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Nachricht vom 05.06.2016
Kultur
Viel Jubel beim Jubiläumskonzert in der Selterser Kirche
Ein volles Gotteshaus beim hundertsten „Konzert in alten Dorfkirchen“ war am Sonntag, 5. Juni in der evangelischen Kirche in Selters genauso ein Grund zum Jubeln wie die Tatsache, dass diese runde Zahl überhaupt erreichbar war. Möglich wurde das Jubiläum nur durch das intensive und zuverlässige Engagement der Mitarbeiter der Kleinkunstbühne Mons Tabor.
Mongolische Gruppe Egschiglen mit Tänzerin. Fotos: Helmi Tischler-VenterSelters. Der Sprecher der Kulturschaffenden, Ulli Schmidt bezifferte die geleistete Arbeitszeit seiner Mitarbeiter („knapp gerechnet“) mit 16.800 Stunden ehrenamtlicher Arbeit. Diese ermöglichte hundert Mal verschiedenste Kulturen im Westerwald zu erleben. „Musik ist nicht nur schön, sondern auch gut für die Gesundheit“, jubelte Schmidt. Im Rückblick stellte er fest, dass vor zwanzig Jahren viele Menschen die wilde Musik aus der ganzen Welt für Spinnerei hielten, während sie heute allgemein akzeptiert sei. Das Ziel der Kleinkunstbühne Mons Tabor sei es, einen Beitrag zum weichen Standortfaktor Kultur zu leisten. Schmidt nannte die für das Gelingen Verantwortlichen: Kultursommer Rheinland-Pfalz (RLP), die evangelischen Kirchen, die Kommunen oder ihre Kulturkreise, die Sponsoren und das Team mit guten Leuten, auf die immer Verlass war.

Zur Feier des Tages wurden ausnahmsweise Grußworte gesprochen bevor die Musik erklang. Hauptredner war der Geschäftsführer und künstlerische Leiter des Kultursommers Prof. Dr. Jürgen Hardeck. Der freute sich über das hochwertige Weltmusikkonzept der Kleinkunstbühne Mons Tabor und das begeisterungsfähige Publikum, das die Kultur im Westerwald zu schätzen weiß. Hardeck ging der Frage nach, warum die Konzerte so gut in alte Dorfkirchen passen. Seine Erkenntnis: Seit der Entdeckung der Blutgruppen im Jahr 1901 liege der wissenschaftliche Beweis vor, dass alle Menschen Brüder und Schwestern sind. Die Kirchen in der Folge Jesu vertraten die Idee der Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit der Menschen auf der Erde. „In einer Kirche ist man mit Gästen aus anderen Ländern und anderen Glaubens genau am rechten Ort.“ Hardeck dankte auch im Namen der Ministerpräsidentin und des Kultusministeriums den Aktiven der Kleinkunstbühne Mons Tabor und wünschte ihnen und den Besuchern noch viele gute Veranstaltungsreihen im gemeinsamen Kultursommer RLP.

Klaus Müller, Bürgermeister und Vorsitzender des Kulturkreises der Verbandsgemeinde Selters, war stolz darauf, dass 22 Konzerte und somit fast ein Viertel in Selters stattfanden. Die gute Zusammenarbeit fand auch Ausdruck in der großzügigen Pausenverkostung beim Jubiläumskonzert. Stadtbürgermeister Rolf Jung bedankte sich bei den Aktiven der Kleinkunstbühne mit einer Rose und Getränk.

Beim Jubiläumskonzert erwartete die Weltmusikfans ein hochwertiges Konzert mit zwei Programmteilen. Zunächst spielte der einzigartige Weltklasse-Perkussionist Mohammad Reza Mortazavi aus dem Iran auf der traditionellen persischen Handtrommel Tombak (kelchförmige Bechertrommel). Schmidt kündigte ihn als den weltbesten Trommler „mit den schnellsten Händen der Welt“ an. Mortazavi bewies bei seinem Spiel nicht nur Schnelligkeit, der Auge und Ohr kaum folgen konnten. Er zauberte aus dem einfachen Instrument unglaubliche Klangfolgen aus unterschiedlichsten Tönen. Durch Kratzen auf dem Holzkorpus, scharf abgesetztes Pochen, Schnipsen, Klopfen, Faustschläge und Tippen mit den Fingerspitzen mal leise, mal laut, sanft, dumpf oder wild und wütend, dann wieder gurrend und schnalzend ineinander verwirbelt erzeugte der Solopercussionist Melodien und Rhythmusvariationen, die ein komplettes Orchester vorgaukelten.

Als lustiges Intermezzo spielte Mortazavi auf einer Mini-Trommel deutlich erkennbar Mozarts „Kleine Nachtmusik“. Auf der Daf, einer Rahmentrommel, ähnlich dem europäischen Tamburin, spielte der Virtuose ein Geflecht aus tanzbaren Rhythmen, schnellen Beats und tranceartigen Strukturen. Das Gehör assoziierte sowohl eine marschierende Armee als auch rollende Murmeln oder einen schnell fahrenden Zug, der über Weichen rumpelt, dann Pferdegetrappel und fallende Wassertropfen. Tosender Beifall und Bravo-Rufe bewirkten eine Zugabe. Deren letzte sanfte Töne verprasselten mit dem einsetzenden Regen.

Daher plante und baute Ulli Schmidt blitzschnell um und setzte den Imbiss hinter das Konzert der mongolischen Gruppe Egschiglen, der wohl bekanntesten musikalischen Vertreter dieses fernen Landes. Sie gaben Musik in der Tradition der höfischen Musik von Dschingis Khan zum Besten. Egschiglen bedeutet „Wohlklang, schöne Melodie“, erläuterte der Sprecher. Diesem Namen wurde die Gruppe gerecht. Angenehme tanzbare Melodien kombiniert mit Pferdekopfgeigen, Gitarre, Querflöte und dem einzigartigen Kehlkopfgesang, der einen Doppelton erzeugt vom tiefen Brummen oder Muhen bis zur pfeifenden Fistelstimme, verliehen der Musik ein riesiges orchestrales Volumen. Wer die Augen schloss, hörte den Wind über die mongolische Steppe sausen und pfeifen, Vögel fliegen, die Pferde über den Boden donnern mit deutlichem Wiehern, während die Reiter sich gegenseitig zuriefen und ihre Tiere antrieben oder Wehklagen und Sehnsucht erklingen ließen.

Die Titel der Stücke kurbelten das Kopfkino an: „Auf dem Weg in die Heimat“, „Schönheit der Natur“, „Ode an das Altai-Gebirge“, „Sechzig weiße Pferde“ oder „Mein Lieblingspferd Menbor“.

Hin und wieder lohnte es sich, die Augen zu öffnen, um den Auftritten der Tänzerin zu folgen, die folkloristisch gewandet, Tänze aus den Weiten der Türkei und der Mongolei sowie einen Schamanentanz darbot.

Ohne Zugabe ließ das Selterser Publikum die mongolischen Musiker nicht gehen. Zum Abschluss sangen und spielten Egschiglen die Geschichte der Mongolei. Das Lied endete mit dem Namen „Dschingis Khan“. Es weckte Fernweh und den Wunsch, sogleich eine Reise nach Ulan Bator anzutreten.

Das nächste Konzert der Reihe „Musik in alten Dorfkirchen“ findet am 17. Juli in Neuhäusel statt. htv
       
       
       
       
   
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