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Nachricht vom 19.09.2011 |
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Region |
Der Kreis Neuwied wird schon mit Griechenland verglichen |
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Kreistag beriet am Montag über die katastrophale Finanzsituation – Niemand weiß, wo noch Ausgaben gespart werden können
Asbach. Der Kreistag schwankte bei seiner Sitzung am Montag (19.9.) zwischen zwei Extremen: Erst ging es nur um Inhalte, dann nur ums Geld. Kinderschutz und Jugendhilfe waren die Themen auf der einen Seite, die desaströse Finanzsituation des Kreises das bestimmende Thema in der zweiten Hälfte der Veranstaltung. |
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„Die Jugendhilfe steht vor immensen Herausforderungen“ hatte der für diesen Bereich der Kreispolitik zuständige Beigeordnete Achim Hallerbach seine Einleitung im Asbacher Bürgerhaus überschrieben. Hallerbach redete den Kreistagsmitgliedern ins Gewissen, indem er sagte: „Die Mitarbeiter (der Jugendämter, Anmerk. der Redaktion) unterliegen einem täglichen massiven Druck, müssen mit teilweise sehr schwierigen Klienten umgehen, wissen um den Finanzdruck der Kommunen und sollen gleichzeitig eine Abwägung vornehmen, welche Risiken für ein Kind bestehen oder nicht bestehen.“
Achim Hallerbach warb für ein Mehr auch an finanziellen Mitteln für die Jugendhilfe im Kreis. Er sagte: „Gehe ich von Fallzahlen von 30 oder 35 aus, die in Nordrhein-Westfalen für einzelne Arbeitsbereiche empfohlen werden, muss ich feststellen, dass die Mitarbeiter unseres Jugendamtes hier ein Mehrfaches an Fällen bearbeiten.“ Der Kreisbeigeordnete sprach von einer „anhaltenden Überlastung“ der Mitarbeiter. Dadurch erhöhe sich das Risiko von Fehleinschätzungen.
Der Kreisbeigeordnete kommt zu dem Ergebnis: Wer jetzt bei der Jugendarbeit spart, hat später höhere Folgeschädenkosten zu tragen. In der Kreistagssitzung wurde die Zahl von 30 Millionen Euro genannt, die im Kreishaushalt für die Jugendarbeit verwendet werden. Allein 15 Millionen Euro davon würden allerdings schon für die Gehälter des Kindertagesstätten-Personals verbraucht.
Mit Ausnahme der Grünen im Kreistag, für die Elisabeth Bröskamp sprach, äußerten sich alle Fraktionen zufrieden mit der aktuellen Jugendarbeit im Kreis Neuwied. Der Sprecher von „Die Linke“ erwähnte noch die hohe Fluktuation von Mitarbeitern im Kreisjugendamt. Er glaubt zu wissen, dass viele Mitarbeiter dort den großen Belastungen nicht gewachsen sind.
Sollten bis hierhin Hoffnungen geweckt worden sein, im Kreis Neuwied werde künftig kräftig in die Jugendarbeit investiert, dämpfte die anschließende Diskussion über die Kreisfinanzen diese Erwartungen schnell. Landrat Rainer Kaul sprach vom „Zielkonflikt“ zwischen Notwendigem und Finanzierbarem. Er lenkte den Blick auf die Mitarbeiter in den anderen Zuständigkeiten der Kreisverwaltung – Schulen, Behinderte, Arbeitslose, Asylbewerber, Tierhaltung, Umweltschutz – die ebenfalls an ihren Belastungsgrenzen arbeiteten. Landrat Kaul: „Wir müssen das alles auch finanzieren können!“
Am heutigen Dienstag hatte der Landrat eins der vielleicht wichtigsten Gespräche in seiner Amtszeit: Bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Trier ging es um die Teilnahme des Kreises Neuwied am rheinland-pfälzischen Entschuldungsfonds. Landrat Kaul: „Der Kreis steht zur Zeit bei der Sparkasse mit 130 Millionen Euro in den roten Zahlen.“ Nur um die laufenden Ausgaben finanzieren zu können, benötigt der Kreis Liquiditätskredite von 116 Millionen Euro.
Eine Beteiligung am kommunalen Entschuldungsfonds würde für den Kreis Neuwied bedeuten: Er muss sich verpflichten, in den nächsten 15 Jahren jährlich 2,1 Millionen Euro weniger Geld auszugeben. Das Problem: Die Sprecher aller Fraktionen und auch der Landrat sehen momentan keine Möglichkeit, auch nur ansatzweise derart viel Geld bei den Ausgaben zu sparen beziehungsweise auf der Einnahmenseite so viel mehr zu kassieren. Allgemeine Vorschläge machte in der Kreistagssitzung am Montagnachmittag Josef Stein, der Leiter der Kreis-Finanzabteilung: Anheben der Kreisumlage, Gebührenerhöhungen, Einsparungen beim Personal, Verkauf von Vermögen, Verzicht auf freiwillige Leistungen. Unter den Kreistagsmitgliedern kursiert eine Liste mit detaillierteren Sparvorschlägen. Allerdings hat sich noch niemand die Mühe gemacht auszurechnen, wie viel dabei eingespart werden kann. Geschweige denn, dass sich eine Mehrheit des Kreistags geeinigt hätte, in welchen Bereichen gespart bzw. mehr eingenommen werden soll.
CDU-Sprecher Werner Wittlich verglich die Situation des Kreises Neuwied unschmeichelhaft mit der momentanen europäischen Finanzlage: „Der Kreis lebt über seine Verhältnisse, so wie andere europäische Länder in der Nähe des Balkans.“ Der Entschuldungsfonds sei auch kein „Rettungsanker“, wie es in der Zeitung gestanden habe. Der Fonds reduziere nur die Gesamtschulden des Kreises von 390 auf 270 Millionen Euro. Wittlich: „Wir alle wissen keinen Rat. Wir wissen nur: Es wird ein Heulen und Zähneknirschen in allen Bereichen geben.“ Der CDU-Fraktionsvorsitzende forderte den Landrat auf, „konstruktive und belastbare“ Vorschläge für geeignete Sparmaßnahmen zu machen.
Das dies eher unmöglich als schwer werden wird, deutete Linken-Kreistagsmitglied Gert Winkelmeier an: „Ich bin seit einem Jahr Mitglied der Sparkommission des Kreistags. Wir tun uns schwer, auch nur kleine Einsparungen zu beschließen. Es ist mir rätselhaft, wie in den nächsten 15 Jahren jährlich zwei Millionen Euro eingespart werden sollen.“ Holger Kern |
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Nachricht vom 19.09.2011 |
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