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Nachricht vom 25.03.2017
Kultur
Kästner trifft Ringelnatz
Wie sich doch die Bilder gleichen. War im Gemeindehaus der Marktkirche im Herbst vergangenen Jahres Pfarrer Werner Zupp gezwungen, zusätzlich Stühle für die zahlreichen Zuhörer zu organisieren, traf es diesmal Pfarrer Jochen Trauthig von der evangelischen Kirchengemeinde Oberbieber, in dessen Gemeindehaus Herbert Kutscher erneut eine Lesung veranstaltete, diesmal unter dem Motto „Erich Kästner trifft Joachim Ringelnatz“.
Begeisterten erneut bei einer Lesung, diesmal mit Werken von Kästner und Ringelnatz (von links):Thomas Schmidt und Herbert Kutscher im evangelischen Gemeindehaus Oberbieber. Foto: Hans HartenfelsNeuwied- Oberbieber. Vom Vorsitzenden des Veranstalters, dem Kirchbauverein, begrüßt, gelang es Kutscher erneut die Zuhörer 90 Minuten zu fesseln, obwohl es sich keineswegs um Spannungsliteratur, sondern um Heiteres beider Epigrammatiker handelte. Erich Kästner, 1899 in Dresden geboren, lebte lange in Berlin, so dass sich seine ersten Werke zwangsläufig mit dem ersten Weltkrieg befassten und der Machtergreifung durch die Nazis. Kästner war ein Nachtmensch, der sich oft in Kneipen aufhielt und so nebensächlichen Dingen wie „Das Gemurmel eines Kellners“, ganz besonderen feinen Damen, die mit Mäntel und Hüten ins Bett gehen oder dem Besuch vom Lande in der Großstadt, deren Aufenthalt er genoss, aber auf dem Alexanderplatz überfahren wurde, zuhörte und darüber Essays verfasste.

Joachim Ringelnatz, 1883 in Wurzen geboren, zog es ebenfalls nach Berlin, begegnet sind sie sich aber nie, so dass es sich um ein fiktives Treffen handelte. Gleichwohl hat Kästner in der Leipziger Zeitung über Ringelnatz berichtet, der in einem Kabarett Proben seiner Dichtkunst zum Besten gab.

Da konnte man ob des pointierten Vortrags durch Kutscher bei Gedichten vom Sauerampfer, der Schnupftabakdose, dem Taschenkrebs und dem Känguru oder dem Reh im Park, das unverrückbar an derselben Stelle verharrte, bis sich rausstellte, dass es aus Gips war, ein Schmunzeln nicht unterdrücken.

Erstaunlich, wo Ringelnatz diese Schaffenskraft hernahm, schmiss er doch mit 17 die Schule, wurde Schiffsjunge, daher auch seine Erzählungen vom Seemann Kuttel Daddeldu und hatte letztendlich trotz eines nur kurzen Lebens, er verstarb mit 51 Jahren.

Das Ganze wurde einmal mehr hervorragend musikalisch untermalt von Kirchen-Musik-Direktor Thomas Schmidt, der geschickt Lieder der 20ziger und 30ziger Jahre zu Gehör brachte, wie „Ich wollt, ich wär ein Huhn“ oder „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“. Dankbarer Beifall belohnte Musiker und Rezensenten und Kirchbauvereins-Vorsitzenden Klaus Pinkemeyer für die Idee zu dieser Lesung. Hans Hartenfels
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