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Nachricht vom 18.03.2013
Region
Pro Rheintal fordert: Handeln statt reden
Bevor sich am kommenden Dienstag in Boppard die Spitzen von Bahn, Bund, Ländern und Initiativen zur Beiratstagung treffen, findet auf Einladung von Pro Rheintal am Samstag ein Strategiemeeting des Aktionsbündnisses Verkehrslärm statt. An dem Treffen in der Stadthalle Boppard nehmen Vertreter der Flug- und Bahnlärminitiativen aus ganz Deutschland teil, um Maßnahmen und Aktionen zur Bundestagswahl zu beschließen.
Das Rheintal braucht ein aktives Lärmschutzprogramm, wenn die Menschen, aber auch Wirtschaft und Tourismus nicht auf der Strecke bleiben sollen. Messungen bestätigen, dass der Bahnlärm die von der WHO vorgeschlagenen maximalen Dauerschallpegel um bis zu 40 dB(A) übersteigt.Region. Zu den Teilnehmern gehört auch der Umweltepidemiologe Prof. Dr. med. Eberhard Greiser, einer der führenden Wissenschaftler in der Lärmwirkungsforschung, der bereits mehrere epidemiologische Studien durchgeführt hat, in denen er den Zusammenhang zwischen Verkehrslärm und damit verbunden Gesundheitsrisiken untersuchte.

Der Nachweis, dass Schall zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt, gilt als erbracht und ist wissenschaftlicher Konsens. Dennoch weigern sich die Gerichte nach wie vor, so der Pro-Rheintal-Vorsitzende Frank Gross, den Menschen einen Anspruch auf Schutz vor Lärm zu gewähren, weil dieser Anspruch nicht im Gesetz manifestiert sei. Das Problem dabei: Das Gesetz ist veraltet und beruht auf einem seit Jahrzehnten überholten Stand des Wissens und der Technik. Die gesetzgeberische Abstinenz in Sachen Lärm, die bisher verhindert hat, dass eine wirkungslose Gesetzgebung endlich abgelöst würde, sei wohl auf vermeintlich finanzielle Vorteile zurückzuführen. Dabei könne jeder Volkswirt schon im ersten Semester erkennen, dass durch „gesparten Lärmschutz“ kein wirtschaftlicher Nutzen zu erwarten ist, wenn das Volk dadurch krank werde. Die Kosten, die Lärm jährlich verursache, seien weitaus höher als die Kosten, die für effektiven Lärmschutz einmalig aufzubringen seien.

Die Initiativen sehen daher überhaupt keine anderen Möglichkeiten, als gnadenlos über die Dummheit oder das Unrecht, mit dem hier nicht gehandelt wird, aufzuklären. Frank Gross: „Nach wie vor windet sich die Politik wie ein Kaninchen vor der Schlange, wenn es um ernsthafte Entscheidungen in Sachen Bahnlärm geht, das heißt Entscheidungen, die mit Kosten verbunden sind. Reden ja, handeln nein ist die Devise, mit der die Politik den Anschein zu erwecken sucht, auf die Belange der Bürger einzugehen.“ Bei der Rettung von Banken sei man sich da oft am nächsten Tag schon einig. Mit Blick auf die Bundestagswahl sollen daher jetzt die Bürgerinnen und Bürger in allen Landesteilen über dieses Fehlverhalten informiert werden. Parteien und Abgeordnete wurden aufgefordert, anhand eines Fragebogens schriftlich ihr Wahlversprechen in Sachen Lärmbekämpfung an das Aktionsbündnis abzugeben – oder eben auch nicht. Über das Ergebnis der Befragung werden die Initiativen in der Presse und den Online-Medien umfassend informieren, um so den betroffenen Menschen eine Entscheidungsgrundlage für die Bundestagswahl an die Hand zu geben.

In den letzten Wochen und Monaten hat sich Pro Rheintal mit umfassender Grundlagenarbeit und Untersuchungen zum Thema Schall beschäftigt und dessen Auswirkungen sowie mögliche Schutzmaßnahmen unter die Lupe genommen. Inzwischen muss man davon ausgehen, dass die tatsächlichen Wirkungen des Schalls nur unzureichend bekannt sind. Die Schnelligkeit der Schallteilchen, der Schalldruck und die Schallintensität haben weit größeren Einfluss auf Körper und Psyche des Menschen, als dies bisher registriert wurde. So könnten bereits durch bloßen Luftschall Gläser im Schrank zerbersten oder Risse in Wänden entstehen.

Solchen Auswirkungen seien die Schallschutzwände und -fenster, wie sie von der Bahn bisher angeboten wurden, nicht gewachsen und zahlreiche Anwohner bemängelten, dass die Situation nach der Einrichtung von Schallschutzwänden oder dem Einbau von speziellen Fenstern schlimmer sei als zuvor. Der Grund: Für die tiefen Schallfrequenzen mit Wellenlängen bis zu 17 Metern gibt es keine Hindernisse, um nicht in Häuser einzudringen und dort in Form von stehenden Wellen oder Sekundärschall für äußerst unangenehme Luftdruckverhältnisse zu sorgen. Manche Menschen müssten sogar die Schallschutzfenster öffnen, um einen Druckausgleich zu finden und das beklemmende Gefühl los zu werden.

Täglich kämen Menschen mit solchen zunächst unerklärlichen Phänomenen und Beobachtungen auf Pro Rheintal zu. Frank Gross verwies auf neue Forschungsergebnisse, die zeigten, dass Schall nicht nur über das Gehör, sondern über jeden einzelnen Knochen und jedes Organ des menschlichen Körpers wahrgenommen werden kann. Dabei sorgten Resonanzen für abnorme Gefühlseindrücke mit unabsehbaren gesundheitlichen Folgen. Entsprechend dramatisch sei die Tatsache, dass selbst bei gewolltem Lärmschutz bisher nur unzureichende Mittel zur Verfügung stünden, um die Menschen vor Schall zu schützen.

Deshalb sollen beim bevorstehenden Strategietreffen am 23. März 2013 in Boppard zum einen die unzureichende rechtliche Situation und zum andern die fehlenden Mittel, um Schall wirksam zu verhindern oder zu begrenzen, besprochen werden.

Das Aktionsbündnis will darüber hinaus beraten, wie auf die Politik eingewirkt werden kann, damit die notwendigen Ressourcen und Mittel für ein aktives Lärmschutzprogramm nach der Bundestagswahl zur Verfügung stehen und bundesweit umgesetzt werden können. Frank Gross dazu: „Grenzenloses Wachstum gibt es nur in der Scheinwelt der Finanzmärkte, die im Moment die Völker und Volkswirtschaften mit Hilfe korrupter Politiker ausplündern. Realwirtschaftlich gibt es kein Wachstum, wenn die Menschen dabei auf der Strecke blieben, weil sie nicht mehr schlafen oder nicht mehr atmen könnten – das müssen selbst die Chinesen lernen. Wir brauchen heute eine nachhaltige Industrie, die in der Lage ist, die Vorzüge dieser Welt nicht nur zu erhalten, sondern auch die verursachten Schäden wieder zu korrigieren.“

Das sei hier am Rhein mit dem Rhein selbst beispielhaft gelungen. Neue Technologien und neue Arbeitsplätze könnten so geschaffen werden, Luft und Wasser würden sauberer und die Umgebung leiser. Der Masterplan am Rhein habe die klare Botschaft „Bahnlärm reduzieren“ hervorgebracht – worauf will man also jetzt noch warten? Deshalb: endlich handeln statt reden!
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