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Nachricht vom 12.11.2016
Kultur
Ungeiler Geiz und böse Tunte
Comedy der anderen Art wurde am Sonntagabend, 13. November im Hotel zur Post in Waldbreitbach geboten. Ole Lehmann, in Hamburg geboren, in Berlin wohnhaft und aus der Musicalszene kommend, gestand gleich zu Beginn, schwul zu sein. Seine Musik-Comedy fand ohne Gesang statt infolge einer Kehlkopfentzündung.
Frauen fanden es lustig, Männer konnten nicht immer lachen. Fotos: Wolfgang TischlerWaldbreitbach. Lehmanns Überlegungen zu dem seit 2002 nervenden Werbespruch zeugen von philosophischem Denken und großer Gelassenheit: Geiz ist nicht geil und macht nicht geil. Sind wir nicht eher gierig geworden in dem Bestreben, viel zu besitzen und möglichst wenig zu bezahlen? Eindeutige und zweideutige Beispiele für seine Überlegungen hatte der Comedian stets parat, dabei immer sich selbst und das Waldbreitbacher Publikum ironisch und witzig persiflierend, denn seine Botschaft lautete: Wir dürfen nicht mit Humor geizen!

Das deutsche Fernsehen geizt mit Qualität. Nachmittags-Sendungen auf den privaten Kanälen, in der Jugendsprache „Hartz IV–TV“ genannt, geizen mit schauspielerischer Qualität. Abschreckend wirkt auch die Freak-Show „Germany’s next Kotzmodel“ mit dem extrem gelifteten und nach Lehmanns Analyse offenbar koksenden Wolfgang Joop. Großstadtbewohner Lehmann analysierte, dass Drogenkonsum im schönen Wiedtal sicher unbekannt sei: „Naturbekifft in Waldbreitbach – ihr braucht keine Drogen!“

Ein weiterer Tipp aus der Lehmannschen Anti-Geiz-Mission lautete: Nicht mit Witzen geizen! „Wenn ihr so’n Schwulenwitz auf der Pfanne habt, haut ihn raus! Nicht politisch korrekt sein. Wir sollten die Freiheit haben, über alles zu lachen!“ Auf die Frage, warum schwule Männer manchmal so schwul tuntig sprechen, hatte er eine unwiderlegbare Antwort parat: „Das macht Spaß!“ Böse Tunte, böse Tunte…

Zu Lehmanns Erfahrungen in Berlin gehört die Erkenntnis, dass Ghetto-Deutsch sprechende Jugendliche nicht mehr nur Menschen mit Migrationshintergrund sind und gipfelt in der Prognose: „Einer von denen wird einmal Bundeskanzler. Was vielleicht gar nicht so verkehrt ist, jetzt, wo wir schon Trump haben…“

Die Comedy-Szene geize zurzeit mit gutem bösem Humor, befand der Künstler. In England sei er typisch und in Wien sei er noch zu finden als Wiener Schmäh. Das sei der leicht ekelhafte Wiener Dialekt gepaart mit dem boshaften Humor. Damit könne er in der Berliner U-Bahn Menschen erschrecken. Böse Tunte…

Lehmann gestand auch, verrückte Menschen zu mögen, weil er über diese viel erzählen könne. Als positives Beispiel für Alters-Humor statt Alters-Grandigkeit nannte Lehmann seine einundachtzigjährige Mutter, die schwarzen Humor am liebsten an ihren beiden Söhnen ausprobiert getreu dem Motto „Lieber unter Niveau amüsiert als über Niveau gelangweilt!“

Das Waldbreitbacher Publikum honorierte so viel humorvolle ungewöhnliche Lebensweisheit mit lautstarkem Applaus. Vielleicht wurde Ole Lehmann auch als Wunschkandidat für die Saison 2018 auf den ausgelegten Zetteln notiert, in der Hoffnung, dann auch die „Wagenladung Songs“ hören zu können. htv
     
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