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Nachricht vom 29.11.2016
Kultur
Neuwied in der Barockregion: Gespräch mit Regionalkantor
Das Barockzeitalter wird gemeinhin mit Prunk und Opulenz, aber auch mit Verschwendungssucht in Verbindung gebracht. Dabei war es auch ein Zeitalter der Erfindungen und der Umorientierung.
Foto: PrivatNeuwied. Das galt nicht nur für die Naturwissenschaften, sondern auch für die Musik. In den eineinhalb Jahrhunderten zwischen 1600 und 1750 erlebte die italienische Oper ihren Aufstieg, erste Virtuosen feierten Triumphe. Auch heute noch bedeutende Komponisten wie Bach und Händel, Purcell und Pachelbel, Monteverdi und Vivaldi schufen Werke von Dauer.

Vor dem Hintergrund der Teilnahme der Stadt Neuwied am Barockjahr erläutert Thomas Sorger, der seit dem 1. Dezember 2014 Regionalkantor im Bistum Trier sowie Leiter der Kammerchöre in Neuwied und Koblenz ist, die Grundzüge der Barockmusik. Die Deichstadt verfügt im Übrigen mit Schloss Engers und der dort beheimateten Villa Musica über eine barocke Spielstätte par excellence.

Herr Sorger, was waren die einschneidendsten Neuerungen der Barockmusik?
In der Musik war ein einschneidendes Element eine um 1600 entstehende neue Art der Expressivität. In der Monodie, einem vom Generalbass begleiteten Sologesang, wurden völlig neue Ausdrucksmöglichkeiten entdeckt, die als sogenannte „seconda prattica“ der „prima prattica“, dem alten viel strengeren polyphonen Stil, gegenüberstand. Hier spielt eine musikalische Rhetorik eine Rolle, die sich unter anderem einer speziellen Art der Ornamentik bediente. Genannt werden müssen hier als markante Neuerung die Geistlichen Konzerte von Viadana. In der „Marienvesper“ von Claudio Monteverdi stehen sich der alte und der neue Stil bewusst gegenüber. In der Ornamentik und in starken harmonischen Symbolismen könnte man am ehesten Parallelen zu Prunk und Opulenz sehen. Das Wort „barock“ bedeutet ja ursprünglich „übertrieben“.

Welches waren die herausragendsten Komponisten der Ära?
Die Zahl wirklich bedeutender Komponisten ist in dieser ja recht langen Epoche unübersehbar. Unbestritten ist Johann Sebastian Bach der überragende musikalische Kopf. Parallel zu dieser letzten Phase des Barock, zu der auch Georg Friedrich Händel zählt, entwickelt sich mit der Generation der Söhne Bachs bereits die Zeit des Galanten oder Empfindsamen Stils. Aus ihr geht dann die Wiener Klassik hervor.

Welches ist „das“ Instrument des Barock?

Für mich gibt es „das“ Instrument in diesem Sinne nicht. Sicher spielen Tasteninstrumente eine große Rolle. Die Orgel entwickelt sich als großes Instrument weiter und analog dazu die Orgelmusik. Auch erste Versuche auf dem Gebiet des Hammerklaviers gibt es, aus denen sich dann unser heutiger Flügel entwickelte. Aber auch die menschliche Stimme und Streichinstrumente sind von großer Bedeutung.

Welches ist für Sie das bedeutendste Werk des Barocks?
Auf jeden Fall muss hier die Matthäus-Passion Johann Sebastian Bachs genannt werden, auch seine Messe in h-Moll.

Strahlen damals entwickelte kompositorische Stilmittel bis heute aus?
Das ist für mich schwer zu beurteilen, da ich auf dem Gebiet der zeitgenössischen Musik nicht so sehr zuhause bin. Hohe Expressivität als Stilmittel und die Kunst des polyphonen Satzes haben jedenfalls in allen musikalischen Entwicklungen danach eine gewisse, mehr oder weniger exponierte Bedeutung. Viele große Komponisten späterer Zeiten dokumentieren in ihren Werken ihre Beschäftigung mit Johann Sebastian Bach.

Barock mit allen fünf Sinnen - Neuwied in der Barockregion: So lautet der Titel einer Veranstaltungsreihe, mit der sich die Stadt Neuwied an dem anlässlich der Barock-Ausstellung der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen gegründeten kulturtouristischen Netzwerk „Barockregion“ beteiligt. Es sind unterschiedliche Veranstaltungen wie Ausstellungen, Feste und Konzerte ganz im Zeichen des Barockzeitalters. Dessen Hang zur Pracht und Opulenz einerseits, Fantasie und Innovationsfreude andererseits stellt das Amt für Stadtmarketing mit dieser Reihe zurzeit vor. Mehr dazu unter www.neuwied.de/barock.html.
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