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Nachricht vom 21.08.2020 |
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Kultur |
Drei Männer als Überraschungsmenü im Hotel zur Post |
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„Kabarett á la Surprise“ mit drei Künstlern ist immer die finale Veranstaltung einer Kabarett-Saison im Hotel zur Post in Waldbreitbach. Dass der Schluss des Programms 2019/2020 statt im April erst am 22. und 23. August gespielt wird, war nicht geplant. Corona vernichtete auch die gewohnte kuschelige Enge im Rittersaal. |
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Waldbreitbach. Trotzdem waren alle Beteiligten – Publikum, die Veranstalter und die Künstler – sehr froh, dass endlich wieder eine Veranstaltung stattfand. Die Künstler, die seit Mitte März kein Einkommen mehr hatten und das Management des Hotels stellen das Programm am Samstag und Sonntag gleich vier Mal auf die Bühne, damit alle Karteninhaber zu ihrem Recht kommen können.
Applaus klingt schöner, wenn viele Hände klatschen, aber die vorgegebenen Abstände ließen pro Auftritt nur etwa 30 Zuschauer zu. Diese sahen als ersten Künstler einen freundlichen älteren Herrn mit Kappe, der vor zehn Jahren zum letzten Mal in Waldbreitbach auftrat: Gernot Voltz, Kabarettist, Autor und Regisseur, der mit dem Gedicht „Die Maskenpflicht“ startete. Für Voltz ist Corona wie eine neue Brille, durch die man die Umwelt plötzlich ungewohnt scharf sieht. Den Verschwörungstheoretikern und Maskenverweigerern empfiehlt der Kabarettist Sozialstunden in einem Schlachthof oder die Verwendung als Versuchskaninchen für neuen Impfstoff.
Nachrichten, die immer schneller aufeinander folgen, hatte der Künstler im mentalen Gepäck. Seine Gegenmaßnahme gegen zunehmendes Tempo ist Gelassenheit, „Wir leben in Zusammenhängen, die wir nicht verstehen“. Um mit Gelassenheit durch die chaotische Zeit zu kommen, schafften sich viele Mitmenschen ein Haustier an. Aus eigener Erfahrung berichtete der Tierfreund vom Spaziergang mit dem Irischen Wolfshund „Fluffy“ im Stadtpark. Das Publikum hatte seine Freude am Spieltrieb des Riesenhunds.
Der Kanzlerin Merkel rechnet Voltz positiv an, dass sie sich öffentlich gegen die AfD gestellt hat. Ein Rechtsruck sei überall in Europa feststellbar, dazu noch Trump… Um alle Anfechtungen unbeschadet zu überstehen, helfen Gelassenheit und der irrwitzige „Rentner-Rap“.
Der zweite Künstler kam mit einem Strahlen und dem Versprechen auf die Bühne: „Machen Sie bei meinem Zehn-Punkte-Programm für Abgehängte mit und Sie werden sehen: danach geht’s Ihnen besser!“
Motivations-Trainer C. Heiland fordert Inhalte statt flacher Witzchen und bringt seine Beobachtungen immer wieder auf den ganz einfachen Nenner „Fresse halten!“ Das gibt es auch als Motto auf käuflichem Mund-Nasen-Schutz.
Neben Inhalten brauchen wir Liebe. Punkt fünf des Zehn-Punkte-Programm für Abgehängte lautet: Gemeinschaftsgefühl stärken. Das schafft der Künstler mithilfe seines Omnichords und dem Lied „Samba-Zug nach Kiel“. Typisch Deutsches wie das Vereinswesen, Warentrenner oder Kastenbrot erhält mit elektronischer Melodie und ironischem Text applausmotivierende Relevanz.
Der Dritte im Bunde, Hans Gerzlich als Marketingleiter in einem Bestattungsdiscounter in feinen Zwirn gewandet, findet seit Kurzem Home Office super. Nur die Kantine war nicht so gut und der Austausch mit den Mitarbeitern fehlte.
Der Kabarettist und Comedian konnte die Erkenntnis, Merkels Nachfolger solle ein Komiker sein, damit man wieder gern Bundestagsdebatten sieht, anschaulich demonstrieren. Geeignete Kandidaten wären zum Beispiel Helge Schneider, Didi Hallervorden Boris Becker oder Udo Lindenberg – Lacherfolge bei drögen politischen Verhandlungen garantiert.
Unvergesslich für alle Zuschauer ist das von Gerzlich vielfach bewiesene Agathe-Bauer-Prinzip: „Die Leute hören was sie hören sollen!“ Alle Besucher, die am Wochenende das Waldbreitbacher Überraschungskabarett besuchen, werden künftig hören: „Du musst besoffen bestellen“ oder „Oma fiel ins Klo“, vielleicht auch „Schnitzelwagen Santa Maria“. Kabarettistischer Lerneffekt mit Nachhaltigkeit. Funktioniert immer. Garantiert!
In Kürze startet bereits die neue Theatersaison mit Comedy-Stars wie Bernd Gieseking, Stephan Bauer, Katie Freudenschuss, Ingo Nommsen, Frank Fischer, Stefan Danziger und De Frau Kühne. Am 13. September empfiehlt Bernd Gieseking im Rahmen der WW-Literaturtage: „Finne Dich selbst“. Und am 25. Oktober verspricht Stephan Bauer: „Ehepaare kommen in den Himmel – In der Hölle waren sie schon“. htv
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Nachricht vom 21.08.2020 |
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