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Nachricht vom 06.11.2015 |
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Kultur |
Offene Zweierbeziehung in Brückrachdorf
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Die Stadt Dierdorf veranstaltete am 7. November in Zusammenarbeit mit dem Dierdorfer Kulturkreis und dem Förderverein Brückrachdorf einen unterhaltsamen Theaterabend. Maja Elsenhans und Christian Mark spielten das Theaterstück von Dario Fo und Franca Rame „Offene Zweierbeziehung“. |
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Dierdorf. Eine Doppelspitze begrüßte das Publikum in der Sängerhalle Brückrachdorf: Bürgermeister Thomas Vis kündigte eine Dreifach-Premiere an, weil der Schauspieler Christian Mark zum ersten Mal auf der Westerwälder Bühne stand, weil die Sängerhalle nach ihrer Renovierung zum ersten Mal wieder Ort einer größeren Veranstaltung war und weil zum ersten Mal der Kulturkreis, die Stadt Dierdorf und der Förderverein Brückrachdorf gemeinsam als Veranstalter fungierten. Ulrich Christian als Kulturkreis-Organisator und Brückrachdorfer freute sich über 120 Besucher, die den Saal füllten.
Die beiden Schauspieler Maja Elsenhans und Christian Mark spielten ein frustriert gegeneinander kämpfendes Ehepaar in Gegenwart und Vergangenheit. Es genügten ihnen wenige Requisiten auf der Bühne, die Tür zum Badezimmer wurde kurzerhand mit Klebeband symbolisiert. Die Mimen schminkten auf offener Bühne ihre Gesichter weiß, um Rückblenden darzustellen. In rasanten Dialogen und mit ausdrucksstarker Mimik und Gestik führten sie die Kränkungen, Turbulenzen und Wirrungen ihrer Ehe vor. Manchmal grotesk, aber immer realistisch entwickelten sie Szenen, die aus dem männlichen Ideal einer offenen Zweierbeziehung resultierten. Dabei wurde auch geschossen, und am Ende muss der Mann die Hosen runterlassen.
Mit leidenschaftlichen Appellen und bissigen Kommentaren schlagen die Ehepartner aufeinander ein. Er behauptet: „Die eheliche Treue ist ein alter Hut, sie dient nur der Erhaltung des Patriarchats.“ Sie dagegen konstatiert: „Die offene Zweierbeziehung ist eine Falle, damit sind schon viele auf die Schnauze gefallen. Partnerwechsel – ohne mich!“ Seine Triebhaftigkeit und ihre Verletzlichkeit lassen keinen gemeinsamen Nenner zu. Die weiblichen Selbstmorddrohungen werden von dem Ehemann schließlich nicht mehr ernst genommen. Es ist ihm nur peinlich, dass die Krankenpfleger zum dritten Mal in diesem Monat die Badezimmertür eintreten werden. Die Frau ist verzweifelt, weil ihr Mann sie sexuell nicht mehr begehrt, sondern Befriedigung mit ständig wechselnden jüngeren Damen sucht. Auch ein radikal neues Styling und neue Bettwäsche machen die Partnerin nicht anziehender für den untreuen Gatten.
Schließlich zieht die gekränkte Frau die Konsequenz und zieht aus der gemeinsamen Wohnung aus. In dem neuen Domizil, in dem sie jeden Abend einsam vor dem Fernseher verbringt, wird sie noch regelmäßig von ihrem Mann besucht. Dem gefällt das Arrangement der offenen Zweierbeziehung gut. Er missbraucht sogar seine Noch-Ehefrau als Mutterersatz für eine sehr junge Geliebte und erwartet stets Verständnis für seine offenen und ungehemmten Berichte über seine Sex-Abenteuer. Dabei gibt er sich selbst seine Absolution, weil „alles nur auf der sexuellen Ebene“ ablaufe, ohne zu merken, wie sehr das die Verschmähte schmerzt.
Der chauvinistische Genuss hat ein plötzliches Ende, als die Frau von ihrem Liebhaber erzählt und die Bemerkung fallen lässt: „Vielleicht habe ich jetzt endlich den richtigen Mann gefunden.“ Geschockt und eifersüchtig erkennt der Ehemann seine Schwächen. „Ich bin wirklich ein typischer Männerarsch.“
Das Abschminken der Gesichter bringt das Paar zurück in die Gegenwart. Er will seine Frau zurückhaben, aber sie hat festgestellt, dass die Hauptregel der offenen Zweierbeziehung ist, dass sie nur für eine Seite gilt, „denn wenn beide Seiten offen sind, gibt es Durchzug.“ Und sie will frustriert nie wieder mit einem Mann eine feste Beziehung eingehen.
Die Schlussszene mit Türklingel und Pistolenschuss wurde in der Brückrachdorfer Aufführung gleich drei Mal gespielt, so hatten Publikum und Schauspieler gemeinsam gut lachen. Die Zuschauer hatten neben einem unterhaltsamen Abend die Erkenntnis gewonnen, dass eine offene Zweierbeziehung gefährlich oder gar tödlich sein kann. htv
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Nachricht vom 06.11.2015 |
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