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Nachricht vom 14.05.2018
Region
Insekten: lästig oder nützlich?
„Die Windschutzscheibe bleibt sauber, nichts brummt und sticht – ist das nicht wunderbar?“ Mit diesen Worten begann die Biologin Stephanie Martin ihren Vortrag am vergangenen Mittwoch im bis auf den letzten Platz gefüllten Pfarrsaal der Marien-Kirche. Eingeladen hatten die Grünen vom Ortsverband Linz.
Foto: prLinz. In ihrem sehr anschaulichen und praxisnahen Vortrag ging die Referentin zunächst auf Ursachen und Folgen des Insektensterbens ein und betonte, dass in Deutschland in den vergangenen 27 Jahren die Biomasse an Fluginsekten um rund 75 Prozent zurückgegangen sei. Verantwortlich hierfür seien Flächenversiegelung, die zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft mit vermehrtem Pestizideinsatz und strukturlosen Monokulturen. Auch invasive Neophyten, also eingeschleppte Arten, wie das Indische Springkraut, die die heimische Flora verdrängen und nur wenigen Insekten Nahrung bieten, seien mit dafür verantwortlich, dass Insekten immer weniger Lebensraum finden.

Obwohl öffentliche Grünflächen in Städten einen Anteil von rund 50 Prozent haben, sei dies für Insekten wenig hilfreich, da sie nur selten insektenfreundlich bepflanzt seien. Dass durch den Verlust an Lebensraum für die Insekten letztendlich das ganze Ökosystem bedroht ist, machte die Biologin an weiteren Fakten deutlich, was die Zuhörer nachdenklich stimmte. So seien zahlreiche Pflanzen zur Bestäubung auf Insekten angewiesen. Auch die Produktion von Obst und Gemüse sei dann zunehmend gefährdet. Darüber hinaus brauchten Vögeln, Reptilien, Kleinsäugern und Fledermäusen Insekten als Nahrungsgrundlage.

“Für diese Probleme und Zusammenhänge müssen wir Bewusstsein schaffen!“, so Martin. „ Jeder muss und kann Verantwortung übernehmen und selbst viel tun!“ Als eine wichtige Maßnahme nannte sie den bewussten Konsum von Produkten aus ökologischer und regionaler Landwirtschaft und die Nutzung und Vermehrung von alten Sorten. Ebenso sei es wichtig, naturnahes öffentliches Grün einzufordern. „Wir können in der eigenen Gemeinde aktiv werden und uns dafür einsetzen, dass Spielplätze, Grünflächen, Verkehrsinseln und Randstreifen extensiv gestaltet werden“, appellierte sie an die Zuhörer. Hier gab sie den Hinweis, dass die Kommunikation mit der Bevölkerung besonders wichtig sei, um Missverständnisse zu vermeiden und die Akzeptanz zu erhöhen. Auch stellte sie den deutlich geringeren Pflegeaufwand für die Kommune gegenüber einer herkömmlichen Rasenfläche heraus.

„Und natürlich sollten wir unser privates Grün insektenfreundlich gestalten“ leitete Frau Martin zum praktisch orientierten Teil des Abends über. „Das Wichtigste zuerst: hört auf, aufzuräumen! Schön ist, was lebendig ist! Vielfalt darf man gestalten – und genießen!“ Es sei darauf zu achten, dass am besten heimisch Wildarten und keine gefüllten Sorten verwendet werden. Die Bepflanzung solle vielfältig sein, und für Ansaaten sei hochwertiges heimisches Saatgut empfehlenswert. Insekten bräuchten zudem zum Nisten Strukturen wie Mauern, Steinhaufen, Totholz oder Wasserstellen sowie offene, nicht bepflanzte Flächen aus Sand oder Lehm.

Mit zahlreichen Fotos machte die Referentin die verschiedenen Bepflanzungsmöglichkeiten für die Zuhörer sehr anschaulich. Fragen von Teilnehmer zu speziellen Pflanzen-Arten und den Umgang mit ihnen wurden fachkundig geklärt.

Auch über den Bau so genannter „Insekten-Hotels“ als Nisthilfen für Wildbienen und das Anlegen und die Pflege von heimischen Wildblumem-Ansaaten wurde ausführlich informiert. „Man darf bei Wildblumenansaaten nicht ungeduldig sein“, erwähnte die Biologin „Sie brauchen in der Regel weit über sechs Wochen zum Keimen!“ Auf die Frage eines Zuhörers, ob diese Ansaaten auch in Überflutungsgebieten am Rheinufer möglich seien, sagte sie, dass es auch für diese besonderen Standorte spezielle Saatmischungen gebe.

Im letzten Teil ihres Vortrags ging Martin auf die insektengerechte Gartenpflege ein. So betonte sie, dass Mulchen, wenn überhaupt, nur mit Schnittgut erfolgen solle. Durch das Zurückschneiden von Stauden und Gräsern erst im späten Frühjahr und das Sammeln von Totholz in einer „wilden Ecke“ schaffe man Überwinterungs-Quartiere für viele Larven. Rasenmähen solle man am besten abends und nicht zu häufig. „Wenn wir nur wirklich störende Wildkräuter jäten, ersparen wir uns obendrein eine Menge Arbeit“ ermutigte Martin die Zuhörer.

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