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Nachricht vom 29.05.2019
Kultur
Sehr unterhaltsamer Heimat-Abend mit Leky und Ortheil
Im Rahmen des Kultursommers Rheinland-Pfalz mit dem diesjährigen Motto „HEIMAT/EN“ führten Mariana Leky und Hanns-Josef Ortheil ein sehr unterhaltsames und persönliches Gespräch mit passenden Lesungen aus ihren Büchern. Zuvor begrüßte Professor Dr. Jürgen Hardeck die Literaturfreunde in der vollbesetzten Stadthalle Hachenburg. Für Hardeck stellte dieser Ort, an dem er selbst vor 40 Jahren Veranstaltungen organisierte, ein Heimspiel dar. Hardeck, der die Verbindung zur Heimat hält, nannte die Westerwälder Literaturtage mit ihrer hohen Qualität ein wunderbares Konzept für den ländlichen Raum.
Mariana Leky und Hanns-Josef Ortheil stellen ihre Heimat/en vor. Fotos: Helmi Tischler-VenterHachenburg. Eine Buchempfehlung gab er vorab: „Heimat Europa“ ist der Titel des Begleitbands zum Motto "HEIMAT/EN“, dem facettenreichen Begriff, der in Deutschland lange kontaminiert war.

Der Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil stellte zu Beginn fest, dass Mariana Leky und er sich seit Jahrzehnten kennen, weil Leky eine der ersten Studentinnen in Hildesheim war, wo er als Professor für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität arbeitet. Leky erinnerte sich, dass damals ein „schöner kleiner Kreis“ von nur neun Studenten mit Weltliteratur vertraut gemacht wurde. „Wir sollten immer viel notieren und wir sollten gehaltvolle Musik hören“ Das Notieren führte die Studentin Mariana in gefährliche Situationen, weil sie so vertieft war.

Ortheil wurde auf die junge Schriftstellerin wegen ihrer brillanten Charakterstudien aufmerksam: „Du bist eine Charakter- und Figurenfixierte.“ Ihr erstes Buch „Liebesperlen“ ist ein Figurenbuch. Ortheil und Leky blieben immer in engem Kontakt. Beide stammen aus Köln, wuchsen aber auch im Westerwald auf und pendelten zwischen Stadt und Land.

Die Autoren gliederten den Begriff „Heimat“ am Literaturabend chronologisch: Die „Alte Heimat“ war für Ortheil der Ort Wissen, die Heimat seiner Großeltern, die den Ort nie verließen. Die Ermunterung: „Geh in die Welt hinaus“, gab es nicht, stellte Leky fest. Ihr Bestseller „Was man von hier aus sehen kann“ ist die Konstruktion einer Dorfgemeinschaft im Westerwald mit Menschen, die nicht gehen. Das ist die klassische Szenerie der alten Heimat, für Kinder die erste Heimat des Lebens, in der ihnen die Brille angepasst wird, durch die sie die Welt sehen.

Ortheil fand auch in seinem Fall den Westerwald prägend. Er stellte bei Bekannten fest, dass im Alter ein Sog zurück in die alte Heimat entsteht. Nach einem Auszug aus seinem Buch „Was ich liebe und was nicht“, in dem er Begegnungen mit vertrauten Menschen des Dorfes schildert, stellte der Autor fest, das sei es wahrscheinlich, was einen zurückziehe: die archaische Vertrautheit. „Die Illusion, dass die Geschichte und die Welt sich nicht verändern, ist beruhigend.“

In die „Zweite Heimat“, bedingt durch Studium oder Lehrjahre, werden Elemente der ersten Heimat übertragen. Leky gestand: „Ich musste rausgeschubst werden.“ Schließlich studierte sie zunächst in Tübingen wie ihr Vater. Beim Pendeln zwischen Tübingen und Köln beruhigte sich ihr Puls immer in dem Moment, wenn der Zugführer Kölsch sprach. Ortheil empfand es als peinlich, mit Rheinländern in Stuttgart das vertraute Kölsch zu reden. Eigentlich wollte er ein neues Leben gewinnen.

Leky, die nur in alkoholisiertem Zustand Kölsch spricht, tat sich mit anderen Zugereisten zusammen, das half ihr eine neue Identität zu finden. Sie hatte große Schwierigkeiten hineinzukommen, aber als es hinausgehen sollte, war es wieder schlimm.

Die dritte Heimat ist die „Ferne Heimat“. Dazu stellte Ortheil fest, dass die junge Generation bereits sehr früh ganz weite Reisen unternommen hat. In Lekys Roman träumt der Vater der Erzählerin davon, eine große Reise zu machen. Auf die Frage seiner Mutter nach dem Warum, antwortet er: „Weil ich hier nicht vergammeln will!“

Die Autoren sind sich einig, dass wir unendlich weit weg wollen. Dahinter steckt eine Sehnsucht nach der Ferne, nach etwas ganz anderem. In dieser dritten Stufe warten wir auf etwas Radikales.

Hanns-Josef Ortheil erinnerte sich an seine europäische Orientierung, die ihn nach Frankreich und Italien führte. Für Mariana Leky war das Naheliegende die Niederlande, wo Verwandte wohnten. Ortheil mied einige Länder streng und suchte andere immer wieder auf. Er stellte spielerisch seine „innere Landkarte“ auf und fand verblüfft heraus, dass diese identisch ist mit dem Weströmischen Reich um 395 nach Christus. Dazu passt sein Lieblingswerk von Dürrenmatt: Romulus Augustus.

Im 20. Jahrhundert wurde oft die Heimat hier bei uns gesucht. Nach 1945 gab es verschiedene Formen der Heimatsuche bis zu den Flüchtlingsbewegungen der letzten Jahrzehnte. Menschen erzählen von ihrer alten Heimat, dadurch öffnen sich unendliche Erzählräume.

Nach Lekys Lesung von der Begegnung ihrer Protagonistin mit drei buddhistischen Mönchen, die helfen, ihren Hund zu suchen, resümierte Ortheil: „Das ist die schönste Utopie, die man sich vorstellen kann: Mit den Fremden etwas gemeinsam unternehmen und vertraulich miteinander umgehen!“

Den letzten Heimat-Raum, den globalen Raum, vergegenwärtigten die Künstler durch ein Bild: Durch die Mondlandung 1969 wurden Bilder der schönen blauen Erde aus der Ferne gezeigt. Gleichzeitig entstand auch ein Bewusstsein für globales Leben, „ein Bewusstsein für Heimat, das von ganz weit her kommt.“ htv
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