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Nachricht vom 23.07.2014
Kultur
Erinnerung an Else Missong-Peerenboom
2014 jährte sich das gescheiterte Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 zum 70. Mal. Aus diesem Anlass erinnert die Stadt Linz am Rhein an ihre bekannteste Politikerin, die überzeugte Demokratin und tief im Verbandskatholizismus verankerte Dr. Else Missong-Peerenboom, die nach dem Umsturzversuch für einige Tage im Gefängnis war.
Else Peerenboom (Foto: Archiv Jahn-Marx)Linz. Else Peerenboom wurde am 13. Oktober 1893 im sächsischen Brauna als Tochter des Oberförsters Johann Alexander Peerenboom und der aus Linz stammenden Maria Dillmann geboren. Nach dem frühen Tod des Vaters 1898 kehrten Mutter und Tochter nach Linz zurück und lebten fortan im Elternhaus Maria Dillmanns „In den Heiligen Drei Königen“ am Halborn. Nach dem Besuch der höheren Töchterschule der Franziskanerinnen in Linz und der Klosterschule im holländischen Blumenthal/Vaals legte Else 1912 das Examen in Englisch und Französisch ab und war anschließend für einige Zeit in Linz als Aushilfslehrerin bei den Franziskanerinnen tätig.

Nach dem Abitur in Münster schrieb sie sich 1917 an der Universität Bonn ein und nahm ein Studium der Neuen Sprachen und der Nationalökonomie auf, das sie nach Stationen in München und Freiburg 1921 mit der Promotion abschloss. Anschließend war sie in Freiburg für den Deutschen Caritasverband tätig, zunächst bis 1925 als Referentin, bis 1927 dann als Leiterin der Sozialen Frauenschule. Nach kurzer Tätigkeit für den Volksverein für das katholische Deutschland und die Bezirksregierung Münster wurde Else Peerenboom schließlich Ende 1929 Referentin für Politische Bildung beim Zentralverband katholischer Frauen- und Müttervereine Deutschlands in Düsseldorf.

Schon früh kam sie in Kontakt mit der Zentrumspartei, wohl auch durch die Verwandtschaft mit dem zweimaligen Reichskanzler Wilhelm Marx, der großen Einfluss auf ihre berufliche und politische Laufbahn hatte. Else Peerenboom wurde Mitglied des Zentrums und zwischen 1930 und 1933 viermal in den Reichstag gewählt, 1932/33 als Abgeordnete für den Wahlkreis Koblenz-Trier. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten, die Verabschiedung des Ermächtigungsgesetzes und schließlich die Selbstauflösung der Zentrumspartei am 5. Juli 1933 beendeten zunächst die berufliche und politische Tätigkeit Else Peerenbooms in Deutschland. Sie engagierte sich fortan in Südamerika, wo sie für den internationalen katholischen Sozialverband UCISS tätig war und unter anderem eine Soziale Frauenschule in Montevideo gründete und leitete. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs im September 1939 wurden Else Peerenboom Reisen nach Übersee verboten, und sie war gezwungen, sich ins Privatleben nach Linz zurückzuziehen, wo sie 1935 für sich ein Wohnhaus an der Kaiserbergstraße hatte bauen lassen (heute Mittellöh, im März 1945 durch Bombenabwurf zerstört).

1941 heiratete Else Peerenboom den Ruheständler Anton Missong und lebte mit ihm für einige Jahre in Königsberg. Zurück in Linz wurde sie im Zuge der „Aktion Gewitter“, der reichsweiten Verhaftungswelle nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944, inhaftiert und für einige Tage im Linzer Gefängnis am Amtsgericht festgehalten. Als ehemaliges Mitglied einer demokratischen Partei und Gegnerin des NS-Regimes – unter anderem hatte sie sich 1933 in Rom persönlich gegenüber Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli, dem späteren Papst Pius XII., gegen das Konkordat zwischen Heiligem Stuhl und Deutschem Reich ausgesprochen – stand sie unter ständiger Beobachtung durch die Gestapo.

Nach dem Krieg engagierte sich Else Missong-Peerenboom, wie sie sich seit ihrer Hochzeit selbst nannte (offiziell trug sie nur den Nachnamen ihres Mannes), unter anderem zusammen mit Franz-Josef Wuermeling - 1945 für einige Monate Bürgermeister von Linz und später Bundesminister - beim Aufbau der CDU als christlicher, jetzt aber überkonfessioneller Nachfolgepartei für das katholische Zentrum. In Linz konstituierte sich die CDU, die zunächst noch als CDP (Christlich Demokratische Partei) firmierte, im August 1946. Wenige Wochen später wurde Else Missong-Peerenboom in den ersten Linzer Stadtrat und den ersten Kreistag der Nachkriegszeit gewählt. Ebenfalls 1946 wurde sie Mitglied der Beratenden Landesversammlung des Landes Rheinland-Pfalz zur Ausarbeitung einer Landesverfassung, musste ihr Mandat aber nach kritischen Äußerung gegenüber der französischen Besatzungsmacht auf Druck der Partei bereits um den Jahreswechsel 1946/47 niederlegen und trat enttäuscht und verbittert aus der CDP/CDU aus.

Nach dem Ausscheiden aus der aktiven Politik ging Else Missong-Peerenboom erneut nach Südamerika, wo sie die Katholische Soziale Frauenschule in Caracas gründete und leitete. Ab 1951 war sie als Referentin unter anderem. in Bremen und an der Deutschen Botschaft in Rio de Janeiro tätig. 1954 kehrte sie aus gesundheitlichen Gründen endgültig nach Linz zurück. Am 31. August 1958 starb Else Peerenboom-Missong in Köln an den Folgen eines Herzinfarktes. Sie wurde unter großer Anteilnahme aus Politik und Bevölkerung auf dem alten Friedhof in Linz beigesetzt. Ein 2008 von der Stiftung Stadtsparkasse der Stadt Linz am Rhein herausgegebenes Buch von Hermann-Joseph Löhr erinnert an die überzeugte Demokratin und engagierte Katholikin. Andrea Rönz, Stadtarchiv Linz
     
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