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Nachricht vom 22.06.2023
Region
Wölfe im Westerwald: Wie kann man seine Tiere vor dem Wolf schützen?
Mit Frühling und Sommer beginnt für viele Tierhalter die alljährliche Weidesaison. Mit der Freude der Tiere über die Zeit im Freien wächst bei den Tierhaltern zunehmend die Sorge um die Sicherheit der Tiere. Tierrisse durch den Wolf oder andere Tiere führen zu Ängsten. Wer den Wolf versteht, kann seine Tiere jedoch gut schützen.
Wölfe sind Jäger, aber Schutz ist möglich. (Foto: Wolfcenter)Region. Die Wolfssichtungen in den letzten Wochen haben im Westerwald wieder zugenommen. Nachdem in den ersten Monaten des Jahres glücklicherweise keine nachweisbaren Wolfsrisse zu verzeichnen waren, ist dies nun leider nicht mehr der Falle. Erste Tiere wurden mittlerweile gerissen, eine DNA-Untersuchung, ob ein Wolf der Verursacher ist, steht bei einigen der Risse allerdings noch aus. Damit Tierhalter ihre Tiere bestmöglich schützen können, ist es wichtig, das Jagdverhalten eines Wolfes zu verstehen. Wir haben mit Frank Faß vom Wolfcenter in Niedersachsen über den Wolf gesprochen und auf all unsere Fragen fundierte Antworten bekommen. Bereits seit fast 20 Jahren beschäftigen sich Frank Faß und seine Frau Christina hauptberuflich mit Wölfen und seit 2010 betreiben sie das erste Wolfcenter in Deutschland. In diesem ersten Artikel soll es nun um die wichtigste Frage der Tierhalter gehen: Wie kann ich meine Tiere effektiv vor einem Wolfsriss schützen?

Wie jagen Wölfe?
Um einen sicheren Schutz der eigenen Tiere vor einem Wolfsriss zu gewährleisten, sollten sich Tierhalter unbedingt mit der Frage beschäftigen, wie Wölfe jagen. Für gewöhnlich tötet ein Wolf die Beute, die er für die eigene Versorgung und die seines Rudels benötigt. Oftmals bleiben Tiere nach einem erfolgreichen Wildriss ein oder zwei Tage in der Nähe des Tieres, um immer wieder von der gemachten Beute zu fressen. Allerdings nur, solange sie sich dabei ungestört und sicher fühlen. Daran sieht man, dass Wölfe nicht aus Freude jagen, sondern um ihre Nahrung zu sichern. Warum kommt es dann aber bei bekannten Wolfsrissen zu mehreren gerissenen Schafen innerhalb einer Herde?

Es kommt immer wieder vor, dass der Wolf mehr Tiere reißt, als er tatsächlich zur Nahrungssicherung benötigen würde. Entgegen dem Jagdverhalten von beispielsweise Fuchs oder Marder, die einmal in einen Hühnerstall eingedrungen alles töten, was sich bewegt, ist dieses Verhalten für einen Wolf eher untypisch und kommt nur innerhalb eines Risses in einer Herde vor. “Surplus killing“ nennt sich dieses Phänomen des Übertötens, welches durch eine Aktivierung des Jagdtriebs durch andere flüchtende Tiere der Herde ausgelöst wird. Dringt ein Wolf in eine Schafherde und reißt ein Tier, führt das unweigerlich zum Auseinandertreiben der anderen Schafe. Diese Flucht der Schafe triggert den Trieb des Wolfes, der ein sogenannter Hetzjäger ist. Da der Wolf nicht plant, sondern immer im aktuellen Moment lebt, löst dieser Reiz bei ihm den erneuten Jagdtrieb aus und er reißt das nächste flüchtende Tier. Ohne die Flucht der anderen Tiere wäre anzunehmen, dass es bei einem einzigen Tierriss bleiben würde. Doch wie kann man als Tierhalter überhaupt ein Eindringen des Wolfs verhindern?

Wolfsschutz statt Hütesicherheit
Schon seit jeher werden Tiere auf Weiden eingezäunt. Wo es in der Vergangenheit meist ausreichend war, eine Hütesicherheit zu gewährleisten – sprich das Weglaufen der Tiere zu verhindern – kommt heute ein neuer Spieler aufs Feld: der Wolf. Während ein Schaf schnell gelernt hat, dass ein leichter Elektrozaun ein Hindernis darstellt und man besser nicht drankommt, überwindet der Wolf einen Zaun aus einem dringenderen Grund: Er will Beute machen, der Wolf hat Hunger. Ein klassischer Schafzaun beispielsweise mit Litzen zwischen 20 und 40 Zentimetern reicht für ein Schaf problemlos aus, dass es nicht wegläuft, ist für einen Wolf allerdings kein Hindernis. Hier wäre ein Wolf ohne große Mühe in einem kleinen Sprung drüber, viel eher gräbt er sich jedoch unter dem Zaun durch. Viele Tierhalter erhöhen beispielsweise aus Sorge die Umzäunungen der Weideflächen, ohne sich dabei der Tatsache bewusst zu sein, dass Wölfe nur in Ausnahmefällen springen. Eine reine Erhöhung alleine ist also nur bedingt sinnvoll, viel wichtiger als Höhe ist ein solider Untergrabschutz.

Dass Höhe kein alleiniges Kriterium ist, zeigt das Beispiel von gerissenem Damwild. Die Zäune sind in der Regel mindestens 180 Zentimeter hoch und trotzdem kommt es immer wieder zu Rissen. Knackpunkt ist hier, dass der Zaun meist nur auf dem Boden aufliegt. Wölfe, als Weltmeister des Grabens, haben da in kürzester Zeit einen bequemen Weg hinein und hinaus gebuddelt. Ein Untergrabschutz kann auch nachgerüstet werden, wichtig ist, dass er in die Erde geht. Wo ein solcher Untergrabschutz nicht möglich ist, wie bei Wanderschäfern beispielsweise, kann mit Strom gearbeitet werden. Der klassische Weidezaun ist dabei jedoch nicht ausreichend. Elektronetzzäune sollten mindestens 90 Zentimeter hoch und müssen richtig gespannt aufgebaut sein. Der Strom muss mit guter Erdung (Metall ins Erdreich) angeschlossen sein. Kommt der Wolf dann an den Zaun, schließt er den Kreislauf. Bei einem solchen Zaun mit tiefen Litzen kommt auch ein grabender Wolf immer dran. Damit er den Stromschlag nicht ignoriert, muss man jedoch auf ausreichend starke Geräte mit hoher Entladeenergie von 2 bis 3 Joule setzen. Dann ist ein Wolf auch ausreichend abgeschreckt, denn auch wenn man von Wölfen oft das Gegenteil behauptet, so sind sie äußerst vorsichtige Tiere. Die Uni Kiel hat in vergangenen Jahrzehnten bewiesen, dass alle Hunde nur vom Wolf abstammen, aber das Wolfsgehirn deutlich größer ist als beim Hund. Besonders die Bereiche für Vorsicht sind beim Hund stark verkümmert, weshalb man eben in dem Bereich keinen Vergleich im Verhalten ziehen kann.

Ein weiterer Schutz, welcher ohne besondere Zäune auskommt, sind Herdenschutzhunde. Besonders Pyrenäen-Berghunde, Kangals oder Maremmanos haben sich als wirkungsvoll erwiesen. Dabei benötigt man etwa zwei bis drei ausgewachsene und ausgebildete Hunde pro Gruppe. Eine Unterstützung der Futterkosten für diese Herdenschutzhunde ist möglich und förderfähig. Während bestimmte Maßnahmen vom jeweiligen Land unterstützt werden, stellt man den Antrag zur Förderung von Herdenschutzhunden bei der Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz (SNU).

Wolfsschutz und Wolfsmanagement
Ein ausreichender Schutz für die eigenen Tiere kostet Geld, keine Frage. Leider ist die Möglichkeit, eine Wolfssicherung fördern zu lassen, relativ schwierig. Während gewerbliche Tierhalter von Schafen und Damwild leichter Förderungen und Zuschüsse beantragen können, ist es für andere Tierhalter wie Rinder- oder Pferdehalter eher schwierig. Solange nichts passiert, gibt es keine Förderung und auch ein einzelner Riss reicht nicht aus. Mindestens drei Betriebe in unmittelbarer Umgebung (Radius 30 Kilometer) müssen innerhalb von 12 Monaten einen Tierriss verzeichnen, um Fördermittel beantragen zu können. Davon profitieren dann auch alle anderen Betriebe in dem Radius, die ebenfalls Unterstützung beantragen können. Auf der Seite des Umweltministeriums findet man alle Wolfsrisse verzeichnet und kann nachschauen, ob man möglicherweise in einem Fördergebiet liegt. Eine Förderung ist dann mit 30.000 Euro pro Jahr möglich, weitere 30.000 Euro gibt es, wenn trotz Schutz etwas passiert. Teilweise variieren diese Summen länderabhängig.

Der Wolf ist also, wenn man ihn und seine Bedürfnisse versteht, nicht so schlecht wie sein Ruf. Dass dieser Ruf so schlecht ist, liegt in erster Linie an oftmals reißerischer Berichterstattung und der Instrumentalisierung des Wolfs für eigene Interessen, sei es politischer oder anderer Natur. “Ein solides Wolfsmanagement sollte es auch beinhalten, dass proaktiv auf Tierhalter zugegangen wird, um zu erklären, wie sie ihre Tiere sinnvoll vor Wölfen schützen können. Würde man dies umsetzen, wäre eine Akzeptanz des Wolfs wahrscheinlicher“, ist sich Frank Faß sicher. Denn viele Probleme durch den Wolf könnten vermieden werden, wenn man will und weiß, wie man es richtig macht.
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