NR-Kurier |
Ihre Internetzeitung für den Kreis Neuwied |
|
Nachricht vom 10.12.2020 |
|
Politik |
Haushalt Stadt Neuwied: Grundsteuer B steigt auf 610 Prozent |
|
Vor rund zehn Monaten war sich das politische Neuwied über fast alle Fraktionen hinweg einig, dass eine Erhöhung der Grundsteuer B nicht tragbar sei. In der am 10. Dezember durchgeführten Stadtratssitzung wurde mit einer knappen Mehrheit von einer Stimme, der von der Papaya-Koalition beantragten Erhöhung der Grundsteuer B und somit dem gesamten Haushaltsplan für das Jahr 2020/2021 zugestimmt. |
|
Neuwied. In Zeiten immer klammerer Kassen und Mindereinnahmen durch die Corona-Pandemie gab es zum Haushaltsplan der Papaya-Koalition mit der Erhöhung der Grundsteuer B von 420 auf 610 Prozent, dies sind satte 45 Prozent mit einem geschätzten Volumen von 4,85 Millionen Euro, einen regelrechten Schlagabtausch der acht Stadtratsfraktionen in der letzten Stadtratssitzung in diesem Jahr. Vor der Aussprache über den Haushaltsplan 2020/2021, erläuterte Stadtkämmerer Ralf Seemann die finanzielle Situation der Stadt Neuwied und zeigte auf, was mit der Erhöhung der Grundsteuer B möglich und somit ausgeglichen werden könnte.
Investitionen für notwendige Sanierungen an den Neuwieder Schulen, oder der Neubau von Kitas ständen neben weiteren notwendigen Maßnahmen in den verschiedensten Bereichen im Fokus. Seit Jahren wird durch die ADD (Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Trier) eine Erhöhung der Grundsteuer B gefordert. „In ausführlichen Gesprächen mit der ADD können wir mit der Erhöhung der Grundsteuer B mehr Spielräume schaffen und die Weichen für zukünftige Generationen stellen“, erklärte Seemann. Der Stadtkämmerer: „Ohne die Anpassung der Grundsteuer B hätten wir ein Defizit von rund 12,8 Millionen Euro!“
Nach der Darstellung seitens der Stadtverwaltung über den zu beschließenden Haushalt erhielten die acht Fraktionen je 15 Minuten Redezeit, um ihren jeweiligen Standpunkt zu erläutern.
Regine Wilke vom Bündnis 90/Die Grünen: „Das Defizit der Stadt wächst ungebremst weiter, die ADD kürzt den Haushalt Jahr für Jahr ein. Einen so klaren, zukunftsweisenden Haushaltsentwurf wie den jetzt vorgestellten, haben wir in der Stadt noch nie gesehen. Jeder Haushalt, der sein Konto über seine Zahlungsfähigkeit hinaus überzieht, ist von Insolvenz bedroht und wird aufgefordert, sein Einkommen zu erhöhen oder seine Ausgaben zu überdenken. Bei einer 50 Quadratmeter Wohnung in der Innenstadt fallen monatlich rund 2,90 Euro Mehrkosten an. Bei einem Einfamilienwohnhaus mit normalem Grundstück in einem Stadtteil schlägt das mit fünf bis 15 Euro zu Buche. Dagegen steht ein Mehr an Investitionen in Höhe von zwei Millionen Euro. Kindertagesstätten, Umweltschutz, Deichvorgelände, Umgestaltung der Deichkrone, neue Toiletten an Grundschulen, Glasfasernetze, Theater, Kultur, Freizeitangebote können finanziert werden und es bleibt noch Geld für die Entwicklung der Gewerbegebiete“
Karl-Josef Heinrichs, FWG: „Nun aber ist die ADD bereit, bei unseren Investitionen den Deckel der Nettoneuverschuldung in zwei Bereichen aufzugeben. Das geht aus Sicht der ADD natürlich nicht zum Nulltarif. Sie will unser Bemühen um eine Konsolidierung auch sehen und fordert aus ihrer Sicht die längst fällige Anhebung der Hebesätze bei der Grundsteuer. Für uns alle sicher ein schwerer Schritt. Wer erhöht schon gerne Steuern? Auch der Zeitpunkt ist vielleicht nicht ganz günstig. Aber für Steuererhöhungen gibt es, so glaube ich, nie einen günstigen Zeitpunkt.“
Tobias Härtling, Die Linke: „Wir, Die Linke, werden den Haushaltsplan für das Jahr 2020/2021 ablehnen, da durch die Erhöhung die breite Masse belastet wird.“
Dennis Mohr, FDP: „Klotzen nicht kleckern. Geklotzt wird vor allem bei einem: Die massive Erhöhung der Grundsteuer B bringt 4,85 Millionen Euro mehr Einnahmen in der Stadtkasse. Das klingt verlockend. Was aber sehr schnell deutlich wird: Die Summe von etwa 4,85 Millionen Euro Mehreinnahmen würde praktisch eins zu eins von den geschätzten Verlusten durch die Corona-Krise aufgefressen werden. Als Argument habe ich mehrfach gehört, diese Erhöhung sei fair, weil sie sich auf alle verteilt. Ja, wir möchten auch gerne mehr gestalten und ich durfte mir auch sagen lassen, für Steuererhöhungen sei es nie die richtige Zeit. Ja, das stimmt. Aber muss die mit Abstand größte Erhöhung aller Zeiten unbedingt zur schlechtesten Zeit kommen? Ich möchte gerne abschließen mit einem Zitat von einem Mann, dem die Christdemokraten vertrauen sollten. Unser Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier sagte vor wenigen Tagen: „Jegliche Steuererhöhung wäre Gift in der Krise.“ Der vorgelegten Haushaltssatzung können wir aufgrund der massiven Erhöhung der Grundsteuer B nicht zustimmen.
Hans-Dieter Funk, AfD: „Die AfD-Stadtratsfraktion begrüßt alle geplanten Investitionen für das Wohl unserer Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt, solange sie sinnvoll geplant, angemessen und bezahlbar sind. Die AfD-Fraktion lehnt den vorgelegten Haushalt 2021 ab. Außer den Befürwortern der sogenannten Papaya-Koalition haben die Oppositionsparteien im zuständigen Ausschuss bereits mit einem Nein gestimmt. Dabei geht es uns nicht um die geplanten und aus unserer Sicht notwenigen Investitionen in dieser Stadt, es geht um die klare Botschaft der ADD, als Aufsichtsbehörde des Landes: Erhöht die Abgaben und Steuern, sonst genehmigen wir den Haushalt nicht.“
Sven Lefkowitz, SPD: „Während man im Bund und im Land, in den Kommunen rundherum alles Menschenmögliche unternimmt, um die Corona-Pandemie und ihre Folgen für die Menschen abzumildern; während man auf allen Ebenen auch unter Inkaufnahme von Verschuldung den Menschen hilft, ist in Neuwied die Antwort der Papaya-Koalition auf die aktuellen Herausforderungen und die Sorgen der Menschen eine Steuererhöhung um 45 Prozent.
Das ist schon ein einmaliger Vorgang, und das können Sie auch nicht beschönigen, in dem sie so tun, als seien das ja nur „Peanuts“ für die Betroffenen. Entgegen der ursprünglichen Verwaltungsvorlage und der Diskussion im Haushaltsausschuss wollen Sie, die Vertreter der Papaya, Neuwied an die Spitze katapultieren. Ja, Neuwied ist dann Spitze in Rheinland-Pfalz. SPITZE! Das würde man ja eigentlich wirklich gerne öfter mal hören. Aber doch nicht beim Steuersatz! Macht das unsere Stadt attraktiv? Ist das Ihre Vorstellung von Attraktivierung?“
Dr. Jutta Etscheidt, Bürgerliste ich tu‘s: „The same procedure as every year… könnte man wieder sagen. Stadtverwaltung und Ratsmitglieder haben mit viel Mühe versucht, einen Haushaltsplan aufzustellen, der versucht, sich im Spannungsfeld zwischen Pflichtaufgaben und Schuldenlast ein kleines Fenster für die selbstbestimmte Weiterentwicklung unserer Stadt zu erkämpfen und dem jährlichen Kampf mit unserer Aufsichtsbehörde, die unsere Verschuldung als eigenverursacht ansieht, weil wir aus der Sicht des Landes nicht an der Erhöhung unserer Einnahmemöglichkeiten arbeiten, allen voran eine Steuererhöhung. Die Papaya-Koalition hat nun diesem ewigen Druck nachgegeben und in diesem Haushalt eine Erhöhung der Grundsteuer B von 420 auf 610 Prozent eingearbeitet. Der Anteil für den Einzelnen ist überschaubar. Wie Herr Seemann vorgerechnet hat, beträgt für ungefähr die Hälfte der Grundstücksbesitzer die Mehrbelastung zwischen zwei und 15 Euro pro Monat. Aber es ist nur die Hälfte. Es gibt auch Menschen, die recht hoch belastet werden. Eine Steuerhöhung zur scheinbaren Rettung unserer Finanzen als einseitige Leistung unserer Stadt auf dem Buckel der Bürger durchzuführen, ohne das Land mit seiner verfassungswidrigen, chronischen Unterfinanzierung der Kommunen in die Pflicht zu nehmen, wird es aber mit uns nicht geben. Deshalb wird die Bürgerliste dem Haushalt in diesem Jahr nicht zustimmen!“
Als letzter Redner in Sachen Haushalt 2020/2021 trat CDU-Fraktionsvorsitzender Martin Hahn ans Rednerpult und ging als erstes auf die eine oder andere Äußerung seitens der SPD ein. Danach führte er aus, dass man mit der Erhöhung der Grundsteuer B die Handlungsfähigkeit wiederherstellen möchte. Weiterhin würden die Zuschüsse, die an die Stadt fließen, die Kosten bei weitem nicht decken. Man könne mit der Erhöhung der Grundsteuer B mehr investieren: „Wir investieren in Zukunftseinrichtungen, Dank an den Kämmerer“, so Hahn in seinen Ausführungen.
Man sprach von einer Negativspirale, die man mit der geplanten Erhöhung nachhaltig umkehren kann, der erste Schritt würde am heutigen Tage mit der Verabschiedung der Haushaltvorlage gegangen, hieß es in den Ausführungen von Hahn. Auch dürfe man jetzt nicht mehr so lange warten, bis sich etwas tut, Hahn zielte damit auf die von seinen Vorrednern angesprochenen Klagen verschiedener Kommunen beim Verwaltungsgerichtshof in Koblenz ab. Die Stadt Pirmasens und der Landkreis Kaiserslautern haben Klage eingereicht, bei der es um den kommunalen Finanzausgleich geht. Eine Entscheidung soll es in sechs Tagen geben, jedoch sind der Ausgang und die daraus folgenden Konsequenzen sowie die Umsetzungszeit nicht absehbar und man müsse jetzt handeln und die Weichen stellen, „wer verantwortlich handelt, darf nicht lange warten.“
In den Nachfolgenden Abstimmungen wurde als erstes über den Antrag der SPD-Fraktion entschieden, dass der Grundsteuerbetrag bei 420 Prozent bleiben soll. Dieser Antrag wurde mit 23 Ja- und 24 Nein-Stimmen abgelehnt.
Danach wurde über den Haushaltsplan für das Jahr 2020/2021 abgestimmt und mit 24 Ja- und 23 Nein-Stimmen denkbar knapp verabschiedet.
Eckhard Schwabe |
|
|
|
Nachricht vom 10.12.2020 |
www.nr-kurier.de |
|
|
|
|
|
|