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Nachricht vom 27.12.2011
Vereine
Bernd Arnold: „Wir müssen jetzt die Weichen stellen“
Der Trainer des EHC Neuwied über die bisherige Saison, die Ligenstruktur, die U21-Regelung und die Situation in Neuwied

Neuwied. Die Hauptrunde in der Regionalliga NRW ist vorüber, die Bären des EHC Neuwied ziehen zum Jahreswechsel ein äußerst positives Fazit. Mit 13 Siegen aus 16 Spielen haben sich die Deichstädter die Vizemeisterschaft in jener Liga gesichert, aus der sie im Frühjahr 2011 fast abgestiegen wären.
Äußert heftige Kritik am bestehenden Ligensystem und wünscht sich bessere Trainingsbedingungen in Neuwied: EHC-Trainer Bernd Arnold. Foto: Reimund SchusterDie Oberliga-Aufstiegsrunde konnte sich das Team vorzeitig sichern, ab dem 6. Januar geht es dann darum, sich sportlich für die Oberliga zu qualifizieren. Doch EHC-Trainer Bernd Arnold, der die Dinge gewohnt kritisch betrachtet, sieht auf diesem Weg noch viel Arbeit für den EHC Neuwied – vor allem abseits der Eisfläche. Und er kann sich mit dem, was da im Deutschen Eishockey unterhalb der 2. Bundesliga passiert ist, nur schwer anfreunden.

Arnold, schon immer ein kritischer Zeitgeist mit einem ganz eigenen Blick auf die Entwicklungen, ist nicht überzeugt vom sportlichen Konzept der Oberliga.

Verbands- und Ligenstruktur
„Was hier mit dem deutschen Eishockey gemacht wird ist eine reine Katastrophe. Es mag immer gute Gründe für Entscheidungen geben, wie man Ligen strukturiert. Aber die Oberliga West ist eine Katastrophe. Wir müssen folgendes bedenken: Als die Liga noch eingleisig oder zweigeteilt war, gab es im Westen zwei, drei Oberligamannschaften. Wenn man jetzt ausländische Spieler und Torhüter weglässt, hast du dreimal 20 Spieler für die Oberliga. Das heißt, 60 Spieler haben hier im Westen Oberliga-Eishockey gespielt. Und jetzt sollen plötzlich zehn Oberligamannschaften aus dem Westen kommen. Also noch mal siebenmal 20 deutsche Spieler. Ich frage mich: Wo sollen mit einem Fingerschnipp 140 deutsche Spieler herkommen? Oder wo waren sie vorher? Es will mir doch keiner sagen, dass 140 begnadete Oberligaspieler vorher in der Landesliga oder der Regionalliga gespielt haben! Der Gedanke, Fahrtkosten zu sparen, weil ich von Dortmund nicht mehr nach Peiting oder nach Duisburg fahren muss, leuchtet mir auch ein. Oder, dass bei solchen Spielen mehr Fans ihre Teams zu Auswärtsspielen begleiten. Aber wo sollen alle diese Spieler herkommen? Das heißt, es gibt eine Vielzahl an Spielern, die eigentlich, wenn man es streng nimmt, sportlich in der Oberliga nichts verloren haben. Früher gab es dagegen eine aus meiner Sicht wirklich sehr gut funktionierende Regionalliga mit acht oder zehn guten Mannschaften im Westen. Die existiert nur heute nicht mehr, da fast all diese Teams mittlerweile in der Oberliga spielen. Dadurch sinkt das Niveau in der Oberliga ab, die Regionalliga wird automatisch geschwächt. Was ist das bitte für eine Aktion, dass in der Vorsaison quasi jeder aufsteigen durfte, der nur einen Schläger in der Hand halten konnte? Respekt vor den Leuten, die diese Verantwortung übernehmen, aber die haben weder die sportliche Qualifikation noch die Struktur im Hintergrund, um Oberliga zu spielen. Mit welcher Berechtigung darf zum Beispiel ein Landesligist wie Krefeld plötzlich Oberliga spielen? Nur, weil oben nicht ausreichend Teams vorhanden sind? Oder man stelle sich vor, Neuwied hätte zugesagt und wäre auch in die Oberliga gegangen. Das heißt, du motivierst im März die Zuschauer unbedingt das Team zu unterstützen, damit man nicht absteigt, um gedanklich einen Tag später zu sagen: Glückwunsch, Oberliga! So kann es doch nicht sein. Natürlich kann es Fälle geben, in denen so was im Sinne des Eishockeys in Ordnung ist. Wie zum Beispiel in Kassel. Wenn einer 6.000 Zuschauer und eine gute Mannschaft hat, dann sollte man denen das nicht unnötig schwer machen. Ist zwar nicht ganz konsequent, aber es wäre eine verständliche Entscheidung. Das Problem zieht sich nun bis in die unteren Ligen wie die Regionalliga. Ich will damit ja keinem Verein persönlich auf den Schlips treten, aber die armen Aachener zum Beispiel: Die haben an einem Wochenende gegen Herne und gegen uns zweistellig verloren. Welcher Zuschauer geht denn dann in der kommenden Woche noch in Aachen zum Heimspiel? Und das gleiche gilt ja auch für unsere Zuschauer, die sich dann vor einem solchen Spiel sagen: Im Tatort weiß ich noch nicht, wer der Mörder ist. Aber hier weiß ich, die gewinnen das Ding. Vermutlich sogar zweistellig. Das heißt, selbst wir verlieren dadurch Zuschauer. Und das heißt, das ganze System hat uns nicht geholfen und hilft auch Teams wie Aachen oder den Kellerkindern in der Oberliga nicht. Man kann die ganze Struktur jetzt natürlich nicht wieder völlig über den Haufen werfen. Aber man muss sich jetzt Gedanken machen, wie ein langfristiges und tragfähiges Konzept aussehen könnte. Nur so, wie es jetzt ist, passt es einfach nicht.“

U21-Regelung
„Es kommt noch erschwerend hinzu, dass wir nur 15 Spieler einsetzen dürfen, die über 21 Jahre alt sind. Am Schreibtisch des Funktionärs klingt das bestimmt toll nach dem Motto wir wollen den Nachwuchs fördern. Man muss den Nachwuchs fördern, dazu stehe ich zu 100 Prozent. Aber in diesem Fall könnte ich ja hingehen, 15 gestandene Spieler und zudem die fünf besten DNL-Spieler aus Köln verpflichten. Das heißt, Köln hätte eine Menge in die Ausbildung dieser Spieler investiert und würde damit Neuwied am Leben halten. Kann es denn Sinn des Eishockeys sein, dass einer ausbildet, damit der andere überleben kann? Für mich ist das der falsche Ansatz. So kann ich mit einem guten Kontakt zu DNL-Vereinen leicht diese Regelung erfüllen. Ich bin aber dafür, dass der Verein Neuwied gezwungen wird, eigene Neuwieder Spieler auszubilden und einzusetzen. Nur: Wenn du junge Talente heranführst an die Regionalliga, dann fliegen sie nach maximal drei Jahren ja schon wieder raus, weil sie zu alt sind. So sieht es diese Regelung vor. Was aber ist mit einem Stephan Petry oder einem Andreas Halfmann, die in Neuwied das Eishockeyspielen gelernt haben? Die wurden doch von Neuwied im eigenen Nachwuchs ausgebildet. Warum ist das denn nichts mehr wert, nur weil er jetzt über 21 Jahre alt ist? Das wäre für mich ein Lösungsansatz, indem man sagt, der Spieler muss auch in deiner eigenen Jugend gespielt haben. Dass sind doch auch noch Neuwieder Jungs, wenn sie schon 40 Jahre alt sind. So könntest du die Vereine dazu motivieren, die eigene Jugendausbildung voranzutreiben. Auch bei der U21-Regelung gibt es ein einfaches Rechenbeispiel: Bei zehn Oberligisten und zehn Regionalligisten brauchst du, bei fünf U21-Spielern pro Team, im Westen 100 Spieler im Alter von 18, 19 oder 20 Jahren, die das jeweilige Format der Liga haben sollen. Wo bitte sollen die denn herkommen? Du treibst damit nur künstlich den Preis dieser Spieler in die Höhe, weil sie wissen, die brauchen mich doch ohnehin, um ihre Quote einzuhalten.“

Die Situation beim EHC Neuwied
„Neuwied ist ein Verein mit langer Tradition. Ein Name, den man kennt in Eishockey-Deutschland. Alleine schon aufgrund der zwei Meisterschaften zu Zweitligazeiten. Ziel muss es sein, dass man hier ganz gesund und für einen unabsehbar langen Zeitraum Oberliga spielt. Zweitligaeishockey wäre eher unrealistisch. Aber jeder sollte wissen, am Wochenende ist hier ein geiles Spiel in der Oberliga. Man trifft sich, hat Spaß am Eishockey. Das halte ich für realistisch. Doch wie wollen wir dahin kommen? Unser Vorsitzender Wolfgang Schneider hat sich ein Herz genommen und nach dem Fast-Abstieg in der vergangenen Saison gesagt: Das muss besser werden. Jetzt haben wir schon mal unser erstes Ziel erreicht: Wir stehen in der Aufstiegsrunde und können damit nicht mehr absteigen. Jetzt könnte man hingehen und mit allen Spielern sowie mit potenziellen Neuzugängen über die nächste Saison sprechen. In der jetzigen Phase könnte man schon die Weichen stellen für den neuen Kader, immer mit den Optionen Regionalliga oder aber Oberliga, falls man den Aufstieg sportlich und wirtschaftlich schafft. Aber was soll ich den Spielern jetzt sagen? Wir spielen vielleicht Oberliga, aber wir haben nur zwei Trainingseinheiten in der Woche um 21 Uhr? Wir spielen freitags immer auswärts, weil wir in der Halle kein Eis haben können an diesem Tag? Damit machen wir uns doch lächerlich. Fakt ist: Wir haben zu wenig Eis. Das gilt schon für die Vorbereitung, in der wir erst ab Oktober Eis in der Halle in Neuwied haben. Du brauchst aber, wenn du Oberliga spielen willst, mindestens ab September Eis und mindestens drei Trainingseinheiten in der Woche.
Das Problem belastet die Mannschaft auch jetzt in der Vorbereitung auf die Aufstiegsrunde. Wir haben rund um Weihnachten und den Jahreswechsel bis zum 7. Januar kein Eis in Neuwied. Unsere Trainingseinheiten in dieser Zeit wurden gestrichen, weil in den Ferien öffentlicher Lauf ist. Wie sollen wir das Team da bestmöglich auf die Aufstiegsrunde vorbereiten? Das passt einfach noch nicht. Ich habe natürlich Verständnis dafür, dass wir hier keine städtische Halle haben. Die Betreiber müssen auch wirtschaftlich denken. Aber wir sollten in Neuwied alle zusammen doch einen anderen Anspruch haben. Wenn wir von etwas mehr Eiszeit sprechen, dann sprechen wir noch lange nicht von einem Idealzustand. Aber ein Mindestmaß an Trainingsmöglichkeiten brauchen wir.“
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