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Nachricht vom 17.02.2023
Region
Möglicher versuchter Mord im Kreis Neuwied: Aussagen von Geschädigtem und Bewährungshelfer
Im Prozess gegen einen 31-jährigen Angeklagten wegen versuchten Mordes fand vor der 14. Strafkammer des Landgerichts Koblenz ein weiterer Fortsetzungstermin statt. Der NR-Kurier berichtete.
Fotograf: Wolfgang RabschKreis Neuwied/Koblenz. Zur Information nochmals der Tatvorwurf der Staatsanwaltschaft Koblenz
Der Angeschuldigte aus dem Landkreis Neuwied soll im August 2022 den auf einem Gehweg gehenden Geschädigten vorsätzlich mit einem Pkw von hinten angefahren haben. Dadurch erlitt der Geschädigte schwere Verletzungen, unter anderem Rippenbrüche, Schürfwunden, Platzwunden und eine Gehirnerschütterung. Nach der Tat soll sich der Angeklagte mit hoher Geschwindigkeit vom Tatort entfernt haben, ohne sich um den Zustand des Geschädigten zu kümmern. Weiterhin soll der Angeklagte nicht im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis gewesen sein und die Tötung des Geschädigten zumindest billigend in Kauf genommen sowie eine schwere Körperverletzung des Geschädigten beabsichtigt haben. Auslöser der Tat sei eine vorangegangene verbale und körperliche Auseinandersetzung gewesen, in deren Verlauf der Geschädigte dem Angeklagten gegen den Fuß getreten habe.

Im bisherigen Verlauf der Hauptverhandlung hat der Angeklagte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht bestritten. Es tue ihm sehr leid, was er getan habe und er entschuldige sich in aller Form bei dem Geschädigten. Allerdings sei er durch das aggressive Verhalten des Geschädigten in eine extreme Ausnahmesituation geraten, da der Angeklagte ihn mit der Drohung, seine Eltern abzustechen, in seiner Ehre getroffen habe.

Zu diesem Termin waren die Verlobte des Angeklagten sowie dessen Bewährungshelfer und ein Bekannter des Angeklagten erschienen. Außerdem sollte der Geschädigte, der sich ebenfalls in anderer Sache in Haft befand, zur Tat befragt werden.

Der Bewährungshelfer sprach von einem sehr schwierigen Beginn der Zusammenarbeit mit dem Angeklagten, der sich um nichts gekümmert, seine Post ungelesen gelassen und anfangs unter Depressionen gelitten habe. Seine Wohnung sei verwahrlost gewesen, Schulden hätten ihn belastet, aber sukzessiv sei er zur Einsicht gekommen. Er habe mit dem Rauchen aufgehört, Sport getrieben und seine Ernährung umgestellt. Sein Hund sei ihm über alles gegangen, ein Großteil seiner Schulden sei durch notwendige Tierarztkosten entstanden. Bis zu dem hier zur Anzeige gebrachten Vorfall sei die Zusammenarbeit nicht zu beanstanden gewesen.

Eine Zeugin berichtete, dass der Angeklagte, den sie beim Spazierengehen mit ihren Hunden kennengelernt hatte, sie gefragt habe, ob er sich bei ihr verstecken könne. Er habe geweint und sei „völlig außer sich“ gewesen, weil er einen Mann angefahren habe, der Geld von ihm gefordert habe. Als der Angeklagte sich geweigert habe, sei seine Familie mit dem Tod bedroht, ihm ein Messer an den Hals gehalten, er bespuckt und geschlagen worden. Sie selbst habe den Angeklagten bei gemeinsamen Spaziergängen immer als höflichen, netten Mann erlebt.

Auch die Verlobte des Angeklagten wurde vernommen: „Mein Verlobter kam völlig aufgelöst zu mir, er weinte und sagte, er habe einen Unfall gehabt, nachdem ein Mann ihn geschlagen habe. Später erfuhr ich von einer Zeugin, die den Vorfall auf dem Parkplatz beobachtet hatte, dass mein Verlobter von einem Mann geschlagen worden war und auch das Auto beschädigt hatte.

Anschließend wurde der Geschädigte vernommen, der während seiner Aussage um Fassung rang und vom Vorsitzenden Richter mehrfach zur Ruhe ermahnt wurde. „Ich kenne den Angeklagten, weil wir früher in derselben Straße gewohnt haben und von einem Vorfall, der sich vor längerer Zeit an der Rheinpromenade ereignet hat. Der Hund des Angeklagten hatte meinen Bruder in den Oberschenkel gebissen, weil der Angeklagte ihn von der Leine gelassen hatte. Mein Bruder soll eine Frau „angemacht“ haben, die sich darüber beschwerte. Der Angeklagte war bereit, meinem Bruder 1.000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen, gab ihm aber nur 600. Trotzdem war lange Zeit Ruhe, bis ich ihn auf dem Parkplatz beim REWE in seinem Auto sitzen sah. Es kam wieder zum Streit, er stand halb in der Tür, ich schubste ihn und klopfte dreimal, da fing er an zu zittern. Du bist ein räudiger Hund, sagte ich zu ihm und ging weiter.

Ich war etwa 30 bis 40 Meter entfernt, als ich plötzlich einen Motor aufheulen hörte, mich etwas umdrehte und sah, dass der Angeklagte mit einem Cabrio beinahe einen Unfall hatte und dann auf dem Gehweg auf mich zuraste. Ich konnte nicht zur Seite ausweichen, weil dort ein Maschendrahtzaun war. Ich drehte mich zur Seite, als ich erfasst und über das Auto geschleudert wurde. Ich erlitt unter anderem Rippenbrüche, Schürfwunden, Platzwunden und eine Gehirnerschütterung und musste im Krankenhaus operiert werden. Ich habe kein Mitleid mit dem Angeklagten und nehme auch keine Entschuldigung an. Aber wegen seiner Eltern, die mir sehr leidtun, bitte ich trotzdem, den Angeklagten nicht zu hart zu bestrafen“.

Der Angeklagte verlas dann eine dreiseitige Erklärung zu seinen persönlichen Verhältnissen, die zusammenfassend ergab, dass er beruflich bisher nichts auf die Reihe bekommen hatte. Mehrere Schulwechsel, kein richtiger Hauptschulabschluss und abgebrochene Ausbildungen. Der Verteidiger legte eine Bescheinigung vor, wonach der Angeklagte nach seiner Haftentlassung zunächst als Helfer in einer Heizungsfirma arbeiten könne, um dann eventuell eine Lehre als Heizungsbauer zu absolvieren.

Die Hauptverhandlung wurde unterbrochen und wird am 3. März (2023) fortgesetzt. Der NR-Kurier wird weiter berichten.
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