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Nachricht vom 01.08.2015 |
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Kultur |
Comedy-Feuerwerk in Niederbieber |
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Die Veranstaltung ist kein Geheimtipp mehr: Am Sonntagabend, 2. August waren die Plätze wieder ausverkauft beim neunten Bühnenprogramm „Comedy goes to Niederbieber“ der Burschen in Zusammenarbeit mit der Gaststätte Central. |
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Niederbieber. In gewohnt lockerer Manier moderierte der „Hüffelsheimer Jung“, Matthias Jung den unterhaltsamen Abend, indem er immer wieder Familienerlebnisse zum Besten gab. Da er immer noch bei den Eltern lebt, wusste er, welche Lieder seine Mutter beim Radiosender für den „Vadder“ gewünscht hatte und dass sie in der zu Weihnachten geschenkten Senseo-Kaffeemaschine Käsesoße zubereitet hatte. Da Mutter nun auch bei Facebook mitmischt, postete sie ein Foto ihrer Kirschtorte, das von Jungs Bruder kommentiert wurde: „8000 Kalorien gefällt das.“
Gefallen fanden die Comedians und Polit-Kabarettisten, die aus Köln nach Niederbieber gekommen waren: „ONKeL fISCH“, alias Adrian Engels und Markus Riedinger. Sie traten im edlen Zwirn auf, in Yanis Varoufakis Streetwear mit dem Stinkefinger-Logo.
Ihr Thema waren Lobbyisten. Deren Macht demonstrierten die Künstler wortgewaltig, hintersinnig und dazu körperlich eindrucksvoll mit wilden Drehungen, Verrenkungen und Sprüngen und fulminanter Mimik am Beispiel des meistverkauften Medikaments in Deutschland – einem Blutdrucksenker. Damit sich das Medikament gut vermarktet, hat jeder Zweite über 18 bereits die Diagnose „Hypertonie“ erhalten. Es gibt auch bereits das Krankheitsbild „Prä-Hypertonie“, das heißt: noch nicht krank, aber schon mit Medikamenten traktiert.
Die Pharmaindustrie suchte nach wehleidigen Menschen, die bereit sind, für Quatsch viel Geld auszugeben und fand die Männer. Deren neue Krankheit ist die männliche Menopause, verursacht durch das Testosteron. Das Königshormon des Mannes wird hergestellt in den Byzantiner Königsnüssen und medikamentös unterstützt durch das Testosteron-Gel von Jena-Pharm! Der Lobbyist wurde entlarvt als (gemeinnützige) Beutelratte, deren Paarung als Net-Working bezeichnet wird. Dabei wird ein Samenbeutel mit Milliarden Argumenten in den Ausbrutkasten / Innentasche des Partners verstaut. Dieser Paarungs-Akt von „ONKeL fISCH“ in Zeitlupe als Sielmann-Imitation dargeboten, war zum Schreien komisch.
Die Lachmuskeln strapazierte auch Henning Schmidtke, der zunächst einen makabren Humortest mit dem Publikum vornahm. Er wechselte flott zwischen Comedy, Kabarett und Liedern und animierte die Niederbieberer zum Mitsingen des Refrains: „Es wird gegrillt!“
Deutschland im Casting-Wahn analysierte er messerscharf und kam nach Reminiszenzen an Ilja Richter und Imitationen von Lindenberg, Grönemeyer und Westernhagen zu dem Fazit, dass die Größen des deutschen Rock und Pop heute keine Chance gegen den Casting-Einheitsbrei hätten.
Traditionell bringt Matthias Jung nach der Pause einen Newcomer auf die Bühne. Für den erkrankten Salim Samatou sprang kurzfristig die Kölnerin Nora Pia Boeckler ein, die sich als Glücksgriff erwies. Die junge Frau hatte als Kellnerin ihren Traumberuf gefunden: super Arbeitszeiten, kein Stress, Kohle ohne Ende! In flotten Rollenwechseln imitierte sie komisch und sehr überzeugend ihre Stammgäste. Zum Beispiel die alternative und biologisch abbaubare Volkshochschuldozentin für „Atmung befreit die Seele“, die Tussi Sabrina, die als „das Brinchen“ durch Youtube bekannt geworden und mit Lothar Matthäus liiert ist sowie in Begleitung von Hund „Rocky“, der oft Durchfall hat, „ohne Scheiß“.
Beim zweiten Auftritt stellte Henning Schmidtke fest, alles sei schneller geworden. Moderne Technik erlaubt sekundenschnelle E-Mails, Coffee-to-go und kreiert Job-Nomaden, auf deren Grabstein stehen wird: „Mein erster fester Wohnsitz“. Der Xenon-Terror auf der Autobahn verursacht Hektik, denn die Lichthupe ist der Ellenbogen der Bonzenautos. „Je schwärzer der Lack, desto reicher der Sack. Meine Bremse ist der Stinkefinger!“
Mit einem ultraharten und brutalen Zahnarzt Lied beendete Schmidtke sein Programm: „Er wird bohrn und dann tut es weh!“ frei nach Bruce Springsteens Song „Born in the USA“.
„ONKeL fISCH“ kamen noch einmal mit der Botschaft „Nicht für blöd verkaufen lassen!“ und Alternativ-Vorschlägen für die in Deutschland beliebten knappen Ansagen. Das Publikum sang angesungene Schlager aus den Achtzigern mühelos weiter. „Die Fischer-Chöre leben noch!“ freuten sich die Kabarettisten.
Um Vorurteile abzubauen, sangen sie selbst ein Loblied auf die Hilfe der Männer im Haushalt: „Wir bringen den Müll runter. Wie wir die Tonnen füllen, ist ein Weltwunder.“ Ergo: Die Kompetenz der Männer ist Müll.
Sehr kompetent erwiesen sich die Bühnenkünstler in Niederbieber, daher forderten die Zuschauer lautstark und nachhaltig Zugaben. Die gaben Henning Schmidtke, der drei Witze erzählte und „ONKeL fISCH“, die sich in Bauchredner und Puppe verwandelten.
Nach diesem sehr lustigen Abend freuen sich die Stammgäste der Comedy-Nacht bereits mit Spannung auf das zehnjährige Jubiläum im Cafe Central im nächsten Jahr. htv
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Nachricht vom 01.08.2015 |
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