Behindertenhilfe zurückblicken kann. „Ich muss zum Beispiel nicht entscheiden, ob der Erkrankte alleine das Klinikgelände verlassen oder über das Wochenende nach Hause darf“. Trotzdem sind die Seelsorger in die Abläufe im Krankenhaus eingebunden und nehmen beispielsweise an ärztlichen Übergabekonferenzen teil, erklärt Albrecht Puhl-Thone. Er arbeitet in einer Klinik für Psychiatrie in Waldbreitbach. Mit ethischen Entscheidungen sind beide konfrontiert.
Ethische Beraterinnen und Berater
„Wir wollen unsere Seelsorgerinnen und Seelsorger als ethische Berater ins Gespräch bringen“, erklärt Esther Braun-Kinnen. Sie weiß, dass die Frauen und Männer oft zwischen Patient und behandelndem Arzt stehen. „Sie kommen nicht umhin, zu ethischen Problembereichen in der Psychiatrie Stellung zu beziehen und sich für das Selbstbestimmungsrecht der Erkrankten einzusetzen“, berichtet sie. Puhl-Thone kennt die ethischen Fragestellungen in psychiatrischen Kliniken: „Hier geht es darum, ob ein Alkoholiker das Recht hat, sich zu Tode zu trinken? Dürfen psychisch beeinträchtigte oder behinderte Menschen ihre Sexualität ausleben und Kinder bekommen?“ Das seien existentielle Lebensthemen, mit denen der Theologe oft konfrontiert sei. Dabei gebe es bei der Lösung dieser Fragen keine Patentrezepte, sondern der konkrete Mensch und seine Herausforderungen müssten betrachtet werden. Es gehe immer um die Abwägung: „Freiheit versus Verantwortung der Betreuenden gegenüber den Patienten“.
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Eine Art ungezwungene Ergänzung zu anderen Gesprächs- und Therapieangeboten – so sieht Tölle seine Aufgabe. Und diese wird vom Krankenhauspersonal sehr geschätzt. „Ich werde oft beim Thema Trauer hinzugezogen“, berichtet er. Seinem Kollegen Puhl-Thone geht es ebenso, doch er fügt einen weiteren Aspekt hinzu: „Es geht beim Thema Trauer nicht nur um Tod, sondern um verpasste Chancen im Leben oder aber auch um Beziehungsabbrüche“. Puhl-Thone ist seit drei Jahren für die Marienhaus GmbH im Bereich der Seelsorge tätig und sieht die Klinik mitsamt Wohnheim als einen Ort von Kirche.
Auch Menschen verschiedener Religionen und Weltanschauungen suchen das Gespräch mit Tölle. „Kommt mein Angehöriger, der Suizid begangen hat, in den Himmel?“, solche Fragen werden dem gelernten Krankenpfleger dabei gestellt. Ihm ist es wichtig, psychisch kranke und beeinträchtigte Menschen würdevoll während einer schweren Krise zu begleiten und „zu signalisieren, dass sie nicht alleine sind“. Denn er gibt zu bedenken, dass psychische Erkrankungen wie Depressionen ganz „normale“ Krankheiten sind, „die jeden treffen können“.
Diakonische Kirchenentwicklung
Das Praxisforschungsprojekt nimmt in einer Laufzeit von drei Jahren die ethischen Herausforderungen in den Blick. Ziel der Forschung ist es, bedarfsgerechte Fort- und Weiterbildungsmodule zu entwickeln. Ein solches Projekt und Qualifikationsvorhaben ist im deutschsprachigen Raum bislang einmalig, sagt Esther Braun-Kinnen. Die Ergebnisse werden im Juni 2023 vorliegen. „Von diesen können dann Angestellte in anderen Seelsorgebereichen wie in Krankenhäusern, Altenheimen, Behinderteneinrichtungen, aber auch in den Gemeinden, profitieren“, davon geht sie aus. Tölle bestärkt diese Vermutung: Seit eineinhalb Jahren arbeitet er nun im Allgemeinkrankenhaus Kemperhof in Koblenz; dort kann er auf seine Erfahrungen zurückgreifen. „In den zukünftigen Pastoralen Räumen können Krankenhäuser Lern- und Praxisorte sein, um diakonische Kirchenentwicklung lebendig werden zu lassen und umzusetzen“, erklärt Esther Braun-Kinnen.
Weitere Informationen gibt es bei Esther Braun-Kinnen unter Telefon 0651-7105-388 oder per Mail an esther.braun-kinnen@bistum-trier.de
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