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Nachricht vom 30.03.2014
Region
Ein Verbund von Lebensrettern
Seit 20 Jahren gibt es das System der Leitenden Notärzte und Organisatorischen Leiter im Landkreis Neuwied. Auslöser für das ausgeklügelte System von Helfern und Hilfe in Not- und Katastrophenfällen war die Flugzeugkatastrophe von Ramstein. In Großmaischeid feierten die heutigen Beteiligten die seit zwei Jahrzehnte bestehende Hilfsorganisation.
Seit 20 Jahren gibt es das System der Leitenden Notärzte und Organisatorischen Leiter im Kreis Neuwied. Bei einer Feier im Pfarrgemeindehaus in Großmaischeid wurden ihre Leistungen gewürdigt. Foto: Holger KernDie stets gestiegene Anzahl schwerer Unfälle mit zahlreichen Verletzten hatte in den neunziger Jahren zu der Erkenntnis geführt, dass die Effektivität der Hilfeleistungseinrichtungen verbessert werden musste. In einem hochindustrialisierten Land wie der Bundesrepublik wurde es immer wichtiger, ein entsprechendes Hilfsinstrumentarium zu schaffen, welches die Lücke zwischen Auslastung der Rettungsdienstkapazität und noch nicht überschrittener Katastrophenschwelle schnell und wirkungsvoll schließen könnte.

Auch die soziale und seelische Betreuung unverletzter Personen und weitergehender Maßnahmen – Verpflegung, vorübergehende Unterbringung – muss durch gezielten Einsatz von Helfern sichergestellt werden, damit auch diese Personen - oft weitab vom Heimatort - eine erste Betreuung und Versorgung erfahren. Um diese Personen kann sich der Rettungsdienst nicht kümmern, weil er eine andere vordringlichere Aufgabe - die Erhaltung der Vitalfunktionen Betroffener - hat.

Viele Vorbereitungen waren in jahrelanger Arbeit zu treffen, bis die rechtlichen Voraussetzungen für ein neues Konzept geschaffen waren, ein Konzept, das die Vorhaltung von einer Leitenden Notarztgruppe und einer Schnelleinsatzgruppe mit eine Gruppe Organisatorischer Leiter vorsah.

Start der Gruppe „Leitende Notärzte“ (LNA) im Landkreis Neuwied
Am 18. Mai 1994 war es dann soweit: Dr. med. Manfred G. Buß, Leitender Arzt der Anästhesiologie und Intensivmedizin im Evangelischen und Johanniter-Krankenhaus Dierdorf, Dr. med. Fran. G. Mathers, Chefarzt der Abteilung Anästhesiologie im Franziskus-Krankenhaus Linz und Dr. med. Nabil Abu-Laila, Oberarzt der Anästhesie- und Intensivabteilung im DRK-Krankenhaus Neuwied erhielten von Landrat Kaul ihre Urkunden als Leitende Notärzte (LNA).

Noch im gleichen Jahr, und zwar am 27. Oktober 1994, wurde zusätzlich Ursula Kretschmer, heute Saatweber, von Landrat Kaul als Leitende Notärztin berufen. Sie übernahm kurze Zeit später auch die Leitung der Gruppe „LNA“.

Jedes Mitglied der Gruppe wurde mit einem Dienstausweis, einer Schutzkleidung (Rettungsjacke, Overall, Feuerwehrhelm, Arbeitshandschuhe und Schutzstiefel), einem Funkmeldeempfänger bzw. Cityruf und einem Handsprechfunkgerät (2 m Band) ausgestattet. Ein blinkendes Dachschild mit der Aufschrift „Leitender Notarzt“ vervollständigte die Ausrüstung.

Qualifikation der Leitenden Notärzte
Der Leitende Notarzt (LNA) muss umfassende Kenntnisse in der Notfallmedizin besitzen und regelmäßig am Rettungsdienst teilnehmen. Insbesondere muss er
• den Fachkundenachweis „Rettungsdienst“,
• die spezielle Fortbildung nach den Richtlinien der Bundesärztekammer „Kurs leitender Notärzte“ besitzen,
• über Detailkenntnisse der regionalen Infrastruktur des Rettungs- und Gesundheitswesens im Landkreis Neuwied verfügen,
• eine Gebietsanerkennung eines Gebietes mit Tätigkeit in der Intensivmedizin besitzen.
• Der LNA ist verpflichtet, sich in Fachfragen seines Aufgabengebietes fortzubilden.

Einsatzkriterien
Der LNA wird eingesetzt:
• bei Unfällen mit mehr als zwei eingesetzten Notärzten und Überschreiten der Sofortkapazität des Rettungsdienstes
• bei Schadenereignissen mit vermutlich mehreren Verletzten
• bei Explosionen und Chemieunfällen
• bei Unfällen, bei denen mit einer längeren oder schwierigen Rettung zu rechnen ist
• bei sonstigen Großschadenslagen
• als Mitglied der Einsatzleitung auf Anforderung des Einsatzleiters bzw. seines Beauftragten.

Aufgaben des Leitenden Notarztes
Der Leitende Notarzt übernimmt Leitungsaufgaben im medizinischen Bereich.
Er hat alle medizinischen Maßnahmen am Schadensort zu leiten, zu koordinieren und zu überwachen.
Insbesondere
• übernimmt er die Feststellung des Ausmaßes des Schadens, Beurteilung der Lage und legt den Schwerpunkt und die Art des medizinischen Einsatzes fest (Sichtung, medizinische Versorgung und Transport).
• berät er den Gesamteinsatzleiter in medizinischen Fragen.
• bestimmt er die Versorgung der Verletzten am Schadensort.
• bestimmt er den Abtransport und die Verteilung von Verletzten auf Krankenhäuser in Zusammenarbeit mit den vor Ort tätigen Notärzten und der Rettungsleitstelle
• berät er die Einsatzleitung –auch präventiv- bei Großveranstaltungen und besonderen Ereignissen (z.B.: Geiselnahme).
Der Leitende Notarzt ist gegenüber Ärzten, Sanitäts- und Hilfepersonal am Schadensort fachlich weisungsbefugt.

Start der Schnelleinsatzgruppe (SEG) und der Gruppe „Organisatorischer Leiter“ (OL)
Eine Woche später wurde dann die Schnelleinsatzgruppe in Dienst gestellt. Eine 32-köpfige Gruppe – bestehend aus Mitgliedern des Deutschen Roten Kreuzes, des Malteser Hilfsdienstes und der Johanniter Unfallhilfe – übernahm unter der Gesamtleitung des DRK damit die Aufgabe, im Rahmen des Sanitätsdienstes die Rettung von Menschen bei Großschadensfällen zu verbessern.

Auslöser für die Gründung von SEG-Einheiten war unter anderem die Großschadenslage beim Flugzeugabsturz während des Flugtages in Rammstein.

Aufgrund der damals zur Verfügung stehenden neun Krankentransportwagen war die SEG in der Lage, insgesamt bis zu 15 Verletzte zusätzlich zum übrigen Rettungsdienst in die entsprechenden Versorgungseinrichtungen zu transportieren. Darüber hinaus wurde der SEG ein sogenannter Arzttruppwagen übergeben, der mit zusätzlichen medizinischen Geräten ausgestattet war

Für die Ausstattung der SEG wurden zum damaligen Zeitpunkt vom Landkreis Neuwied insgesamt 125.000 DM aufgewendet.

Gleichzeitig wurde vier besonders qualifizierte Mitarbeiter des DRK mit Urkunde zum Organisatorischen Leiter (OL) ernannt. Es handelte sich dabei um Ralf Schnorrenberg, Mike Fier, Jürgen Kraus und Stephan Schmidt.

Einsatzkriterien Organisatorische Leiter
Der OrgL wird eingesetzt:
• wenn die Leistungsgrenzen des Rettungsdienstes überschritten sind
• bei Schadensereignissen mit vermutlich einer größeren Anzahl von Verletzten
• bei Schadensereignissen, bei denen eine größere Anzahl von Verletzten und auch Unverletzten der Betreuung bedürfen
• bei sonstigen Großschadensfällen
• bei der Einrichtung von Sanitätswachen bei Großereignissen auf Weisung der Einsatzleitung.

Der Organisatorische Leiter wird entsprechend den Einsatzkriterien des Leitenden Notarztes (LNA) eingesetzt.

Aufgaben des Organisatorischen Leiters
Der Organisatorische Leiter
• unterstützt den Leitenden Notarzt
• verschafft sich einen Überblick über die Gesamtsituation
• setzt zutreffende Maßnahmen um
• führt und kontrolliert alle Maßnahmen der SEG sowie des gesamten Sanitätspersonals
• stellt Verbindung her mit der Rettungsleitstelle und allen anderen Einsatzkräften sowie mit anderen Führungsstellen und hält diese
• organisiert Rückführung der Einsatzkräfte, der Fahrzeuge und des Materials
• leitet Registrierunterlagen zur Einsatzleitung
• fertigt Abschlußberichte.

Entwicklung in den folgenden Jahren und heutiger Stand
Von den Leitenden Notärzten der ersten Stunde ist heute niemand mehr im Dienst der Gruppe. Dr. med. Buß und Dr. med. Mathers wurden in Krankenhäuser in anderen Landkreisen versetzt, Dr. med. Abu-Leila verstarb am 23. Dezember 2003.

Von den Leitenden Notärzten des ersten Jahres versah Ursula Saatweber bis zum Ende des Jahres 2013 ihren Dienst als Leitende Notärztin und Sprecherin der Gruppe. Als Sprecherin folgte ihr nach ihrem Ausscheiden Dr. Hildegard Meuser.

Nachstehend ein Überblick über alle Leitenden Notärzte seit Mai 1994 in zeitlicher Reihenfolge ihrer Berufung.
Name Beschäftigungsstelle Beginn Ende
Dr. Nabil Abu-Laila DRK-Krankenhaus Neuwied 18.05.1994 + 23.12.2003
Dr. Manfred Günther Buß Ev. u. Johanniter Krankenhaus Dierdorf 18.05.1994 30.09.1998
Dr. Frank Mathers Franziskus-Krankenhaus Linz 18.05.1994 27.10.1998
Ursula Saatweber Elisabeth-Krankenhaus Neuwied 27.10.1994 11.10.2013
Dr. Markus Hillen DRK-Krankenhaus Neuwied 02.09.1997 + 02.08.09
Dr. Hildegard Meuser Eigene Praxis 03.03.1999
Dr. Peter Mesletzky Franziskus-Krankenhaus Linz 17.05.1999 Jan. 2002
Michael Walter Brausch Elisabeth-Krankenhaus Neuwied 14.07.2003
Alwin Markus Bulla Herz-Jesu-Krankenhaus Dernbach 01.09.2004 01.04.2011
Dr. (Dz) Azzedine Besbas Kamillusklinik Asbach 16.10.2004 30.09.2012
Dr. Michael Leischner CURA Klinikum Bad Honnef 22.06.2010
Dr. Mitsuru Makinose DRK Krankenhaus Neuwied 17.07.2013
Dr. Oliver Schön CURA Klinikum Bad Honnef 17.07.2013

Organisatorische Leiter
Von den vier Mitgliedern der ersten Stunde sind heute noch zwei dabei. Sprecher der Gruppe „Organisatorische Leiter“ war zu Beginn Ralf Schnorrenberg. Ihm folgte bis 2012 Mike Fier und danach wurde der Stab an Frank Freymann übergeben.

Nachstehend ein Überblick über alle Organisatorischen Leiter seit Mai 1994 (in zeitlicher Reihenfolge ihrer Berufung):
Name Beschäftigungsstelle Beginn
Ralf Schnorrenberg Rettungsdienst GmbH Montabaur 25.05.1994 31.10.2008
Mike Fier Bundesamt f. Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe 25.05.1994
Jürgen Kraus Catering Service Spindelböck 25.05.1994
Stephan Schmidt Rettungswache Dierdorf 25.05.1994
Rüdiger Kablitz Rettungsleitstelle Montabaur 22.12.1999 20.10.2008
Frank Freymann Rettungswache Neuwied 12.11.2008
Michael Leimpeters Rettungswache Neuwied 12.11.2008

Die Gruppen der Leitenden Notärzte und Organisatorischen Leiter bestehen derzeit aus jeweils fünf Personen.

Schnelleinsatzgruppe
Die Schnelleinsatzgruppe (SEG) ist von seinerzeit 32 Mitgliedern auf mittlerweile fast 90 Helfer angewachsen.

Sie besteht heute nur noch aus Helfern des Deutschen Roten Kreuzes und des Malteser Hilfsdienstes. Die Johanniter Unfallhilfe ist im Landkreis Neuwied nicht mehr ehrenamtlich aktiv.

Alle Helfer wurden 2001 mit neuer Einsatzkleidung (Jacke, Rückenschild, Warnweste, Namensschild, Hose, Koppel Helme, Winterpullover, Arbeitshandschuhe und Sicherheitsstiefel) ausgerüstet. Die Übergabe erfolgte am 2. August 2001.

Der bei der Aufstellung der Gruppe in Betrieb genommene Arzttruppwagen wurde durch ein neues Materialträgerfahrzeug ersetzt, das am 20. Januar 2004 durch Landrat Kaul seiner Bestimmung übergeben werden konnte.

Im letzten Jahr wurde dem Landkreis Neuwied ein Gerätewagen-Sanität (GW-San) vom Bund zur Verfügung gestellt. Dieser wurde an den Medizinischen Hilfsdienst (MHD) übergeben.

Für dieses Jahr ist die Ausschreibung von zwei GW-San 0,5 als Ersatz für die noch vorhandenen Arzttruppwagen für das DRK geplant. Die Planungen laufen bereits über den DRK Kreisverband Neuwied.

Einsätze
In den vergangenen 20 Jahren wurden Mitglieder der vorgenannten Gruppen zu insgesamt 138 Einsatzstellen gerufen, also im Durchschnitt sieben Mal im Jahr.

Hinter den nüchternen Zahlen verbergen sich viele Einzelschicksale und oft sehr großes persönliches Leid. Manche schlimmen Ereignisse konnten durch den Einsatz der Leitenden Notärzte, der Organisatorischen Leiter und der Helfer der Schnelleinsatzgruppe in vielfältiger Weise positiv beeinflusst werden, manches weitere Leid konnte verhindert werden.

Alle Helfer dieser drei Gruppen verrichten ihren Dienst ehrenamtlich. Die Leitenden Notärzte und die Organisatorischen Leiter erhalten für ihre Auslagen lediglich eine Aufwandsentschädigung.


Neue Bekleidung für die Leitenden Notärzte und die Organisatorischen Leiter
Alle Leitenden Notärzte und Organisatorischen Leiter erhielten bei ihrer Berufung einen Satz Schutzkleidung. Damit sind sie für den Einsatz am Schadensort gut gerüstet. Für die Teilnahme an Veranstaltungen, Schulungen usw. fehlte jedoch bisher noch die passende „Ausgeh-Bekleidung“.

Diese Lücke konnte mit der Übergabe der neuen Bekleidungsausrüstung (bestehend aus dunkelblauer Jacke und Hose sowie grauem Sweatshirt und Polohemd) 2005 geschlossen werden.

Die Leitenden Notärzte und die Organisatorischen Leiter erhalten in diesem Jahr neue Überjacken und Überhosen. Die bisherige Bekleidung entspricht nicht mehr der geltenden Norm hinsichtlich der Warnfunktion bei Einsätzen. Die Bestellung ist bereits erfolgt.
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