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Nachricht vom 09.11.2014
Kultur
Buch - Willy Brandt „Mit anderen Augen“ vorgestellt
Als Bürgermeister von West-Berlin, Vize- und dann Bundeskanzler stand Willy Brandt vor den Herausforderungen des Kalten Krieges. Einen persönlichen Einblick in die wichtigsten politischen Momente Willy Brandts gab sein ältester Sohn und Schriftsteller bei einer Lesung im Unkeler Rheinhotel Schulz.
Dr. Peter Brandt. Fotos: Simone SchwambornUnkel. Der Tagungsraum des Hotels war bis auf den letzten Platz ausgebucht, als Dr. Peter Brandt und Christoph Charlier, Vorsitzender der Bürgerstiftung Unkel Willy-Brandt-Forum, die „Bühne“ betraten. Aus Anlass des 25. Jahrestages des Mauerfalls hat die Bürgerstiftung den Berliner Fachhistoriker am Sonntag, 9. November, eingeladen, um sein Buch „Mit anderen Augen“ vorzustellen.

Charlier begrüßte die zahlreichen Gäste, darunter Brigitte Seebacher-Brandt, Wolfgang Clement, ehemaliger SPD-Vorstandssprecher und späterer Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen sowie Landrat Rainer Kaul. „Heute vor 25 Jahren fiel die Berliner Mauer. Am nächsten Tag war Willy Brandt zur Stelle und sprach die berühmten Sätze: Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört.“

Nach den Grußworten spannte der Berliner Schriftsteller einen Bogen von dem politischen Engagement des noch jungen Willy Brandts in Norwegen über die Reaktionen des West-Berliner Regierenden Bürgermeisters auf dem Mauerbau bis hin zum Rücktritt des Bundeskanzlers und schließlich den Besuch Brandts am 10. November 1989 vor dem Brandenburger Tor. So gab es etwa „im Sommer 1962 starke Truppenbewegungen auf der Ostseite. Der Flüchtlingsstrom war gestoppt, aber in Berlin wusste man nicht, ob die DDR-Bevölkerung mit den Truppenbewegungen eingeschüchtert werden sollte oder die Sowjets weitaus mehr planten. Da sagte mein Vater zu mir: Es kann sein, dass ich für lange Zeit nicht nach Hause komme und dann bist Du der Mann im Haus. Die Eindringlichkeit der Worte spürte ich trotz meines jungen Alters“.

Im Bezug auf die Ost-West-Politik erzählte Dr. Peter Brandt: „Egon Bahr, engster politischer Vertrauter meines Vaters, meinte einmal, Brandt war am stärksten, wenn er mit dem Rücken zur Wand stand. Willy Brandt war wütend, weil die Alliierten beim Bau der Mauer zuschauten. Er wusste, wenn man die Mauer nicht verschwinden lassen kann, dann muss man sie durchlässiger machen, die Lage der Menschen erträglicher machen“. Brandts Augenmerk habe fortan auf der Ostpolitik und den Entspannungsprozessen gelegen. „In den 80er Jahren wuchs in ihm der Zweifel, ob er die deutsche Einheit noch erleben werde. Willy Brandt hat die Deutsche Einheit als Option niemals aufgegeben. Die Selbstbestimmung war ihm ein Anliegen. Deshalb vertrat er die Meinung, die Menschen über eine neue Verfassung abstimmen zu lassen und nicht nur den Osten an den Westen anzubinden.“

Dank seiner persönlichen Erinnerungen und den Blick eines geschulten Historikers gelang dem Schriftsteller die Doppelperspektive, um ein lebensnahes Porträt des Vaters und Politikers zu zeichnen. Simone Schwamborn
 
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