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Nachricht vom 14.02.2023
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Professor Dr. Fernando Enns aus Hamburg referierte zum Thema "Frieden schaffen ohne Waffen"
Bei seiner Begrüßung der über 100 Besucher im Gemeindesaal der Marktkirche verwies Pfarrer Tilmann Raithelhuber auf die eklatanten, offenkundig kaum lösbaren Probleme hin, wenn durch kriegerische Zerstörungen und unbarmherziges Tötungen der überfallenen Ukraine und seiner Bevölkerung um ihr Leben und ihre Existenz bangen muss.
Pfarrer Tilmann Raithelhuber eröffnete eine bemerkenswerte Veranstaltung und ACK-Vorstandsmitglied Petra Schunkert sprach das Friedensgebet. Fotos: Jürgen GrabDer Hamburger Professor Dr. Fernando Enns, der an diesem Abend den seit Jahrzehnten bekannten Sinnspruch "Frieden schaffen ohne Waffen" zum Inhalt seines Referates machte, ließ eine durchaus spannende gedanklich-anspruchsvolle Beschäftigung mit der Thematik erkennen, zumal entsprechende Fragen seit einem Jahr, nicht zuletzt unter unheilvollen militärischen Aspekten, mit täglichen Horrornachrichten aus der Ukraine unser ganzes Denken beeinflusst.

"Uns eint das Bewusstsein, dass dieser Krieg so schnell wie möglich beendet werden muss" betonten sowohl Enns als auch Professor Dr. Josef Freise von der Offenen Gemeinde Hl. Kreuz Neuwied, der das nachfolgende gemeinsame Gespräch leitete.

Dr. Enns ist Mitglied der Mennonitischen Kirche, einer Friedenskirche, die den Dienst an der Waffe mit Berufung auf ihren Glauben an Jesus Christus konsequent ablehnt. Enns lehrt an den Universitäten in Hamburg und Amsterdam Theologie und Ethik mit dem Schwerpunkt Frieden und ist seit 1998 Mitglied im Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen, und insofern mit der Friedensthematik bestens vertraut.

Man müsse auch nicht Christ sein, um sich gegen eine weitere Eskalation des Krieges in der Ukraine auszusprechen. Es gäbe auch viele kritische nichtreligiöse Stimmen, die militärische Mittel für generell untauglich hielten, um politische Ziele zu erreichen. Viele halten es allerdings auch für nicht denkbar, dass die Ukraine die russische Armee besiegen könne. Die Gefahr sei hoch, dass es zu einem Abgleiten in einen Nuklearkrieg kommen könnte. Christen seien an das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe gebunden, wobei Jesus das absolute Tötungsverbot um das Gebot der Feindesliebe erweitert habe. "Sind die Weisungen Jesu weltfremd oder sind sie vielleicht überholt?", fragte Dr. Fernando Enns rein rhetorisch, wobei er unbedingt und zu jeder Zeit dessen entsprechende Worte als verbindliche Handlungsmaxime anerkennt.

Christen befürworten das Recht der Selbstverteidigung, aber die Wahl der Mittel ist entscheidend. Enns plädiert für zivilen Ungehorsam, gewaltfreien Widerstand und die Stärkung ziviler Verteidigung. Kriegsdienstverweigerern aus Russland und aus der Ukraine müsse in jedem Fall Asyl gewährt werden. Fernando Enns ging auch auf die Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen im vergangenen Jahr in Karlsruhe ein und verwies darauf, dass die Verurteilung des Krieges mit Zustimmung der russisch-orthodoxen Delegation erfolgt sei. Der Dialog mit der russischen Seite sei durchaus ohne Alternative, denn, dass Russland auf Dauer gesehen diesen Krieg verlieren könne, ist eher nicht denkbar.

Wie Dr. Freise schließlich betonte, war die abschließende Diskussion zwar teilweise kontrovers, doch unbedingt wertvoll für eine mögliche gedankliche Disposition, wobei die zuhörenden Menschen im Gemeindesaal äußerst differenziert diskutierten, und die Maxime "Frieden schaffen - ohne Waffen" zwar unbedingt hinterfragten, aber niemals abgelehnt haben. (Jürgen Grab/red)
   
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