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Nachricht vom 26.10.2021
Region
Grausame Details im Prozess um Totschlag der eigenen Mutter
Zu einem Fortsetzungstermin kam es in dem spektakulären Prozess vor der Strafkammer des Landgerichts Koblenz, bei dem der 22-jährigen Angeklagten vorgeworfen wird, ihre 52-jährige Mutter im Zustand der Schuldunfähigkeit getötet zu haben.
Zweiter Prozesstag am Landgericht Koblenz. Foto: Wolfgang RabschDierdorf/Koblenz. Über ihren Anwalt, Rechtsanwalt Dr. Gerhard Prengel aus Koblenz, ließ die Angeklagte verkünden, dass sie zunächst keine Aussage tätigen wird, weil sie sich zurzeit mental dazu nicht in der Lage sehe. Am 21. Oktober hatten wir ausführlich über den ersten Prozesstag und die Anklage berichtet.

Unfassbare Filmaufnahmen vom Sterben der Mutter

Als erster Zeuge wurde ein Kriminalbeamter gehört, der die Videoaufzeichnung auf dem Smartphone der Angeklagten ausgewertet hat. Der Zeuge: „Auf dem Smartphone befanden sich 12.456 Videos und Fotos, die von der Angeklagten in den Wochen vor der Tat gefertigt wurden. Es ist darauf ein Sammelsurium von Gefühlsschwankungen und Gefühlsausbrüchen der Angeklagten festgehalten. Zum Beispiel sagte sie einen Tag vor der Tat: „Jetzt will ich mal euer Blutsauger sein, ich will verdammt noch mal euer Blut.“ Dann weint sie wieder: „Ich kann nicht mehr, ich lasse mich von euch nicht ficken, wollt ihr mich einweisen? Ich bin Gott, ihr dreckigen Schweine, ich bin in meinem Universum. Ich bin Gott, der Allmächtige, ich bin die vierte Dimension.“

Dann spricht sie lachend und stammelnd über den Tod, nennt dabei immer wieder den Vornamen ihrer Mutter. Im Video ist zu sehen, wie sie auf ihre Mutter einsticht, dabei den Namen eines Freundes ruft, der ihr helfen soll. „Oje, oje, oje“ waren ihre Worte, als sie auf die Mutter einstach, deren Stöhnen vor Schmerzen zu hören war. Das Messer im Rücken der Mutter ist zu sehen. Anschließend filmt die Angeklagte sich weinend vor einem Spiegel. Man hört sie sagen: „Ich fasse es nicht, es ist der Tod.“ Dann steckt sie sich einen benutzten Tampon in den Mund und sagt: „Ich stehe auf Blut“. Jetzt beginnt die Angeklagte einen Rundgang durch die Wohnung, filmt dabei weiter, auch mehrmals ihre wahrscheinlich inzwischen verstorbene Mutter. In einer der letzten Sequenzen sagt die Angeklagte: „Ich bin mit mir im Reinen, die Dämonen sind weg.“

Sechs Aufzeichnungen von eingegangenen Notrufen wurden vorgespielt. Vor der Tat hat dreimal die Mutter die Polizei angerufen und mitgeteilt, dass etwas mit ihrer Tochter nicht stimme, sie sei auch gewalttätig. Im Hintergrund hört man die Tochter laut singen: „Ich will singen und tanzen. In meiner Kindheit wurde ich geschlagen und vergewaltigt.“ Nach der Tat hat die Angeklagte selbst bei der Polizei angerufen und mitgeteilt, dass sie ihre Mutter umgebracht habe, das System sei schuld daran, sie sei aber nun erleichtert.

Die vernommenen Polizeibeamten erklärten übereinstimmend, dass die Angeklagte bei ihrem Eintreffen relativ ruhig gewesen sei, sie wirkte eher fröhlich. „Ich habe das getan, es ist wie eine Erlösung, ich gehöre weggesperrt“, sagte sie zur Tat. Bei der polizeilichen Vernehmung habe die Angeklagte angefangen, englische Lieder zu singen, um dann von Holzschnitzarbeiten zu berichten. Sie wirkte zwar aufgedreht, aber fröhlich. Sie hatte sich wohl mehrmals am Arm geritzt, denn dort waren mehrere Narben so sehen.

Emotionale Schilderung der Nachbarin
„Ich wohnte mit meiner Familie im Mietshaus über der Angeklagten und ihrer Mutter, von Gewalt habe ich nie etwas mitbekommen. Nur nachts lief immer jemand in der Wohnung hin und her, auch nach draußen und sprach dabei meistens. Ich merkte, dass etwas mit ihr nicht stimmte und sprach sie auch an. Sie meinte, dass sie Gott sei und mit Tieren sprechen könnte. Pferde würden sich vor ihr verneigen, wenn sie zu ihnen gehe. Außerdem hätte sie das Corona-Virus auf die Welt geschickt. Eine halbe Stunde vor der Tat habe ich noch mit der Mutter und der Angeklagten bei ihnen auf der Couch gesessen, wir haben uns über die Probleme unterhalten. Danach rief ich die Polizei an, weil ich komische Geräusche hörte und mir Schlimmes schwante.“

Die Zeugin wurde immer wieder von Weinkrämpfen geschüttelt, weil sie nach dem Geschehen unter Angst- und Panikattacken leidet und Angst um ihre Kinder hat. Deshalb war sie bereits in Therapie, aus der Wohnung ist sie ausgezogen und hat sich in ein Ferienhaus im Westerwald eingemietet

Die vor der Tat herbeigerufenen Sanitäter berichteten, dass es für sie keine Veranlassung gab, die Angeklagte nach Waldbreitbach zu bringen, da die Ärztin, die über die Aufnahme entscheidet, nach der Schilderung der Sanitäter keine Veranlassung zur stationären Aufnahme sah. Die Angeklagte solle sich aber umgehend bei ihrem Hausarzt vorstellen, hieß es.

Die Hauptverhandlung wird am 12. November fortgesetzt. Dann werden der psychiatrische Gutachter und ein Arzt der Rechtsmedizin der Universitätsklinik in Mainz ihre Gutachten erstatten. Es ist möglich, dass es an diesem Tag zum Urteilsspruch kommen könnte. (Wolfgang Rabsch)
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