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Nachricht vom 25.05.2020
Region
Eine Bilanz: Schrittweise Öffnung der Schulen
Die stufenweise Wiederöffnung der Schulen stellt vor allem Berufsbildende Schule vor besondere Herausforderungen. An einer Berufsbildenden Schule kommen eine Vielzahl verschiedener Schulformen zusammen. Prüfungsmarathon an der Alice-Salomon-Schule.
Rachel Mallman (staatlich anerkannte Erzieherin) und Friedeman Scheffler (Bildungsgangkoordinator der Fachschule für Sozialwesen) nach abgeschlossener Präsentationsprüfung und Kolloquium. Fotos: prNeuwied. „Fast alle unsere Klassen sind irgendwie in diesem oder nächstem Schuljahr eine Abschlussklasse, sodass viele Klassen früh wieder an die Schule zurückkehren konnten“, so Wolfgang Künzel, kommissarischer Schulleiter. Hinzu kommt, dass an der Alice Salomon Schule der größte Teil der Schülerinnen und Schüler in Vollzeit unterrichtet wird, so dass die Wiederöffnung der Schule nur durch die kooperative Zusammenarbeit aller am Schulleben Beteiligten gemeistert werden konnte. Diese Tatsachen sowie die anstehenden Abschlussprüfungen im Bereich der Altenpflege/ Altenpflegehilfe, der Heilerziehungspflege, bei den Erziehern sowie die Abiturprüfungen in der BOSII und die Fachhochschulprüfungen in der Höheren Berufsfachschule stellten die Alice-Salomon-Schule vor besondere Herausforderungen.

Einen Monat nach der stufenweisen Öffnung der Schule sowie einem Prüfungsmarathon unter besonderen Bedingungen ziehen Schüler und Lehrer der Alice-Salomon-Schule eine Bilanz.

Wie sind Ihre Erfahrungen - sind die Schüler mit dem Homeschooling zurechtgekommen?

Durch COVID-19 mussten relativ schnell neue Kommunikationsformen und Lernplattformen etabliert und genutzt werden. Dies war eine besondere Herausforderung für Lehrer und Schüler, denn nicht jeder hatte das nötige Kompetenzniveau im Umgang mit digitalen Medien bis zu diesem Zeitpunkt erreicht. Aber die Umstände sorgten dafür, dass die Situation nicht nur als Herausforderung angesehen wurde, sondern als ein Prozess des „Über-sich-Hinauswachsens“. Somit zeigten alle Personen, die am schulischen Lernprozess beteiligt sind, eine Bereitschaft, sich auf die neuen Gegebenheiten einzulassen. Man lernte man neue Apps kennen, nutzte Lernplattformen wie Moodle und die Schulbox des Landes Rheinland Pfalz und tauschte sich mit Hilfe von Meetingsoftware im Online-Unterricht aus.

Der kollegiale Austausch war von Nöten und die digitale Kommunikation zwischen Lehrkräften und Schülern konnte sich mit der Zeit stetig verbessern. Natürlich ist es dem ein oder anderen Schüler einfacher oder schwerer gefallen mit dem Homeschooling umzugehen, sei es aufgrund mangelnder Selbstmotivation, fehlender digitaler Ressourcen und technischer Voraussetzungen oder aufgrund von fehlenden persönlichen Erläuterungen, um im Selbstlernprozess voranzuschreiten, erläuterte eine Lehrerin der Alice-Salomon-Schule.

Eine Schülerin der Höheren Berufsfachschule für Sozialassistenz konnte diese Eindrücke ergänzen und stellte heraus, dass man in der Schule an seinen Aufgaben wächst – „die größte Herausforderung war, ohne die persönliche Hilfe der Lehrer zu arbeiten, da man ja nicht direkt nachfragen kann, sondern auch die Antwort erst einmal warten musste“. Eine andere Schülerin empfand den hohen Kommunikationsaufwand aufgrund der Vielzahl an genutzten und ausprobierten Medien sowie die eigene Strukturierung als größte Herausforderung – „Irgendwann habe ich mir Tagespläne mit einer Vorlage der Klassenlehrerin gemacht und konnte so Stress vermeiden – auch wenn ich mich manchmal selbst motivieren musste.“

Eine Vielzahl von Schülern wusste jedoch die freie Einteilung der Zeit sehr zu schätzen: „Wir konnten selber entscheiden, wann wir welche Aufgabe bearbeiteten.“ Eine Schülerin betonte: „Ich fand die praktischen Aufgaben, die der jeweilige Fachlehrer uns fürs Homeschooling gegeben hat, gut. Durch das praktische Arbeiten an einer Lesekiste oder dem Bau eines Instruments habe ich mich viel intensiver mit dem Thema befasst – so kann ich besser lernen.“

Wie hat sich der Arbeitsalltag der Lehrkräfte in den letzten Monaten verändert?
Die Umstellung vom Präsenzunterricht zum Homeschooling beziehungsweise einer Mischform bedingte sowohl für die Schüler als auch die Lehrkräfte eine Umstrukturierung des Arbeitsalltags. „Neben dem Abnehmen von Prüfungen sowie vielen Prüfungsaufsichten bereiten wir quasi doppelten Unterricht vor, da zum einen Aufgaben für die Schüler im Präsenzunterricht nötig sind und wir uns zudem weiterhin um die Schüler im Homeschooling kümmern“, so Anne Gasper, Lehrkraft der Alice-Salomon-Schule. Einige Klassen wurden in zwei Gruppen unterteilt und kommen im wöchentlichen Wechsel zur Schule, sodass viele Schüler nach wie vor Aufgaben zu Hause erledigen.

Zudem findet für manche Klassen, die noch nicht wieder an der Schule sind, Heimunterricht in Form von Videokonferenzen statt, um ein Mindestmaß an persönlicher Interaktion mit den Schülern zu gewährleisten. „Homeschooling kann den Präsenzunterricht einfach nicht ersetzen. Allerdings sollten Schulen und Land die aktuelle Situation nutzen, um die Digitalisierung von Schule voranzutreiben“, erklärte Stephan Kappesz, Mitglied des Schulleitungsteams der Alice-Salomon-Schule.

Wie sind die Wiederöffnung der Schule sowie der Prüfungsmarathon unter ganz besonderen Bedingungen verlaufen?
„Die Zusammenarbeit mit ADD und Schulträger verliefen sehr kooperativ, sodass nicht nur wichtige organisatorische Rahmenbedingungen vor Prüfungsbeginn und der Schulöffnung geregelt werden konnten, sondern darüber hinaus seitens des Kreises Neuwied Pflegepuppen zur Abnahme der praktischen Prüfung in der Altenpflege finanziert wurden. Natürlich war eine Anpassung der Vorgaben zu den Hygiene- sowie sonstigen Vorschriften unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten an zwei Schulstandorten nochmals eine besondere Herausforderung.

Das Land Rheinland-Pfalz sowie der Kreis Neuwied haben uns neben Schutzmasken auch Desinfektionsmittel zur Verfügung gestellt, und ein neues Wegeleitsystem für beide Schulstandorte ist entwickelt worden. Nicht an jedem Standort war ein Wegeplan mit ausschließlichem „Einbahnverkehr“ möglich, der jeglichen Begegnungsverkehr ausschließt. Daher wurde hierzu das „Rechts-Geh-Gebot“ in betroffenen Gängen eingeführt. Zudem war es für uns vor allem wichtig, die Schüler über alle Änderungen aufzuklären und sie mit diesen vertraut zu machen. „Unsere Schüler verhalten sich insgesamt sehr diszipliniert“, so die Pädagogische Leiterin Doris Schulte-Schwering.

Ab Anfang Juni werden 913 Schüler von insgesamt 1126 Schülern wieder im wöchentlichen Wechsel am Präsenzunterricht in der Schule teilnehmen werden. Die weiteren Schüler der oben genannten Bildungsgänge haben ihre Abschlussprüfungen bereits absolviert. Allen Absolventen nochmal einen herzlichen Glückwunsch und viel Erfolg für den folgenden Lebensabschnitt.

Die Schüler stellten heraus, dass für sie die Teilung der Gruppen sehr gut ist – „Es ist eine ruhige Atmosphäre und durch den Abstand zueinander wird man nicht mehr abgelenkt. Ich habe das Gefühl, dass sich in der kleinen Gruppe alle mehr im Unterricht melden.“ Allerdings vermissen die Schüler die Abwechslung in der Sozialform, „aufgrund von Corona werden keine Gruppenarbeiten mehr angeboten“, so eine Schülerin der Alice-Salomon-Schule.

Können Sie sich vorstellen Elemente des Homeschoolings langfristig in den Schulalltag zu übernehmen?
Für viele Schüler ist das Homeschooling mit digital einzureichenden Aufgaben oder Online-Unterricht eine gute Lösung für die aktuelle Situation, jedoch keine Dauerlösung. „Schule ist für mich mehr als nur ein Ort des Lernens. Hier habe ich meine Freunde und kann mich austauschen“, so eine Schülerin der Höheren Berufsfachschule für Sozialassistenz. Eine Mitschülerin sagte: „Ich bin froh, dass der Präsenzunterricht in Teilen alle zwei Wochen wieder stattfindet, da die Kommunikation mit den Lehrern per E-Mail oder der Schul-App Untis doch oft mühsam war. Im Unterricht könne die Lehrer direkt antworten und ich kann ohne Unterbrechung weiterarbeiten.“ Das Homeschooling hatte aber auch seine Vorteile, „beim Arbeiten von zu Hause wurde Word mein bester Freund. Ich wurde dadurch strukturierter und vor allem ordentlicher.“

Wie wird es nach den Sommerferien weitergehen?
Letztlich erfordert die dynamische Entwicklung der Krise, wie wir sie in den letzten Monaten erlebt haben, auch weiterhin ein flexibles Handeln aller Beteiligten. „Wir bereiten uns auf verschiedene mögliche Szenarien vor und hoffen natürlich, dass die Zahl der Erkrankten nicht wieder steigt,“ so Wolfgang Künzel, der kommissarische Schulleiter. (PM)
   
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