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Nachricht vom 25.05.2021
Kultur
Leserbrief: Bald wieder ein Abriss am Willy-Brandt-Platz Unkel?
Mit Bedauern und Unverständnis hat der Geschichtsverein Unkel den Ratsbeschluss der Stadt Unkel zur Abrissgenehmigung des Hauses Frankfurter Straße 42 zur Kenntnis genommen und dazu den nachstehenden Leserbrief verfasst.
Unkel. Der Leserbrief im Wortlaut: „Der Geschichtsverein Unkel engagiert sich für den Erhalt der Unkeler Altstadt und hat sich aus aktuellem Anlass mit dem nachfolgend wiedergegebenen Offenen Brief an die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz in Mainz, den Landrat des Kreises Neuwied, den Denkmalschutz des Kreises Neuwied, den Bürgermeister der Verbandsgemeinde Unkel, den Bürgermeister der Stadt Unkel, die Mitglieder des Unkeler Stadtrates gewandt.

Eigentum verpflichtet

In Artikel 14 Absatz 2 des Grundgesetzes heißt es: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Dieser verbindlichen Rechtssetzung folgt die Satzung der Stadt Unkel „über die Gestaltung und den Schutz des Ortsbildes“ (nachzulesen im Internet; aktueller Stand 1. Januar 2002). Darin heißt es in §1, Artikel 1: „Aufgabe dieser Satzung ist die Bewahrung kultur- und baugeschichtlicher Objekte und die Wahrung der Gestaltung des gewachsenen ortstypischen Stadt- und Straßenbildes der Stadt Unkel.“ Und weiter in Absatz 2: „Die Satzung ist auf alle zur Genehmigung anstehenden Bauvorhaben anzuwenden.“

Bereits am 27. Juni 1977 wurde die Satzung in Kraft gesetzt, nachdem seit 1970 die im Krieg unversehrt gebliebene Altstadt durch mehrere Abrisse schmerzliche Verluste an wertvoller Bausubstanz erlitten hatte.

Genannt sei insbesondere das den „Willy-Brandt-Platz“ (Unterer Markt) schmückende Sparkassengebäude, alljährlich Zentralpunkt vieler Feste. Die Kreissparkasse ließ das Haus 1971 abreißen und durch einen beliebigen 1970er-Jahre-Bau ersetzen. Die Volksbank tat es ihr nach, als sie 1972 das den nördlichen Eingang der Altstadt schmückende Gästehaus der „Villa Neven DuMont“ abreißen ließ.

Auslöser für den Erlass der genannten Satzung 1977 war das Verhalten der Deutschen Bundespost, als sie 1973 das stattliche sogenannte „Winkelbachhaus“ von 1785 am Süd-Eingang zur Altstadt abreißen ließ, angeblich um eine Postfiliale zu errichten. Die Freilegung der Fassaden zeigte ein gut erhaltenes Fachwerk. Dieses Grundstück, wo das genannte Haus stand, ist bis heute unbebaut geblieben.

Trotz heftigem Widerstand in der Bevölkerung erfolgte 1978 der Abriss der ehemals prachtvollen Stadtvilla des Kölner Verlegers und Stifters des „Christinenstifts“, August L. Neven DuMont in der heutigen Von-Werner-Straße.

Am Ende der 1990er Jahre wurde im Zuge des Fast-Komplett-Abrisses des Hotels „Schulz“ das malerische „Fähr- und Fischerhaus Vollmer“ in der Lühlingsgasse entgegen der „Empfehlung“ (Zitat) der Unteren Denkmalpflege geopfert.

Da das älteste erhaltene Patrizierhaus in Unkel, die „Sternenburg“ in der Vogtsgasse, als Kulturdenkmal unter Schutz stand, konnten es die Hotelbetreiber nicht einfach abreißen. So entfernten sie das Dach und ließen den Regen sein „Werk“ tun. Nach Zerstörung dieses unersetzbaren Zeugnisses der Unkeler Geschichte entstand der behördlich erzwungene Neubau.

Auch das sogenannte „Bachem-Haus“ wurde entgegen den Bestimmungen der Unkeler Satzung abgerissen. Die Geschichte der Hofanlage in der Vogtsgasse, in dem das Künstlerehepaar Bachem lebte, geht auf die kurkölnische Zeit zurück. Hier residierten die Schultheißen des Kurfürsten. Angeblich seien die großen L-förmigen Fachwerkgebäude baufällig und nicht zu erhalten, so wurde von den „Schulz“-Hotelbetreibern behauptet. Mit der Behauptung, sie müssten dringend das Bettenangebot erweitern um das Hotel wirtschaftlich zu erhalten, wurden die Entscheidungsträger gedrängt, dem Abriss zuzustimmen. Was aus diesem Versprechen geworden ist, kann jeder heute besichtigen. Nachdem noch die große Scheune dem Verfall preisgegeben und schließlich abgerissen wurde, entstand an diesem historischen Ort ein überflüssiger Hotelparkplatz, denn es gibt eine Hotel-Tiefgarage.

Die Behauptung, ein Fachwerkbau sei nicht erhaltbar, ist schon vielfach widerlegt worden. Als Beispiel seien die Städte Quedlinburg und Wernigerode genannt. Morsche Balken zu ersetzen ist keine Zauberei. Das augenfälligste Beispiel haben wir am Oberen Markt, Kirchstr. 3 erlebt, als die neuen Eigentümer 2012 das Fachwerk freilegen ließen und die vor Jahrzehnten unsachgemäß aufgestockte Vorderwand auf die Straße zu stürzen drohte. Die Wand wurde mit Schrägbalken abgestützt und dann geschah etwas Faszinierendes: Balken für Balken wurde die Hausfront saniert und das Gebäude strahlt seitdem in alt-neuem Glanze.

Auch die Rettung des fast ruinösen Fachwerkhauses und der rückwärtigen Gebäude an der Frankfurter Str. 29 durch die fachkundige Eigenleistung des neuen Eigentümers sind überzeugende Beispiele.

Nicht zu vergessen die Rettung des ältesten Fachwerkhauses in Unkel in der Lehngasse 2. Ohne das notwendige Wissen und die Ausdauer der Eigentümerfamilie gäbe es dieses in Unkel einmalige Ständerhaus nicht mehr. Gegenwärtig können die Unkeler Bürger die ebenso sachverständige und beharrliche Wiederherstellung des sogenannten „Armenhauses“, Lehngasse 7 – 9, beobachten und bewundern.

Zum Glück gibt es diese sehr positiven Beispiele in unserer Stadt. Sie zeigen, dass wir, die Unkeler Bürger, bei unserem Credo für die Erhaltung des Unkeler Stadtbildes nicht vor profit-orientierten Investoren kapitulieren müssen.
In dem aktuellen Fall des höchst geschichtsträchtigen Hauses Frankfurter Str. 42 hat der Stadtrat in einer Mehrheitsentscheidung dem potentiellen Investor den Weg zum Komplettabriss frei gemacht. Dieser Beschluss muss überdacht werden. Ein Abriss an dem zentralen Platz der Altstadt würde das Bemühen um die Erhaltung des historischen Stadtbildes konterkarieren. Auch für den Neubau an Stelle der „Löwenburg“ wäre ein Abriss des sogenannten „Mies-Hauses“ ein verheerendes Signal. Das Haus steht im Übrigen auch auf der Liste der in Unkel besonders zu schützenden Gebäude.

Gerade erleben wir, wie das Erscheinungsbild des „Unkeler Hofs“ durch angepasste Restaurierung erhalten wird. Dies sollte ein Vorbild für weitere Baumaßnahmen am Unteren Markt sein.

Der Geschichtsverein Unkel e.V. appelliert eindringlich an die Entscheidungsträger, sich ihrer besonderen Verantwortung für die Erhaltung und Pflege des Stadtbildes bewusst zu sein. Die „Satzung über die Gestaltung und den Schutz des Ortsbildes“ bildet schließlich eine wichtige Verpflichtung sowohl für die Entscheidungsträger als auch für den Bauherrn.

Es geht auch um die Glaubwürdigkeit der Bemühungen, die Attraktivität Unkels für den Besucher zu erhalten und zu steigern. Alle Anstrengungen zur Förderung des Tourismus werden vergeblich sein, wenn die Besucher vom Aussehen des Ortes enttäuscht werden.

Für die Einholung einer unabhängigen Expertise durch anerkannte Fachleute ist es nicht zu spät. Wir sind überzeugt, dass das Haus erhalten und genutzt werden kann und gleichzeitig eine wirtschaftliche Nutzung des dahinterliegenden Geländes erfolgen kann.

Allen Beteiligten wünscht der Geschichtsverein Unkel e.V. in diesem Sinne eine glückliche Hand für ihre weiteren Entscheidungen.“
Geschichtsverein Unkel e. V., 2. Vorsitzender Werner Geißler
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