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Nachricht vom 26.01.2015
Kultur
Finanzkrise zum Totlachen
Der Finanzkabarettist Chin Meyer gastierte am Sonntagabend, 25. Januar, mit seinem Programm „Reichmacher – Reibach sich wer kann“ auf der Waldbreitbacher Kleinkunstbühne im Hotel „Zur Post“. Mit einem Feuerwerk an brillanten Ideen zur Lösung aller Finanzprobleme und grandioser Stand-up Comedy verblüffte und amüsierte der Künstler das Publikum im ausverkauften Saal.
Finanzkabarettist Chin Meyer brillierte im Rittersaal in Waldbreitbach. Fotos: Wolfgang TischlerWaldbreitbach. Der Finanzexperte Chin Meyer weist eine ganz andere Vita auf, als man bei dem „schwierigen Thema Finanzen“ erwartet: Er war Taxifahrer, DJ, Koch, Masseur, Heilpraktiker und Butler, studierte nebenher am Lee Strasberg Institute in London Schauspiel und begann eine kurze Karriere als Musical Sänger. Eine Zeitlang lebte er erfolgreich vom Roulette-Spiel und tourte mit einer Straßentheaternummer durch Europa. Nun ist er als brotloser Künstler mit „Finanzkabarett“ unterwegs.

Anstelle des noch nicht eingetroffenen Finanzexperten kam zunächst Steuerfahnder Siegmund von Treiber auf die Bühne. Im Publikum begrüßte er mit Handschlag einige „alte Bekannte“, denen das Formular „Selbstanzeige“ vertraut sei.

Das Gejammere der Deutschen lehnte er drastisch ab, denn Deutschland werde nicht ärmer. Letztes Jahr wurde das Land durch Neuberechnung an nur einem Tag um drei Prozent reicher! Sehr anschaulich erläuterte der Fachmann, wie durch Steuerfahnder die kombinierte Wählerschaft von AfD und FDP im Knast landen könnte. Ganz logisch war auch der Schluss, dass Kippen als Restguthaben und Nichtraucher als Steuerhinterzieher anzusehen seien.

Hauptredner Chin Meyer erschien und analysierte wortgewandt, scharfsinnig und in atemberaubendem Tempo „Reichmacher“ wie Begeisterung, Kontakt, Vertrauen oder richtige Berufswahl. Dabei bezog er das Publikum in die Überlegungen ein. Beeindruckend war Meyers Fähigkeit, sich sehr schnell Namen und Wohnorte zu merken und diese immer wieder in das Programm einzubauen. Nebenbei kreierte er geniale Begriffe wie Taliban-Bambi, open air adventure lifestyle für Obdachlosigkeit und stellte mit Hilfe der Statistik die These auf, dass ein Gang durch Bagdad wesentlich sicherer sei als der Gang zum Altar.

Der Experte Mr. Jack mit Kappe und deutlich amerikanischem Akzent löste Meyer ab um zu erklären: „Everything is economy“.

Chin Meyer dröselte anschließend erneut die Reichmacher auf, empfahl als Highway zum großen Geld das Erben und gab die Empfehlung „Heiraten Sie einen Dorfbeamten, der selbständig Kaffee kocht“. Dann überraschte er mit kraftvollem Gesang und dem „Original, das Tina Turner singen wollte: Private Banker.“

Als Steuerfahnder von Treiber entlarvte der Kabarettist die „Armmacher“, an erster Stelle das Finanzamt. Die multiple Wandlungsfähigkeit und blitzschnelle Improvisationsfähigkeit des Künstlers hielt die Zuschauer in Spannung. Zwischen aufmerksamem Zuhören und heftigem Lachen hin und her geschüttelt, hatten sich die Zuhörer die Pause verdient, sie wurden jedoch mit der Aufgabe betraut, persönliche Reichmacher auf Karten zu notieren.

Die gewagte These, der deutsche Schlager wisse mehr über Wirtschaft als wir, belegte Meyer mit geschulter Tenor-Stimme und einem beziehungsreichen Medley, während von Treiber ein Lied aus dem Finanzamtszyklus zum Besten gab: „I get by with a little help from my friends“.

Meyer belegte stringent, dass Daten verloren gehen, gerade in männlichen Gehirnen und wir deshalb mehr Überwachung brauchen. Außerdem sei die Finanzblase geplatzt, weil das Finanzprodukt nicht ausreichend strukturiert war. Die ultimative Lösung des Finanzkabarettisten lautete, dass in jedem Reichmacher auch ein Armmacher lauere. Deshalb forderte er das Publikum auf, mit zu singen „Wir wollten nie die Krise, wollten bloß die Kohle, Reibach und Gejohle.“

Da Chin Meyer Waldbreitbach eine Opernarie widmen wollte, fragte er, was in dem Ort dramatisch sei. Aus den teilweise schon kabarettistischen Publikumsantworten improvisierte er die eindrucksvolle Arie „Sonja will noch mal nach New York“ aus der Oper „Waldbreitbach, deine flache Wied“. Sonja aus Müschenbach hat als Heroin der Oper nun ein Audio-Unikat dieses Kunstwerks. Sie und die übrigen Besucher waren am Ende der Überzeugung, dass der Veranstaltung das Prädikat „besonders sehenswert“ gebührte. Helmi Tischler-Venter
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