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Nachricht vom 07.02.2016
Region
Hallerbach: Landwirte brauchen Hilfe aus Brüssel und Berlin
Dramatische Erwerbseinbrüche in der Landwirtschaft. Die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz schlägt Alarm! Nach Auswertung der Buchführungsergebnisse des Wirtschaftsjahres 2014/2015 haben sich die Unternehmensergebnisse der rheinland-pfälzischen Landwirtschaftsbetriebe nahezu halbiert. Im europäischen Vergleich sind die deutschen Landwirte sogar die großen Verlierer.
Die Milchbauern im Kreis Neuwied haben Probleme. Foto: Wolfgang TischlerNeuwied. „Mit 37,6 Prozent hat sich das landwirtschaftliche Realeinkommen je Arbeitskraft in 2015 europaweit am stärksten verringert. Neben den Ackerbaubetrieben hat es die Milchproduzenten am härtesten getroffen. So kann und darf es nicht weitergehen. Hier ist die Europäische Union dringend gefordert“, erklärt der 1. Kreisbeigeordnete Achim Hallerbach, in dessen Zuständigkeit auch die Untere Landwirtschaftsbehörde steht.

Der Milchpreis ist 2015 im Vergleich zum Vorjahr um etwa sieben bis acht Cent je Liter gefallen. „Gegenüber dem Vorjahr fehlen uns ein Viertel der Einnahmen aus dem Milchgeld“, klagt Milchviehzüchter Michael Büllesbach aus Irmeroth. Das sind Mindereinnahmen von 700 Euro je Kuh. Derartige Preiseinbrüche kann ein landwirtschaftliches Unternehmen nur kurzfristig durch Aussetzung nicht dringend benötigter Investitionen verkraften. Dieser Kaufkraftverlust schädigt nachgelagerte Wirtschaftszweige.

Aber für viele Milchbauern ist auch nicht ans Aufhören zu denken. Wer in der Vergangenheit hohe Investitionen in Stallbau und Melktechnik getätigt hat, muss seine Verbindlichkeiten gegenüber den Kreditgebern erfüllen. „Augen zu und durch!“ heißt es deshalb für viele Betriebe. Eine Hoffnung auf eine deutliche Besserung der Marktlage scheint zumindest zum Jahresbeginn 2016 nicht in Aussicht.

„Haben zwei Erntejahre mit weltweit hohen Getreideerträgen den Preisverfall beim Getreide maßgeblich beeinflusst, so ist die Ursachenforschung auf dem Milchmarkt etwas komplexer“, erklärt Thomas Ecker von der Unteren Landwirtschaftsbehörde der Kreisverwaltung Neuwied. Die schwächelnde Wirtschaft - insbesondere in China - hat den weltweiten Verbrauch an Milchprodukten stark gedrosselt. Das Russlandembargo für europäische Milchexporte trifft die deutschen Produzenten zwar nur indirekt, da vorrangig niederländische Molkereien ihre Lieferungen einstellen mussten, aber diese Milchprodukte belasten nun den innergemeinschaftlichen Markt und werden zu Niedrigpreisen abgesetzt. Achim Hallerbach ergänzt: „Zudem hat sich durch das Ende der Milchmengenregulierung in der Europäischen Union die produzierte Milchmenge zusätzlich erhöht.“

Ein zusätzliches Problem stellen die Preisgestaltungen auf dem deutschen Milchmarkt dar. „Wenige Handelsketten stehen einer Vielzahl von Molkereien gegenüber, die ihre Milchprodukte oft nur durch drastische Preiskonzessionen in den Warenverkehr bringen können“, weiß Thomas Ecker.

Einvernehmliche Lösungsansätze von Politik, dem Bund Deutscher Milcherzeuger (BDM) und dem Deutschen Bauern- und Winzerverband, um der Übermenge auf dem Weltmarkt Herr zu werden scheinen zurzeit nicht in Sicht. Auch die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bereit gestellten Liquiditätshilfen im Umfang von 78 Millionen Euro sind da nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Allein die Milchproduktion von Biobetrieben ist bislang von dieser Milchpreiskrise verschont geblieben. Hier steht eine stabile Produktionsmenge einer stabilen Nachfrage gegenüber. Die Volatilität der Agrarmärkte hat dieses Marktsegment noch nicht erreicht. Das rheinland-pfälzische Umwelt- und Landwirtschaftsministerium setzt hier auf eine Intensivierung der Förderung von Biobetrieben, um konventionelle Milcherzeuger zur Umstellung auf Bioproduktion zu bewegen. „Aber wie stabil ist der Markt für Biomilch und wieviel Neueinsteiger kann er verkraften“, hinterfragt der 1. Kreisbeigeordnete Achim Hallerbach diesen Lösungsansatz und ergänzt: „Unsere Milchbauern brauchen konkrete Hilfen aus Brüssel und Berlin, und keine warmen Worte. Die Lage wird dramatisch.“
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