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Nachricht vom 20.05.2016
Kultur
„Verarschen kann ich mich alleine“
Mit dem bekannten Skeptikerspruch „Verarschen kann ich mich alleine“ betitelte der Kabarettist HG. Butzko sein neuestes Buch, aus dem er am 20. Mai im Alten Bahnhof Puderbach las. Den Kulturschaffenden war es gelungen, den Hirnschrittmacher des deutschen Kabaretts im Rahmen der Westerwälder Literaturtage und des Kultursommers Rheinland-Pfalz nach Puderbach zu engagieren.
Butzko liest im Alten Bahnhof Puderbach. Fotos: Helmi Tischler-Venter.Puderbach. Dem Gelsenkirchener gelang es den Kulturbahnhof mit Publikum zu füllen, das sich auf seine „Widerworte und Einsprüche zur Lage der Nation“ freute. Unter der dunklen Schirmkappe lief das Kabarettisten-Hirn zu Höchstleistungen auf, sezierte Begriffe semantisch und durchschaute undurchschaubare politische Strukturen. So fand er die wahre Bedeutung des Begriffs „Gebäudekomplex“ bei seinem Berlin-Besuch, als er die den Reichstag umgebenden Gebäude, in denen Politiker ihre Komplexe in Paläste gegossen haben, bewunderte. Denn Politiker sind die, mit denen auf dem Schulhof keiner spielen wollte. Die wurden Abgeordnete. Abgeordnet ist die Steigerung von abgestellt und abgewiesen.

Weil ein berühmter Staatsmann das Anforderungsprofil für den Politikerberuf einmal mit den Worten beschrieben hat: „Wem es in der Küche zu heiß ist, darf nicht Koch werden“, stellte Butzko die Politiker Gabriel und Kauder auf eine Stufe mit den bekannten Fernsehköchen Lichter und Lafer. Und fand, das sei ein Abstieg für die Köche. Die Diäten der Abgeordneten stünden dem Nutzen einer Küche diametral entgegen. Man spreche also besser von Herdprämie. Da so viel Ungenießbares von deutschen Politikern aufgetischt werde, sei es nur logisch, ihnen in die Suppe zu spucken.

Wer sich politisch betätigen will und dafür in eine Partei eintritt, muss masochistisch veranlagt sein. Butzko konstatierte, Demokratie sei schön, wenn da nicht die Parteien wären, denn angesichts der Geschmacklosigkeiten der verschiedenen politischen Lager finde er sich nirgendwo richtig repräsentiert. „Verarschen kann ich mich alleine“. Der einzige Grund für Demokratie: Es ist, als wenn ein Vakuum sagen würde, dass ein schwarzes Loch immer noch besser sei als ein brauner Sumpf.

Wirtschaftsflüchtlinge: Wer hat diese Menschen eigentlich in die Flucht getrieben? Unsere Politik. Es ist dieselbe Politik, die Flüchtlinge erst erzeugt und dann empört reagiert, wenn Asylantenheime angezündet werden. Butzko bezeichnete Bundespräsident Gauck als Witzbold wegen seiner Forderung, die Bundeswehr müsse militärisch wieder mehr Verantwortung übernehmen. „Wir haben die pazifistischste Armee der Welt mit Panzern, die nicht rollen, Hubschraubern, die nicht fliegen und Gewehren, die nicht treffen.“ Eine Trefferquote unter sieben Prozent – das ist meistens Schalke 04 in Gelsenkirchen. Es stellt sich auch die Frage, auf welcher Seite Gauck die Armee im Nahen Osten einsetzen will: „Wenn zum Beispiel die Dschihadkämpfer vom Islamischen Staat in Syrien gegen Assad vorgehen und dort als Freiheitskämpfer sind und dabei vom Westen unterstützt werden und dieselben Kämpfer sich dann um 180 Grad drehen, in den Irak einmarschieren und dann plötzlich Terroristen und religiöse Fanatiker sind, die Andersgläubige abmurksen, auf welcher Seite hätte Gauck da gerne deutsche Soldaten eingesetzt? Deswegen bat Butzko in einem Brief, Gauck möge bei Kampfeinsätzen deutscher Soldaten im Ausland vorneweg marschieren.

Der Kabarettist verlas hintersinnige, feinsinnige, skurrile, komische und erschreckende Gedanken zu Merkels Regierungsstil, der Situation der SPD, türkischen Gemüsehändlern, dem Freihandelsabkommen, Investmentbankern, Glockengeläut und Muezzinrufen, den Chimären des Kapitalismus und vielen anderen alltäglichen Konflikten. Es stellen sich Fragen über Fragen. Man muss nur die richtigen Fragen stellen. Etwa: Warum ist die Giftspritze sterilisiert? Warum steckt in dem Wort „Lispeln“ das „s“ mit drin? Was passiert, wenn man bei 40 Grad Celsius in einem 30-Grad-Hemd schwitzt? Ist eine Hautcreme, die zwanzig Jahre jünger macht, lebensgefährlich, wenn man 19 Jahre alt ist? Wenn Gott will, dass man nachts schläft, warum hat er dann die Stechmücke erfunden? Wenn die Frau nachts schlafen soll, warum hat der Mann dann ein Gaumensegel? Das Nachdenken über die Antworten führt zu der beruhigenden Erkenntnis: Ordnung ist das halbe Leben. – Chaos ist die andere Hälfte.

Nach dem Hirn und Lachmuskel strapazierenden Kabarettabend mit Butzko veranstaltet die Projektgruppe Jugend, Kultur und Soziales der Verbandsgemeinde Puderbach zwei erholsame und unterhaltsame Musikabende: Am Freitag, 17. Juni kann jeder Besucher nach dem Motto "Meine Lieblingsplatte" seine auf einem Tonträger mitgebrachte Musik spielen lassen. Am Samstag, 18. Juni erklingt Musik der Renaissance auf historischen Instrumenten. Weitere Informationen unter www.puderbach-kultur.de. htv
     
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